«Ich kann nicht alles ändern, aber ich kann zumindest etwas tun»

Interview mit Hans Melliger, Leiter Jugendanwaltschaft

Diese Verwarnung ist auch eine Hilfe für die Eltern?

Ja, auf jeden Fall. Oft haben die Eltern auch ihre Probleme mit ihren Kindern. Es ist einfacher für uns als für sie, festzustellen, dass ihr Kind zu viel Taschengeld bekommt oder zu viel im Ausgang ist und dass sich das ändern muss. Die Umsetzung zu Hause ist für die Eltern aber oft trotzdem schwierig, weshalb wir in solchen Fällen unsere Sozialarbeiter/innen einbeziehen, die sie unterstützen.

Wir können zur Unterstützung und Stärkung der Eltern zu Hause auch eine systemische Therapie anordnen. Das kann schon sehr wirksam sein und ist kostenschonend, da die Unterbringung in einem Heim sehr teuer ist.

Wie viel kostet eine solche Unterbringung?

Ca. 200 – 900 Franken pro Tag, je nach Grad der Geschlossenheit und dem Angebot der Institution. Man muss bei der Beurteilung der Kosten bedenken, dass diese teuren Institutionen gleichzeitig Gefängnis, Psychiatrieanstalt und Lehrbetrieb sein müssen.

Wieviele Verfahren haben Sie pro Jahr?

Rund 2 200 Verfahren. Die Zahlen sind seit sechs Jahren rückläufig; es sind schweizweit und auch bei uns seit 2009 ca. 30 – 40 % weniger Anzeigen eingegangen.

Was ist die Ursache dafür?

Es gibt verschiedene Gründe. Die Zahl der Fälle ist unter anderem abhängig vom Anzeigeverhalten, welches sich ändern kann, wenn man sich sicher fühlt. Man neigt dann eher dazu, grosszügig über kleinere Taten hinwegzusehen, nach dem Motto «wir waren ja auch mal jung». Wenn nur schon 5 % der Straftaten nicht verzeigt werden, macht das viel aus.

Phobien gegenüber Gruppierungen, spezielle Einzelfälle oder Fokussierungen und Berichterstattungen über Gewaltdelikte in den Medien beeinflussen das Anzeigeverhalten ebenfalls. Die Leute statuieren dann eher ein Exempel und erstatten Anzeige.

Gibt es weitere Einflussfaktoren?

Ja, das Kontrollverhalten der Polizei spielt auch eine Rolle. Wenn systematisch in Zügen oder Hotspots kontrolliert wird, dann häufen sich bei uns die Anzeigen wegen Strassenverkehrsübertretungen, Betäubungsmittelkonsums oder Urkundenfälschungen, weil erst die Kontrollen diese typischen Jugenddelikte zum Vorschein bringen.

Es sind also viele Faktoren für die Zahl der Delikte verantwortlich?

Ja, ein weiterer Faktor sind Kultur- bzw. Jugendbewegungen, von denen einzelne «strafanfälliger» sind als andere.

Zu Hause gamen und rauchen fällt nicht auf, sich im öffentlichen Raum zu prügeln, zu sprayen oder Botellons zu feiern hingegen schon. Die meisten Delikte passieren klar im öffentlichen Raum. Insbesondere in den späten Nacht- bzw. frühen Morgenstunden, wenn schon viel Alkohol geflossen ist.

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