Nach fast 20 Jahren droht dem Solothurner GAV das Ende. Dr. Samuel Blapp sprach mit Dr. Corinne Saner, Vizepräsidentin des Solothurnischen Staatspersonal-Verbandes und Rechtsanwältin in Olten, über den gesamtschweizerisch einzigartigen kantonalen GAV im Kanton Solothurn.
AdR: Lesen Sie den Hintergrundbericht von Dr. Saner zu diesem Thema unter folgendem Link: Kommt das Aus für den GAV im Kanton Solothurn?
Blapp: Frau Dr. Saner, kaum jemand kennt den Solothurner GAV so gut wie Sie, denn Sie haben ihn damals entworfen. Wie kam der Kanton Solothurn zu einem öffentlich-rechtlichen Gesamtarbeitsvertrag?
Saner: Dass es im Kanton Solothurn einen öffentlich-rechtlichen Gesamtarbeitsvertrag gibt, ist der Verdienst des damaligen Kantonsrates. Dieser hat im Staatspersonalgesetz (StPG) § 45 bis eingefügt und damit dem Regierungsrat die Kompetenz gegeben, mit Personalverbänden für die Bereiche Arbeitszeit, vorzeitige Pensionierung, Ferien, Besoldung und Entschädigungen sowie den gesamten Vollzug des Staatspersonalgesetzes einen Gesamtarbeitsvertrag abzuschliessen.
Die Personalverbände waren am Anfang eher skeptisch. Das Instrument des GAV kannte man eher aus dem Privatrecht und hatte daher Bedenken, ob es auf das öffentliche Recht übertragen werden könnte. Den Personalverbänden war damals vor allem wichtig, dass es einen Gesamtarbeitsvertrag für das gesamte Personal gibt und nicht mehrere Gesamtarbeitsverträge abgeschlossen werden können, die dann einzelne Personalgruppen anders behandelt hätten. Das hätte rechtlich gesehen auch gegen das Gebot der Gleichbehandlung verstossen.
Bereits im Frühling 2001 nahmen die Personalverbände die Verhandlungen mit dem Regierungsrat über den Abschluss eines GAV auf. Für die Bereiche Arbeitszeit, vorzeitige Pensionierung, Ferien, Besoldung und Entschädigungen wurden vier paritätische Arbeitsgruppen gebildet, um die entsprechenden Regelungen auf gleicher Augenhöhe auszuhandeln. Ich habe mich damals dafür eingesetzt, eine fünfte paritätische Arbeitsgruppe zu bilden, welche sich dem Thema «Vollzug des Staatspersonalgesetzes» widmet, stiess damit aber auf taube Ohren. Die Projektleitung war der Meinung, man könne dafür ja auf die entsprechenden Verordnungen verweisen.
Wie ist der Gesamtarbeitsvertrag denn konkret entstanden?
Ich habe mich als Juristin damals schon intensiv mit dem Thema Gesamtarbeitsvertrag im öffentlichen Recht auseinandergesetzt. Die Vorstellung, dass das Solothurner Pionierwerk, der erste öffentlich-rechtliche GAV, der für das gesamte Staatspersonal gelten sollte, einfach aus ein paar Verweisen auf Verordnungen bestehen würde, konnte ich einfach nicht akzeptieren. Ich hatte ein gewisses Verständnis dafür, dass alle in den vier politisch brisanten Projektgruppen mitarbeiten wollten und nicht scharf darauf waren, juristische Knochenarbeit zu leisten, aber so konnte ich das einfach nicht stehen lassen.
Ich wollte, dass der Gesamtarbeitsvertrag ein benutzerfreundliches Werk ist, das der und die einzelne Staatsangestellte zur Hand nehmen kann und darin Antworten auf Fragen zum Anstellungsverhältnis findet. Trockene Verweise auf bestehende Verordnungen hätten da nicht weitergeholfen. Ausserdem sah ich eine grosse Chance darin, das gesamte bestehende Verordnungsrecht im Personalrecht bei dieser Gelegenheit zu vereinheitlichen und anzupassen.
Ich hatte die Vorstellung, dass Abschluss und Beendigung des Anstellungsverhältnisses sowie Rechte und Pflichten der Angestellten in einem für alle geltenden allgemeinen Teil geregelt sein müssten. Nur wirklich spezifische Themen einzelner Berufsgruppen sollten in einem auf sie zugeschnittenen besonderen Teil geregelt werden. Ausserdem wollte ich ein Inhaltsverzeichnis, damit Angestellte, die Antworten suchen, sich im GAV zurechtfinden.