«Den Jugendlichen etwas Positives auf den Weg geben»

Interview mit Lorena Herrli, Auszubildende zur Dipl. Pflegefachfrau HF bei der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich

Wer sind Sie, und was machen Sie in Ihrem Berufsalltag?
Ich heisse Lorena Herrli, bin im letzten Ausbildungsjahr zur Dipl. Pflegefachfrau HF mit Schwerpunkt Psychiatrie und arbeite in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Bei unserer Station handelt es sich um eine mehrheitlich geschlossen geführte Akutstation für Jugendliche. Zurzeit bin ich in den letzten Zügen meiner Ausbildung; zum Erhalt des Diploms fehlt noch eine Prüfung, die ich bestehen muss.

Was schätzen Sie an Ihrem Beruf oder an Ihrer Arbeitsstelle?
Am jetzigen Standort, der Kinder- und Jugendpsychiatrie, schätze ich den Umgang und die Arbeit mit den Jugendlichen sehr. Für eine gute Zusammenarbeit ist es äusserst wichtig, eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen. Ausserdem gleicht kein Tag dem anderen, der gesamte Arbeitsalltag ist sehr vielfältig und abwechslungsreich. Es erfüllt mich sehr, wenn ich den Jugendlichen etwas Positives auf den Weg mitgeben und sie unterstützen kann.

Haben die Jugendlichen Mühe, Vertrauen zu den Pflegenden und Ärzten aufzubauen?
Es gibt immer wieder Jugendliche, welche Bindungsprobleme haben, zum Beispiel ausgelöst durch erlebte Situationen oder Traumata in der Vergangenheit. Häufig glaubt man, das Vertrauen des Jugendlichen gewonnen zu haben. Die entstandene Beziehung wird jedoch immer wieder auf die Probe gestellt. Es ist das A und O, trotz allem nicht aufzugeben und den Jugendlichen die Sicherheit zu vermitteln, die sie brauchen. Es ist wichtig, eine alternative, positive Beziehung aufbauen zu können, die sie in ihrem bisherigen Leben teilweise noch nicht erlebt haben.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie diese Beziehung oder das Vertrauen getestet wird?
Das ist ganz unterschiedlich. Sie testen, ob Abmachungen eingehalten werden oder ob es eine Konsequenz gibt, wenn sie die Regeln missachten, und ob die Beziehung so evtl. darunter leiden würde. Diese Reaktionen sind oft auf Verlustängste zurückzuführen.

Wie alt sind die Kinder und Jugendlichen, und wie viele befinden sich tendenziell bei Ihnen auf der Station?
Wir haben 9 Plätze und betreuen hier 14- bis 17-jährige Jugendliche, stellen aber am Abend ab 17.00 Uhr und/oder am Wochenende zusätzlich auch ein Kindernotfallbett zur Verfügung.

Wie lange dauert ein solcher Aufenthalt in der Regel?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir haben zum Teil nur kurze Kriseninterventionen von 3 bis 4 Tagen. Es gibt aber auch Fälle, bei denen es mehrere Monate dauert, bis eine Besserung eintritt. Für einige Jugendliche stellt der Klinikaufenthalt eine sehr schwere Zeit dar; sie sind dann sehr froh, wenn sie wieder zurück nach Hause können. Es gibt aber auch Jugendliche, die fühlen sich hier besser aufgehoben als zu Hause. In solchen Fällen geht es darum, für diese Jugendlichen eine geeignete Wohnform oder Unterstützungsangebote für zu Hause zu finden.
Es ist schön, zu sehen, wenn eine positive Wendung eintritt und der Jugendliche daraufhin entlassen werden kann. Wenn sie die Station mit einem Lächeln und einem Dankeschön verlassen, ist es natürlich umso schöner, auch für uns.

In welchen Situationen benötigen die Kinder und Jugendlichen Ihre Unterstützung, bzw. was sind die Gründe für einen Aufenthalt auf Ihrer Station?
Es sind Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen, welche im ambulanten Setting nicht genügend betreut und behandelt werden können. Bei solchen Kindern und Jugendlichen können akute Krisen zu Hause oder in der Schule dazu führen, dass es einen Aufenthalt in der Klinik erfordert. Auch Überbelastung innerhalb des Familiensystems kann Grund für eine Unterstützung sein. Vor allem im Nachgang der Coronakrise haben wir bemerkt, dass viele Familien an ihre Grenzen gestossen sind.
Viele Jugendliche haben auch negative Erfahrungen mit Mobbing gemacht und Ausgrenzungen erlebt. Manchmal herrscht ein grosser Leistungsdruck in der Schule oder von zu Hause aus, und da ist es teilweise hilfreich, solche Schülerinnen oder Schüler für einige Zeit aus der Klasse zu nehmen. Oftmals finden sie dann nach einem Aufenthalt in der Klinik zurück in den Alltag und können mit solchen Situationen besser umgehen.

Erhalten Sie auch Feedbacks von Jugendlichen, die bereits aus der Klinik ausgetreten sind?
Ich bin erst seit rund 3 Monaten auf dieser Station, aber es ist auch schon vorgekommen, dass Vereinzelte wieder vorbeigekommen sind und uns begrüsst haben. Wir waren doch für einige ein wichtiger Teil ihrer Reise zu einem besseren Leben, weshalb sie sich auch gerne bei uns erkundigen, wie es uns geht. Teilweise besuchen sie natürlich auch die Jugendlichen, die sie während ihres Aufenthaltes kennenlernen durften.

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