«Ich kann nicht alles ändern, aber ich kann zumindest etwas tun»

Interview mit Hans Melliger, Leiter Jugendanwaltschaft

Was motiviert Sie?

Ich habe das Gefühl, dass ich etwas mit meiner Arbeit bewirken und verändern kann. Ich kann nicht alles ändern, aber ich kann zumindest etwas tun.

Wir haben die Fähigkeiten und Möglichkeiten, mit den Jugendlichen Ziele zu definieren, die nicht überfordern, sondern umsetzbar sind und schliesslich die Jugendlichen weiterentwickeln.

Gibt es etwas, das Ihnen an Ihrer Arbeitsstelle nicht gefällt?

Auch wir sind dem Spardruck ausgeliefert und mussten Stellen abbauen. Das ist schwierig, hat aber auch damit zu tun, dass wir weniger Fälle haben, weshalb ich den Abbau auch verstehe.

Am Beruf selbst gefällt mir alles. Unverständnis von aussen – von der Politik oder in den Medien – ist manchmal schwierig auszuhalten. Da Jugendstrafverfahren nicht öffentlich sind, kann man in solchen Situationen nicht offen informieren und richtig stellen.

Gibt es auch Fälle, die Sie persönlich betroffen machen oder nicht los lassen?

Das ist so, es gibt Fälle, die einem an die Nieren gehen. Mich aktiviert das aber eher. Insbesondere, wenn es um zwischenmenschlich schwierige Situationen geht oder wenn man sieht, was die Jugendlichen schon alles durchmachen mussten.

Wie kamen Sie zur Jugendanwaltschaft?

Ich habe Rechtswissenschaften studiert, allerdings nicht sehr «zielgerichtet», denn ich habe mich gleichzeitig sehr fürs Theater- und Handballspielen interessiert. Nach dem Studium habe ich in der Arbeits- und Erziehungsanstalt Uitikon, dem heutigen Massnahmezentrum Uitikon, gearbeitet; ich habe anschliessend Gerichts- und ein Anwaltspraktika absolviert und die Anwaltsprüfung abgelegt.

Anschliessend wollte ich über Arbeits- und Erziehungsanstalten eine Dissertation schreiben. Um zu erfahren, wieviele Jugendliche untergebracht sind, habe ich den damaligen ersten Jugendanwalt, Dr. Preiswerk, angefragt. Genau in diesem Zeitpunkt wurde die Stelle eines vierten Jugendanwalts bewilligt. Obwohl ich eigentlich erst meine Dissertation fertig schreiben wollte, habe ich mich beworben und wurde gewählt.

Als ich 1987 anfing, war mein Plan, ca. 7 oder 8 Jahre hier zu arbeiten und danach eine Anstalt zu übernehmen oder eine Kanzlei zu eröffnen. Die Arbeit als Jugendanwalt hat mich aber fasziniert und seither bin ich hier tätig. Mir gefällt es nach wie vor, die Arbeit passt mir.

Wir wird Ihre Arbeit von den Politikern wahrgenommen?

Die Finanzen sind sicher ein permanentes Thema. Wir brauchen viel Geld, denn die Massnahmen sind sehr teuer, insbesondere wenn jemand in einer geschlossenen Abteilung untergebracht werden muss, mit Psychiatern und Lehrbetrieben innerhalb von Mauern.

Aber es ist notwendig, dass diese Jugendlichen einen Beruf erlernen können. Alle profitieren, wenn sie nach dem Vollzug der Massnahmen als Berufstätige in der Arbeitswelt integriert werden können. Viele schaffen es, aber es kann nicht allen geholfen werden. Es gibt auch Jugendliche, die später ins Erwachsenenstrafrecht «wechseln».

Wir messen uns an den Versuchen. Fast zwei Drittel der schwierigsten Fälle können wir auf ein besseres Level bringen. Wir haben Drogenabhängige, die während ein, zwei Jahren drogenfrei sind und nachher wieder konsumieren – auch diese ein, zwei Jahre sind ein Erfolg, man muss den Massstab für Erfolg individuell ansetzen.

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