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Fachtagung Brunnen 2019

Reform der beruflichen Vorsorge – viele Wege führen nach Rom

Im Grunde hätte Andreas Cabalzar, Co-Präsident des Verbands des Bündner Staatspersonals und Vorstandsmitglied Öffentliches Personal Schweiz, nach all dem Gehörten fliessend übergehen können zu seinem eigenen Referat, aber er wählte als Einstieg hierzu bewusst die Vogelperspektive. Denn so zentral das Thema für jeden Einzelnen, so komplex ist die Materie. Das beginnt allein bei den Begriffen und ihrer Bedeutung. «BVG – das ist ein Buch mit sieben Siegeln», sagte Cabalzar, und gestand – selber Pensionskassenreferent bei Öffentliches Personal Schweiz, dass auch er noch nicht am Ende des Verständnisses angelangt sei. Er stellte kurz und anschaulich den grossen Rahmen, das Drei-Säulen-System der Schweizer Altersvorsorge vor, charakterisiert durch staatliche, berufliche und private Vorsorge. Und sprach sogleich eines der zentralen Probleme an: Die drei Säulen stellen im Grunde Versicherungspolicen dar – eine absolute Umverteilung indes ist in keiner Versicherungspolice enthalten.

Wichtig in Bezug auf den Versicherungsumfang ist zudem, so Cabalzar, dass das BVG Minimalanforderungen regelt. Daneben besteht noch das Überobligatorium.

Unter dem Stichwort «Kauderwelsch» erläuterte Cabalzar einige wesentlichen Begriffe. Am Beispiel «Altersrente» machte er nebenbei durch Zahlen klar, weshalb die Zusammenhang mit der Senkung des Umwandlungssatzes vom «Rentenklau» die Rede ist. Damit war auch schon der Umwandlungssatz in den Fokus gerückt und was in ihm an ganz Wichtigem steckt. Cabalzar meinte, dass der Umwandlungssatz viel können muss, es aber auch Anforderungen an ihn gebe. So muss er kostenneutral sein (keine Umverteilungseffekte), darf nicht zu hoch sein (Pensionierungsverluste), aber auch nicht gesenkt werden (tiefere Renten) und sollte mit flankierenden Massnahmen (zur Stärkung des Sparprozesses und für Übergangsgenerationen) einhergehen können. Worum es Cabalzar mit diesen begrifflichen Ausführungen geht: Er will, ohne zu werten, sensibilisieren, was es bewirkt, wenn an diesen Schrauben gedreht wird.

Zwei weitere wichtige Bereiche sind sodann das Eintrittsalter, das bei der AHV und beim BVG unterschiedlich festgelegt sind (AHV = nach Vollendung 17. Altersjahr, BVG =  nach Erreichen 24. Lebensjahr), und der Versicherter Lohn im BVG-Minimum mit einer Mindestlohngrenze (CHF 21’330 brutto) und einer Maximallohngrenze (max. AHV-Rente CHF 85’320 brutto). Den Koordinationsabzug wertete Cabalzar als überaus komplizierte Grösse und machte einleuchtend klar, wie sich dieser bei einem hohen bzw. tiefen Einkommen auf die Altersgutschriften auswirkt. Insbesondere Frauen seien vom starken Effekt des Koordinationsabzugs häufig betroffen, das sie oftmals einer Teilzeitarbeit nachgehen.

Als weiteren Begriff für mögliche Schraubvorgänge nannte er den «Sparprozess», der nebst anderem die Aufteilung der Sparanteile im BVG-Minimum zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmendem vorsieht. Oft übernimmt der Arbeitgeber allerdings mehr als 50 Prozent – hier liesse sich eine Schraube ansetzen, indem der Arbeitnehmer auf das gleiche Niveau gesetzt würde. Doch der Effekt ist dabei eher klein.

Nach diesen Erläuterungen wechselte Cabalzar zur aktuellen politischen Debatte und präsentierte einer Übersicht zu den verschiedenen Reformvorschlägen, die derzeit im Raum stehen. Sein Anliegen: Aufzeigen, was in jedem von ihnen steckt – und eine Bewertung im Ansatz, was grundsätzlich positiv, denkbar, heikel ist oder gar nicht geht. Hier in Kurzform die Quintessenz:

  • Erhöhung Rentenalter: nicht grundsätzlich infrage gestellt. Die OECD zeigt mit der Forderung Rentenalter 67 wie weit gedacht wird.
  • Senkung BVG Umwandlungssatz: unbestritten. Wo er genau liegen soll, das ist noch Diskussionspunkt.
  • Eintrittsschwelle ins BVG: Senkung wichtig wegen Niederlohnbereich, muss relativ betrachtet aber Sinn machen, d.h. verhältnismässig sein und mehr als nur ein paar Franken mehr generieren
  • Koordinationsabzug: erläutert
  • Leistungsziele: Hierzu sind praktisch nirgends Angaben festgelegt.

Umwandlungssatz und Mindestzinssatz sind technische Parameter. Sie zu diskutieren, ist schwierig, da bestehen zu viele Ungewissheiten, so Cabalzar. Die zentrale Frage für ihn ist: Wie hoch soll das Leistungsziel sein? Wenn das sozialpolitisch diskutiert und entschieden ist, lassen sich hernach die Parameter entsprechend anpassen.

Das Problem bei der BVG-Reform ist für Cabalzar nicht die Frage, ob es finanzierbar wäre, sondern welches Leistungsziel wir erreichen wollen. Um es in seinen Worten auf den Punkt zu bringen: «In der Vorsorge gibt es keine Freiwilligkeit. Wenn wir Leistungen wollen, müssen wir das bezahlen. PUNKT.»

Schlussbemerkung

Die spannenden und engagiert präsentierten Referate boten viel Wissen und Erkenntnisse mit starkem Praxisbezug. Rege Diskussionen waren ihnen gewiss – sie setzten sich bis in den geselligen Teil der Tagung fort, sei es beim Apéro oder Nachtessen oder später in der Bar. Der Austausch der Teilnehmenden ist denn auch ein zentrales Element und Ziel der Brunnentage. Die nächste Gelegenheit dazu wird es am 26. und 27. November 2020 (wieder) geben – und wie immer im stilvollen Ambiente des Tagungshotels «Waldstätterhof».

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