Abschiede respektvoll begleiten

Interview mit Michael Müller, Bestatter, Bestattungs- und Friedhofamt Zürich

Herr Müller, was ist Ihr Beruf?

Ich bin Bestatter.

Was sind Ihre Aufgaben?

Wir überführen verstorbene Personen von einem Altersheim, einem Krankenhaus, einer Privatwohnung oder dem Ort eines aussergewöhnlichen Todesfalls an den Aufbahrungsort. Danach richten wir die Verstorbenen her; das heisst, wir waschen sie, versorgen Wunden, schminken sie allenfalls und ziehen sie so an, wie sie lebendig ausgesehen haben, so dass sich die Angehörigen verabschieden können.

Jeweils eine Person aus unserem Team betreut eine Woche lang die Aufbahrung und begleitet die Besucher. Dazu gehört auch die Vorbereitung und Begleitung der Abdankung.

Bei der Bestattung selbst sind wir nicht anwesend. Bei einer Erdbestattung übernimmt der Friedhofsgärtner den Transport des Sargs von der Aufbahrungshalle zum Grab.

Machen Sie auch Überführungen ins Ausland?

Ja, wenn jemand zurück in seine Heimat möchte, erfüllen wir diesen Wunsch. Je nach Ort mit dem Auto oder bis zum Flughafen.

Arbeiten Sie im 24 Stunden-Betrieb?

Nein, aber wir arbeiten in zwei Schichten. Ein Dienst beginnt um 7 Uhr und dauert bis 16.45 Uhr, der andere beginnt erst um 11 Uhr und dauert abends bis 20.00 Uhr. Piketteinsätze in der Nacht werden nicht von uns, sondern von einem privaten Bestattungsunternehmen geleistet.

Wer verteilt die ⁄Arbeit an die Teammitglieder?

Jeweils ein Mitglied unseres Teams arbeitet während einer Woche als Disponent. Das heisst, er verteilt morgens die ersten Aufträge und wenn wir diese erledigt haben, erhalten wir von ihm neue Aufträge.

Dann beginnt Ihr Arbeitstag hier mit der Entgegennahme der Aufträge?

Richtig. Jedes Team erhält morgens als Erstes seine Aufträge und holt dann als nächstes hier im Lager das notwendige Material.

Wird ein spezieller Transportsarg verwendet?

Nein. In der Regel verwenden wir den kostenlosen Holzsarg aus Pappelholz auf den jeder Einwohner der Stadt Zürich kostenfrei Anspruch hat. Das ist ein leichter Sarg, der zwar schlicht, aber schön ist.

Wenn für die Bestattung ein anderes Modell gewünscht wird, betten wird die Person in der Aufbahrung um.

Ist dies oft der Fall?

Der Standardsarg wird sehr oft verwendet. Ich würde schätzen, dass sich ca. nur ein Fünftel für einen anderen Sarg entscheidet.

Arbeiten Sie jeweils zu zweit?

Ja, in der Regel arbeiten wir in Zweierteams. Aber es gibt auch zahlreiche Aufträge, die wir alleine ausführen können. Dazu gehört unter anderem das Überführen der Urnen vom Krematorium auf den Friedhof oder das Abholen der Blumen.

Sind Sie immer in denselben Zweierteams unterwegs?

Nach Möglichkeit werden immer etwa dieselben Personen zusammen in ein Team eingeteilt.

Im Grundsatz arbeiten aber alle mit allen, da es durch Ferienabwesenheiten, andere Abwesenheiten oder den Disponentendienst Verschiebungen gibt. Das funktioniert gut.

Haben Sie auch Frauen im Team?

Ja, im Moment arbeitet eine Frau in unserem Team. Bei der Anstellung spielt das Geschlecht überhaupt keine Rolle, aber es ist eine Arbeit, die manchmal viel Muskelkraft erfordert, weshalb wohl mehrheitlich Männer in diesem Beruf arbeiten.

Werden Ihre Aufträge in die unterschiedlichen Arbeiten «Transport» und «Herrichten» aufgeteilt?

Nein, wir schliessen jeweils einen Auftrag vollständig ab. Das heisst, wir holen eine Person ab, überführen sie an den Aufbahrungsort und bereiten sie dann gleich für die Aufbahrung vor. Wenn wir die betreffende Person fertig betreut haben, folgt der nächste Auftrag.

Wie ist das Verhältnis zwischen Kremation und Erdbestattung?

Rund 90 % wünschen in der Stadt Zürich eine Kremation. Der Anteil ist in den letzten Jahren in etwa gleichgeblieben. Erdbestattungen sind heute seltener geworden.

Kennen Sie die Gründe?

Die Gründe dafür sind vielfältig. Gesellschaftlich hat sich einiges verändert. Die Bindung zu Religionen ist loser geworden, Familienmitglieder leben nicht mehr so häufig am gleichen Ort, ja sind über die ganze Welt verteilt, es gibt immer mehr alleinlebende Personen und die Familien werden kleiner. Oft sind es auch praktische Gründe. Manchmal wird auch einfach die günstigere Variante in einem Gemeinschaftsgrab gewählt. Ich habe den Eindruck, dass für viele Menschen das Bedürfnis, einen eigenen, bestimmten Ort zu haben, wo man hingehen kann, um zu trauern und dem Verstorbenen nahe zu sein, nicht mehr die gleiche Bedeutung hat wie früher.

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