«Der Beruf und dessen Anforderungen haben sich massiv verändert.» INTERVIEW MIT MANU AEBERLI, LEITERIN BIBLIOTHEK ADLISWIL

In diesem spannenden Interview mit dem ZV-Interview-Team erläutert Manuela Aeberli, inwiefern sich das Berufsbild der Bibliothekarin und des Bibliothekars in den vergangenen Jahren vor allem aufgrund der Digitalisierung verändert hat und welche weiteren interessanten Aufgaben zu ihrem Berufsalltag gehören.

ZV: Wer sind Sie und was ist Ihre Funktion?
Manuela Aeberli: Mein Name ist Manu Aeberli. Als Leiterin der Bibliothek in Adlis- wil führe ich ein Team von fünf Personen. Dazu gehören neben mir vier Teilzeitan- gestellte und ein*e Praktikant*in. Jede*r von uns hat ein Ressort, für welches er*sie ver- antwortlich ist. Dies ist besonders relevant, da 10% aller Medien jedes Jahr ausge- tauscht werden müssen. Dafür haben wir ein Budget im mittleren fünfstelligen Be- reich, das durch die Stadt Adliswil finan- ziert wird.

Was sind Ihre Haupttätigkeiten als Leiterin der Bibliothek?
Neben dem Beschaffen neuer Medien und dem Verleih von Büchern, Gesellschafts- spielen und DVDs organisieren wir für unsere Kund*innen auch soziale Events im Zusammenhang mit der Bibliothek und dem Lesen.

Was sind das für Events, die Sie organisieren?
Wir versuchen, für alle Kund*innen von klein bis gross, leicht zugängliche Events anzubieten. So möchten wir in unseren Buchstart-Anlässen bereits den Kleinsten die Freude am Lesen und der Literatur vermitteln. Dort lernen sie die Welt der Kniereiter, Fingerspiele und Lieder/Reime kennen. Wir bieten auch Einführungen für Jung und Alt in die Bibliotheksbenutzung an. Darüber hinaus haben wir Workshops mit Bezug zum Thema «Medien allgemein» im Angebot. Wir haben zum Beispiel bereits Workshops zu den Themen Selfies, Manga [A. d. R. japanische Zeichenbände] und Comics organisiert und führen regelmässig Spieleanlässe durch. In Zusammenarbeit mit der Kulturschacht- le (A. d. R. Kulturverein in Adliswil), bei dem ich ehrenamtlich mitarbeite, organisieren wir auch Lesungen bekannter Autoren wie zum Beispiel Silvia Götschi oder Franz Hohler.

Was fasziniert Sie an Ihrem Beruf?
Das Lesen und die Literatur sind für mich Herzensangelegenheiten. Ich suche sehr gerne mit den Kund*innen gemeinsam nach neuer Literatur, die ihnen viel Vergnügen beim Lesen bereitet. Daher schätze ich den Kundenkontakt sehr und vor allem die Diversität unserer Kundschaft. So finden sich von Kindern der Kinderkrippe über Jugendliche bis zu den Erwachsenen sämtliche Altersgruppen darunter. Der Beruf der Bibliotheksmitarbeitenden ändert sich zurzeit gerade stark. Weg von der strengen Bibliothekarin und dem Ordnungsliebhaber hin zu einem Job als Gastgeberin, Event-Organisator, Beraterin – das ist unglaublich spannend!

Aufgrund Ihrer Bezogenheit auf den Kundenkontakt und die Angebotsmöglichkeiten muss die Zeit während der Corona-Pandemie für Sie schwierig gewesen sein?
Ja, wir mussten kreativ werden. Durch die Schliessung hatten wir aber auch die Möglichkeit, alle Medien zu reinigen, was im Tagesgeschäft manchmal zu kurz kommt. Wir haben dann auch auf einen Pick-up Service umgestellt, bei dem die Leute ihr Wunschmedium bestellen und abholen konnten. Daneben haben wir auch Wundertüten zusammengestellt, die bestellt werden konnten. Diese beinhalteten jeweils von uns ausgewählte, ausgeschiedene Bücher.

Sehen Sie Veränderungen im Berufsbild in den letzten 10 Jahren?
Der Beruf und die Anforderungen an den Beruf haben sich wie bereits erwähnt in den vergangenen 10 Jahren massiv verändert. Aber auch die Digitalisierung hat unser Berufsbild beeinflusst. Die Bibliotheken möchten vom «verstaubten» Berufsbild wegkommen und nutzen da auch vermehrt Social Media, um dies öffentlich zu zeigen.

Inwiefern hat die Digitalisierung das Berufsbild verändert?
Diese Veränderung kann man vor allem in Bezug auf die Ausleihe beobachten. So ist heute unser ganzer Katalog online verfügbar und die Medien können dort bestellt, reserviert oder temporär als e- Medien auf die eigenen Geräte heruntergeladen werden. Die elektronischen Bücher ersetzen aber keineswegs die gedruckten Bücher. Die digitale Bibliothek ist eine zusätzliche Dienstleistung, die wir anbieten können. Bei den Hörbüchern allerdings hat die elektronische Version definitiv über die CD gewonnen, so dass wir alle Hörbuch- CDs ausscheiden mussten. Haben Sie weitere Digitalisierungsprojekte geplant oder realisiert? Im vergangenen Sommer durften wir eine Selbstausleihstation einweihen. Dazu haben wir alle Bücher mit RFIDs [A. d. R. kleiner Mikrochip wie beim kontaktlosen Bezahlen mit der Bankkarte] ausgestattet. Dies ermöglicht es den Kund*innen, Bücher auszuleihen und zu retournieren, wenn die Bibliothek nicht bedient ist. Wir konnten dadurch in diesem Sommer 14 Stunden mehr Öffnungszeit anbieten.

Worüber haben Sie sich in letzter Zeit in Ihrem Beruf geärgert?
Als staatliche Institution mussten wir den Corona-Vorgaben und Richtlinien bezüglich Öffnungszeiten strikt Folge leisten. Dies kam in der Bevölkerung nicht nur gut an, so dass wir einiges an Kritik dies- bezüglich einstecken mussten. Unter Weglassung meiner persönlichen Meinung hat mich das betroffen gemacht, da wir sehr persönlich angegangen wurden, obwohl wir ja nur den Vorgaben unserer Vorgesetzten gefolgt sind. Ein weiterer Punkt, der mich öfters ärgert, ist, wie respektlos teils mit den ausgeliehenen Medien umgegangen wird. Natürlich gibt es dann auch die Bürger*innen und Politiker*innen, die den Nutzen der Bibliothek nicht sehen. Diese bitte ich dann jeweils, auf einen Besuch vorbeizukommen, damit Sie mit eigenen Augen sehen, wie gut die Bibliothek besucht ist. Ein weiteres Argument, das ich gerne vor- bringe, ist jenes der Nachhaltigkeit. Denn durch die Ausleihe und das Teilen können Ressourcen geschont und Abfall reduziert werden. Warum haben Sie Ihren Beruf ausgewählt?

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