Vernehmlassungsergebnisse zur Stabilisierung der AHV (AHV 21)

Kommentar

Ende Februar 2019 hat das Bundesamt für Sozialversicherungen über die Ergebnisse der Vernehmlassung zur Reformvorlage AHV 21 informiert. Demnach fand die Reformvorlage in ihren Grundzügen eine breite Zustimmung. Erfreulich ist, dass die Erhaltung des Leistungsniveaus unbestritten ist. Wenig überraschend gehen die Meinungen über die zu treffenden Massnahmen aber auseinander.

Die Erhöhung des Referenzalters der Frauen auf 65 Jahre findet offenbar mehrheitlich Zustimmung. Die ablehnenden Kreise schliessen eine Erhöhung des Referenzalters anscheinend vor allem wegen der nach wie vor fehlenden Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen aus. Meiner Meinung nach ist das Anliegen der Lohngleichheit mehr als nur berechtigt. Davon aber Massnahmen zur Sanierung der AHV abhängig zu machen, würde ich nicht empfehlen, zumindest nicht, solange Konsens darüber herrscht, dass das Leistungsniveau der AHV nicht gesenkt werden darf.

Für die Generationen der Frauen, die kurz vor der Pensionierung stehen, wurden zwei Varianten für Ausgleichsmassnahmen in die Vernehmlassung geschickt. Die Notwendigkeit von Ausgleichsmassnahmen für die Erhöhung des Referenzalters der Frauen ist anscheinend weitgehend unbestritten. Von den beiden zur Diskussion gestellten Varianten fand offenbar keine eine klare Mehrheit. Meines Erachtens könnte die Variante 1 weiterverfolgt, müsste aber höher dotiert werden.

Eine Flexibilisierung des Altersrücktritts zwischen 62 und 70 Jahren wurde offenbar insgesamt eher positiv bewertet. Diese Massnahme macht meines Erachtens aber nur dann Sinn, wenn der Arbeitsmarkt ältere Arbeitnehmende  auch aufnimmt. Mich dünkt’s, hier klaffen Absichtsbekundungen und die Realität noch deutlich auseinander.

Dass eine Zusatzfinanzierung erforderlich ist, scheint unbestritten zu sein, ebenso, dass dazu die Mehrwertsteuer verwendet werden soll. Nicht ganz überraschend gehen die Meinungen über den erforderlichen Umfang der Mehrwertsteuererhöhung auseinander. Die Krux liegt nach meiner Auffassung darin, dass die an sich wünschbare moderatere Variante zur Mehrwertsteuererhöhung (0.7 Prozentpunkte) unmittelbar an die Unternehmenssteuerreform gebunden ist; am 19. Mai 1919 stimmen wir über das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) ab. Wenn nun dem Vernehmen nach sogar zahlreiche Teilnehmende gefordert haben, dass der Bundesrat das Ausmass des AHV-Finanzierungsbedarfs überprüfen müsse, sollte das Bundesgesetz über die Steuerreform und die AHV-Finanzierung (STAF) angenommen werden, dann schrillen bei mir die Alarmglocken. Ich befürchte einfach, dass der jetzt noch bestehende breite Konsens über die Verwendung der Mehrwertsteuer und über eine moderate Erhöhung zur Stabilisierung der AHV inklusive Finanzierung der Ausgleichs-massnahmen sehr rasch von den politischen Winden verweht wird, wenn die STAF-Vorlage angenommen wird.

Damit wären wir bei der STAF-Vorlage angelangt. Um ein klareres Bild von der ganzen Geschichte zu erhalten, kommen wir nicht umhin, auch einen Blick auf die STAF zu werfen. Aufgrund internationaler Standards scheint es wohl unabdingbar, die Steuerprivilegien, die heute offenbar für rund 24 000 Unternehmen gelten, abzuschaffen. Soweit so gut. Mit der STAF-Vorlage wird den Kantonen jedoch die Möglichkeit zur Einführung neuer Vergünstigungen eröffnet – vor allem für Erträge aus geistigem Eigentum (Patentbox) und für inländischen Forschungsaufwand. Im Vergleich zur Erstauflage sind die Möglichkeiten für Vergünstigungen zwar stärker eingeschränkt. Zudem sieht die STAF einen „sozialen Ausgleich“ zugunsten der AHV vor, was in der Presse, meines Erachtens etwas zu unrecht, als Kuhhandel abgetan worden ist. Persönlich denke ich, dass die Abschaffung von Steuerprivilegien zu begrüssen ist, ebenso wie der soziale Ausgleich zu Gunsten der AHV. Ich habe auch Verständnis dafür, dass den Kantonen Möglichkeiten eingeräumt wird, die Abwanderung von Unternehmen mit Steuervergünstigungen zu verhindern. Tendenziell positiv ist meines Erachtens, dass die neuen Vergünstigungen der Kantone weit weniger auf mobile Firmen zugeschnitten sind als die bisherigen Privilegien und dass insbesondere auch rentable KMU davon profitieren würden. Dies gilt noch verstärkt für forschungsintensive KMU, was für die Innovation – eine der Stärken der Schweizer Wirtschaft – förderlich wäre. Was ich nicht beurteilen kann, ist die Frage, wie hoch die Steuerausfälle für die Kantone und vor allem auch für die Gemeinden letztlich ausfallen werden, vor allem auch längerfristig, und ob wir uns das leisten können. Die Prognosen dazu sind zwangsläufig eher vage.

Was ist das Fazit?

Die Politik hat die Reform der Unternehmenssteuern mit der (Teil-)Sanierung der AHV verquickt (STAF-Vorlage), ohne den Reformbedarf der AHV zu Ende zu führen. Wenn die STAF-Vorlage einfach der erste Schritt zu an sich unbestrittenen weiteren Reformschritten in der AHV wäre, wär das noch eine Sache. Solange die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Gunsten der AHV und die anderen erforderlichen Reformschritte nicht gesichert sind, steigt in mir die Angst hoch, letztlich doch über den Tisch gezogen zu werden. Wenn bis zum Abstimmungstermin über die STAF-Vorlage von den sogenannt staatstragenden Parteien nicht klare politische Zusagen zu den im Reformpaket AHV 21 enthaltenen Massnahmen gemacht werden, bleibe ich bei meinem Fazit im Kommentar vom August 2018: Hütet Euch vor Morgarten!

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