Kinderbetreuung: Entscheidend ist heute der Wohnort

Während im Schulbereich vorwiegend öffentliche Träger anzutreffen sind, überwiegen im Frühbereich die privaten Träger. Letztere werden entweder mittels Objektbeiträgen und Defizitgarantien direkt unterstützt oder die Gemeinden subventionieren die Eltern mittels Betreuungsgutscheinen, reduzierten Tarifen oder Pauschalbeiträgen. Die grosse Vielfalt der Finanzierungs- und Tarifmodelle spiegelt sich in der finanziellen Belastung der Haushalte durch Betreuungsausgaben (Abbildung 2). Je nach Gemeinde geben Eltern 3 bis 14 Prozent ihres Jahreseinkommens für die Betreuung von 2 Vorschulkindern an 2 Tagen pro Woche in einer Kindertagesstätte aus. Abbildung 2:
Anteil Betreuungsausgaben am Jahreseinkommen, Paarhaushalt, 2 Vorschulkindern an 2 Tagen pro Woche in einer Kindertagesstätte.

Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Finanzierungsmodell (z. B. Objektfinanzierung oder Subjektfinanzierung mit Normkostenmodell oder Betreuungsgutscheinen) auf der einen und finanzieller Belastung der Haushalte auf der anderen Seite lässt sich anhand der Gemeindebeispiele nicht eruieren. Dies hängt mit der sehr unterschiedlichen Ausgestaltung der kommunalen Modelle zusammen. Die Analyse der 13 Gemeinden lässt auch kein eindeutiges sprachregionales Muster erkennen. In allen Regionen gibt es gute Ansätze, mit welchen Eltern finanziell entlastet werden können.

Handlungsansätze und gute Beispiele

Basierend auf den Beispielen der vertieft untersuchten Gemeinden werden mögliche Ansätze aufgezeigt, um die Zugänglichkeit und die Qualität der Betreuungsangebote zu verbessern und die finanzielle Belastung der Eltern zu reduzieren.

1. Angebote für alle Kinder zugänglich machen

Der Besuch einer Kindertagesstätte wirkt sich positiv auf die Bildungschancen der betreuten Kinder aus – dies zeigen zahlreiche Studien aus dem In- und Ausland (Schwab et al. 2020). Kinder aus Familien mit erheblichen sozialen Belastungen profitieren am meisten von Bildung, Betreuung und Erziehung im Rahmen institutioneller Betreuungsangebote. Sozial benachteiligte Familien nutzen diese aber vergleichsweise seltener als besser gestellte Familien. Hohe Tarife sind für diese Familien ein grosses Nutzungshindernis. Dazu kommen weitere hemmende Faktoren wie mangelnde Information über Angebote und Subventionsmöglichkeiten, komplizierte Antragsprozedere mit vielen einzureichenden Unterlagen sowie lange Wartelisten. Die Ausgestaltung der Finanzierungs- und Tarifmodelle hat einen entscheidenden Einfluss auf die Zugänglichkeit, insbesondere für Kinder aus sozial benachteiligten Familien. Die folgende Auflistung zeigt verschiedene Ansätze, wie der Zugang für alle Kinder gewährleistet werden kann.

  • Kinderbetreuungsangebote flächendeckend subventionieren: Unabhängig davon, welche Betreuungsform die Kinder nutzen, sollten Eltern von Subventionen profitieren können. Am vorbildlichsten sind Gemeinden, welche allen in der Gemeinde wohnhaften Familien einen subventionierten und folglich bezahlbaren Betreuungsplatz garantieren.
  • Tarife einkommensabhängig ausgestalten: Einkommensabhängige Tarife senken Zugangshürden für Familien mit tieferen Einkommen. Die geringsten Zugangshürden gibt es dort, wo die Kinderbetreuung für Familien mit den tiefsten Einkommen unentgeltlich ist resp. über Steuergelder oder Familienergänzungsleistungen finanziert wird.
  • Einheitstarife sehr tief ansetzen: Alternativ zu einkommensabhängigen Tarifen kann auch ein Einheitstarif festgesetzt werden, wenn dieser sehr tief ist. Bei Einheitstarifen müssten für die tiefsten Einkommensgruppen weitere Vergünstigungen gewährt werden.
  • Besonderen Förderbedarf berücksichtigen: Nebst Kriterien wie Erwerbstätigkeit, Ausbildung oder Krankheit der Eltern sollten auch gesundheitliche und soziale Kriterien des Kindes, wie z. B. der Spracherwerb, die soziale Integration oder die Betreuung von Kindern mit besonderem Förderbedarf für eine Subventionsberechtigung geltend gemacht werden können.
  • Subventionssystem möglichst einfach ausgestalten und in verständlicher Form darüber informieren: Von Vorteil ist ein einheitliches System für den Frühbereich und den Schulbereich, damit die Eltern sich nicht mit verschiedenen Systemen auseinandersetzen und verschiedene Anträge einreichen müssen. Informationen müssen einfach verständlich und in verschiedenen Sprachen zugänglich sein.

Gute Beispiele: Zugang für alle Kinder

Genf: In Genf ist die Betreuung in subventionierten Kindertagesstätten und Tagesstrukturen für Familien mit tiefen Einkommen unentgeltlich. Diese Familien müssen nur für das Mittagessen aufkommen.

Baden: In Baden erhalten auch Eltern Subventionen, deren Kind in einer Kindertagesstätte ohne Leistungsvereinbarung mit der Gemeinde betreut wird (innerhalb oder ausserhalb der Wohngemeinde).

2. Erwerbsanreize für die Eltern verbessern

Hohe Betreuungstarife verursachen negative Erwerbsanreize, v. a. bei mittleren bis höheren Einkommensgruppen. Für viele Familien mit höheren Einkommen lohnt es sich finanziell nicht, mit einem höheren Pensum zu arbeiten. Meist sind es die Mütter, die ihr Pensum reduzieren. Dies verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten und nicht zuletzt entgehen der Wirtschaft dadurch wichtige Fachkräfte. Im Folgenden sind einige Ansatzpunkte dargelegt, um die Erwerbsanreize von Familien mit Kindern zu verbessern.

  • Einkommensschwelle für die Subventionsberechtigung für den Minimaltarif tief und für den Maximaltarif hoch ansetzen und darauf achten, dass die finanzielle Belastung auch für mittelständische Haushalte vertretbar bleibt.
  • Maximaltarif unter den Vollkosten festlegen, so dass auch besserverdienende Haushalte von der öffentlichen Mitfinanzierung profitieren und damit stärkere Erwerbsanreize haben.
  • Geschwister-, Familien- oder Mengenrabatt gewähren, um Haushalte mit mehreren Kindern und/oder höheren Erwerbspensen spezifisch zu entlasten.
  • Lineares Tarifsystem anstelle von Tarifstufen, um unerwünschte Schwelleneffekte zu vermeiden.
  • Subventionsanspruch an Erwerbstätigkeit/Ausbildung der Eltern koppeln.

Gute Beispiele: Förderung von Erwerbsanreizen

Neuchâtel: In der Stadt Neuchâtel ist der Maximaltarif in den Kindertagesstätten mit Fr. 85 pro Tag deutlich unter den Vollkosten angesetzt.

Zürich: In den öffentlichen Tagesschulen der Stadt Zürich kostet die Mittagsbetreuung inkl. Essen für alle Kinder Fr. 6.

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