Eine Arbeitnehmerin machte geltend, sie habe ihre Ferien vor Ende ihres befristeten Arbeitsverhältnisses wegen Krankheit nicht beziehen können. Das Verwaltungsgericht Zürich hatte zu beurteilen, ob ihr Ferienguthaben ausbezahlt werden muss.
Sachverhalt
A. war vom 23. März bis am 31. Juli 2020 in einem befristeten Anstellungsverhältnis mit einem Pensum von 80% als stellvertretende Schulleiterin für die Gemeinde X tätig. Mit Verfügung vom 6. Juli 2020 stellte das Volksschulamt A. ab dem 1. August 2020 in derselben Funktion unbefristet an. A. erhob gegen die Anstellungsverfügung Einsprache; sie wollte das Anstellungsverhältnis nach Ablauf der Befristung nicht weiterführen. Die Anstellungsverfügung wurde daraufhin widerrufen und A. mit Schreiben vom 10. Juli 2020 angehalten, ihr Ferienguthaben von zehn Tagen bis zum Ende der Anstellung zu beziehen.
Nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses verlangte A. mit Schreiben vom 20. August 2020 von der Gemeinde X die Auszahlung ihres Überstundenguthabens von 49,3 Stunden und ihres Ferienguthabens von zehn Tagen. Sie begründete ihre Forderung damit, dass sie diese wegen Krankheit nicht habe beziehen können. Das zuständige Volksschulamt gewährte A. daraufhin die Auszahlung von 45.83 Überstunden; das Gesuch um Barabgeltung der Ferien lehnte es ab.
A. rekurrierte gegen diesen Entscheid bei der zuständigen Bildungsdirektion. Diese wies den Rekurs ab. A. erhob daraufhin Beschwerde beim Verwaltungsgericht.
Entscheid
Beweislast für Ferienunfähigkeit
Unstrittig war die Höhe des Ferienanspruchs. Strittig war jedoch, ob A. diesen Ferienanspruch während des Anstellungsverhältnisses noch beziehen konnte.
Das Verwaltungsgericht wies zunächst darauf hin, dass die Beweislast für das Vorliegen einer Ferienunfähigkeit bei den Arbeitnehmenden liegt. Grundsätzlich wird auf die ärztliche Bestätigung oder ein ärztliches Gutachten abgestellt, wobei es sich bei von Arbeitnehmenden beigebrachten ärztlichen Zeugnissen praxisgemäss nur um eine Parteibehauptung handelt. Ob diese tatsächlich eine Ferienunfähigkeit belegen können, ist eine Frage der Beweiswürdigung durch das Gericht. Im vorliegenden Fall reichte A. Arztzeugnisse ein, welche ihr eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vom 29. Juni 2020 bis 2. August 2020 bescheinigten. Die Abklärungen des Volksschulamtes im Zusammenhang mit der beantragten Auszahlung des Ferienguthabens ergaben aber, dass A. in diesem Zeitraum – trotz der bescheinigten vollständigen Arbeitsunfähigkeit – in ihrer zweiten Anstellung bei der Gemeinde Y. mit einem Pensum von 20% gearbeitet hatte. Daraufhin machte A. im November 2020 erstmals geltend, die Arbeitsunfähigkeit in der Gemeinde X sei lediglich arbeitsplatzbezogen gewesen. Das Volksschulamt glaubte ihr nicht und bezweifelte die Arbeitsunfähigkeit von A. für die Tätigkeit bei der Gemeinde X. Es stellte ihr in Aussicht, weder das Überstunden- noch das Ferienguthaben auszuzahlen. A. reichte daraufhin im Februar 2021 ein neues, auf den 15. Dezember 2020 datiertes Arztzeugnis nach, welches für den fraglichen Zeitraum explizit eine arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit für die Gemeinde X sowie eine damit einhergehende Ferienunfähigkeit bescheinigte.
Ferienfähig trotz arbeitsplatzbezogener Arbeitsunfähigkeit
Wie bereits das Volksschulamt als Vorinstanz erachtete auch das Verwaltungsgericht die Ferienunfähigkeit nicht als hinreichend belegt. Arbeitnehmende sind bei einer arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit nur in Bezug auf die konkrete Stelle an der Arbeit verhindert. Ansonsten sind sie vollständig arbeitsfähig und auch in ihrer privaten Lebensgestaltung nicht oder kaum eingeschränkt. Die Behauptung von A., sie sei im massgeblichen Zeitraum gleichzeitig arbeitsplatzbezogen arbeitsunfähig und generell ferienunfähig gewesen, sei deshalb widersprüchlich. Die Behauptungen von A. seien gesamthaft nicht glaubhaft und die Arztzeugnisse würden den Anschein von Gefälligkeitszeugnissen erwecken.
Ebenso wenig drang A. mit der Behauptung durch, die Gemeinde X. hätte eine vertrauensärztliche Untersuchung anordnen müssen. Die Beweislast für das Vorliegen der Ferienunfähigkeit liegt bei A. Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass die Gemeinde X deshalb keinen Gegenbeweis habe erbringen müssen. A. musste sich im Übrigen vom Gericht vorhalten lassen, ihr Verhalten habe eine rechtzeitige vertrauensärztliche Untersuchung hinsichtlich der behaupteten Ferienunfähigkeit ohnehin von Anfang an verunmöglicht. Das entsprechende Arztzeugnis habe sie erst mehr als sechs Monate nach dem Ende der Anstellung eingereicht und die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit habe sie erstmals drei Monate nach Beendigung der Anstellung behauptet.
Anordnung des Ferienbezugs
Soweit A. geltend machte, der Ferienbezug sei nicht früh genug angeordnet worden, drang sie ebenfalls nicht durch. Zwar sind Ferien genügend früh festzulegen oder anzuordnen, damit die Mitarbeitenden ihre Ferienpläne danach ausrichten können. Vorliegend ging es jedoch um den Bezug des restlichen Ferienanspruchs kurz vor Ende der Anstellung. Das Gericht führte aus, die Gemeinde X sei nicht nur berechtigt, sondern gestützt auf die kantonale Gesetzgebung auch verpflichtet gewesen, den Ferienbezug noch vor Beendigung des Anstellungsverhältnisses zu ermöglichen. Anders als im unbefristeten Anstellungsverhältnis sei deshalb auch eine kurzfristige Anordnung zulässig.
Würdigung
Das im öffentlichen und privaten Arbeitsvertragsrecht grundsätzlich geltende Verbot der Barabgeltung des Ferienanspruchs dient dem Schutz der Arbeitnehmenden. Ferien dienen der Erholung der Arbeitnehmenden. Dieser Zweck soll nicht vereitelt werden durch die Möglichkeit, Ferien in Geld umzuwandeln.
In der Regel sehen Personalreglemente (wie auch das im vorliegenden Fall anwendbare) aber vor, dass bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses eine Ausnahme gemacht werden kann, wenn die Ferien aus betrieblichen oder (triftigen) persönlichen Gründen nicht bezogen werden können. Solche lagen im vorliegenden Fall aber nicht vor, so das Verwaltungsgericht. Der Arbeitnehmerin gelang der Beweis nicht, dass sie generell arbeitsunfähig und damit auch ferienunfähig war. Im Gegenteil: Als sie im Nachhinein versuchte, ihren Anspruch durchzusetzen und mit einer nur arbeitsplatzbezogenen Arbeitsunfähigkeit begründete, räumte sie implizit ein, dass sie auch ferienfähig gewesen sein dürfte. Wie das Verwaltungsgericht richtig ausführte, bezieht sich die arbeitsplatzbezogene Arbeitsunfähigkeit nur auf die Leistung von Arbeit im Rahmen einer bestimmten Anstellung und hindert die betroffene Arbeitnehmerin bzw. den betroffenen Arbeitnehmer in der Regel nicht an seiner Freizeitgestaltung und Ferienfähigkeit (vgl. Ullin Streiff/Adrian von Kaenel/Roger Rudolph, Arbeitsvertrag, Praxiskommentar zu Art. 319 – 362 OR, N 6 zu Art. 329a OR). Im besprochenen Entscheid war die Arbeitnehmerin offenbar auch in der Lage, in einer anderen Anstellung ihrer Arbeit nachzugehen; das Verwaltungsgericht schloss daraus zu Recht, dass sie wohl auch ferienfähig war.
Die kurzfristige Anordnung des Ferienbezugs hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zu Recht nicht beanstandet. Zur Begründung des Verwaltungsgerichts kam noch hinzu, dass es sich von Anfang an um eine befristete Anstellung handelte, womit die Arbeitnehmerin mit der Anordnung des Ferienbezugs auch nicht überrascht wurde. Sie wusste schon bei Stellenantritt, dass sie ihren Ferienanspruch während der Anstellungsdauer beziehen darf und muss. Die kurzfristige Anordnung wurde zu Recht nicht gerügt.
MLaw Sandra Wittich,
Rechtsanwältin