Kolumne. Lohn wird meist zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden verhandelt. Dennoch scheinen alle zu wissen, wer zu viel und wer zu wenig verdient. Diese Situation ist fast lustig, nützt und schadet aber leider jeweils den Falschen.
Verdienen Sie zu viel? Ich schon – findet Herbert. Wie ich arbeitet Herbert beim Kanton. Wir machen «etwas mit Menschen», wir ticken politisch ähnlich, wir verstehen uns ganz gut. Nur, scheint es, verdiene ich zu viel. Nichts Neues, denn Vorurteile kennen wir alle: Auf der Verwaltung sind sie ineffizient und faul, Lehrer sein (also Ferien machen, höhö) können alle, die mal zur Schule gingen, und die Polizei schlendert den ganzen Tag herum und verteilt Busszettel. Kurz, das öffentliche Personal verdient zu viel, arbeitet zu wenig und tut das Falsche. So sieht uns ein viel zu grosser Teil der Bevölkerung – und so sehen einige von uns die jeweils anderen, wie etwa Herbert mich.
Natürlich können wir Löhne rechtfertigen oder Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um unser Image zu verbessern. Beides ist wichtig, verfehlt aber Wichtigeres: Solange nämlich einige von uns andere von uns für ihre Probleme verantwortlich machen oder einfach beneiden, nützen sie damit den Verursachern selbiger Probleme – und schaden uns allen.
Ein Beispiel. Der Departementsvorsteher, der Chef unserer Chefs, sagte an einer Delegierten¬versammlung meines kantonalen Dachverbands einmal sinngemäss: Die Lehrpersonen sollen sich beruhigen, abgebaut werde überall, sogar beim kantonalen Pilzkontrolleur. Mitgemeint war: «Der Pilzkontrolleur ist allein. Der wehrt sich nicht. Ihr Lehrpersonen seid als Berufsgruppe auch allein, also wehrt euch nicht.» Wenn das alle Verbände glauben, gibt es keinen Widerstand. Manche werden sich vor lauter Ärger über die eigene Niederlage aber fragen, ob denn bei allen gleich viel abgebaut wird. Diese Schlauberger übersetzen dann das Unrecht des Abbaus in Ungerechtigkeit innerhalb des Abbaus und lenken ihre Wut auf andere Betroffene statt auf die Verantwortlichen.
Mit Gerechtigkeitssinn hat das wenig zu tun. Wer Gerechtigkeit will, sucht die Verursacher des Abbaus. Für politische Wirkung müssen wir allerdings zusammenstehen. Wir brauchen ja nicht Freunde werden oder Zahnbürsten teilen. Es reicht, einander als engagierte Berufsleute zu achten und zu unterstützen: Ein Angriff auf den Pilzkontrolleur ist ein Angriff auf die Gemeindeschreiberin ist ein Angriff auf den Pflegefachmann ist ein Angriff auf die Polizistin ist ein Angriff auf den Richter ist ein Angriff auf die Denkmalschützerin.
Wer auf seinesgleichen herumhackt, handelt in der aktuellen politischen Situation nicht einfach kurzsichtig, sondern suizidal. Sie und ich, wir sind auch Pilzkontrolleure – oder wir sind gar nichts. Wenn wir diese Haltung nicht hinkriegen, wird alles schlechter. Wirklich alles, für alle. Dann verdienen wir nicht «zu viel» oder «zu wenig», sondern alles, was uns noch Übles blüht.