Personalrechtliche Einzelfragen rund um Covid-19

Noch nie hatten wir so viele personalrechtliche Fragestellungen zu beurteilen wie in den letzten Wochen. Das erstaunt tatsächlich niemanden. Schwerpunktmässig wurde gefragt, ob man Homeoffice verlangen kann, ob man als Zugehöriger zu einer Risikogruppe zu Hause bleiben kann, ob man seine bereits gebuchten Ferien verschieben kann, ob Lohn gezahlt werden muss, wenn man wegen der Kinder zu Hause bleiben muss, ob man ganz andere Arbeit verrichten muss als vereinbart und wie der Lohn berechnet wird, wenn das Pensum sehr unregelmässig ist. Unsere Antworten:

Ferienbezug

Frage: Müssen bereits vereinbarte Ferien bezogen werden, auch wenn keine Reisemöglichkeit ins Ausland besteht? Eine Mitarbeiterin hat Frühlingsferien eingegeben, sie kann nun aber ihre gebuchte Rundreise nicht antreten. Kann der Arbeitgeber darauf bestehen, dass die Mitarbeiterin die Ferien trotzdem bezieht?

Wer Ferien eingegeben hat, muss diese im Grundsatz beziehen. Dass der betroffene Arbeitnehmende nicht an den Ort  verreisen kann, den er für seine Ferien vorgesehen hat, ist kein Problem des Arbeitgebers, sondern ausschliesslich des Arbeitnehmers. Dies folgt relativ klar aus der Risikosphärentheorie. Anders gesagt: Auch bei einer Fehlbuchung etwa durch ein Reisebüro (Flug und Hotel wurden gar nicht gebucht) trägt der Arbeitnehmende das Risiko, die Ferien nicht so  verbringen zu können, wie er sich das vorgestellt hat.

Die Ferien dienen der Erholung. Die Gerichte werden in solchen Fällen entscheiden, dass Erholung auch im Rahmen eines Ferienaufenthalts  zu Hause mit Wanderungen, Spaziergängen oder Ähnlichem erreicht werden kann. Ich sehe im Moment keine  nachhaltigen Gründe, weshalb diese Ferien kurzfristig zulasten des Arbeitgebers abgesagt werden können. Es ist klar, dass dies für den einzelnen unbefriedigend ist, aber er hat die Risiken nicht optimaler Ferien selber zu tragen. 

Bei der Festlegung der Ferien ist auf die Interessen des Arbeitnehmenden wie auch des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Aus der Sicht des Arbeitgebers gibt es durchaus auch Interessen, dass die Ferien trotz der Corona-Krise «üblich» bezogen werden; verzichten alle Mitarbeitenden nun auf Ferien, kommt es zu Engpässen, wenn die Verwaltungen wieder vollständig hochgefahren werden. Dieses Interesse wird ein Arbeitgeber im Rahmen der vorliegenden Argumentation immer geltend machen können.

Arbeitnehmer gehört der Risikogruppe an

Frage: Kann ein Mitarbeitender, der zur Risikogruppe gehört, zu Hause bleiben, wenn er mit Arztzeugnis belegt, dass er zur Risikogruppe gehört?

Nein. Der Bund hat die Regeln wieder geändert. Für einen Mitarbeiter aus der Risikogruppe gilt gemäss Art. 10c Covid-19-Verordnung 2 Folgendes:

1 Arbeitgeber ermöglichen ihren besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, ihre Arbeitsverpflichtungen von zu Hause aus zu erledigen. Sie treffen zu diesem Zweck die geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen. 

2 Können Arbeitstätigkeiten aufgrund der Art der Tätigkeit oder mangels realisierbarer Massnahmen nur am üblichen Arbeitsort erbracht werden, so sind die Arbeitgeber verpflichtet, mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sicherzustellen.

3 Ist es besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht möglich, im Rahmen der Absätze 1 und 2 ihre Arbeitsverpflichtungen zu erledigen, so werden sie vom Arbeitgeber unter Lohnfortzahlung beurlaubt. 

4 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer machen ihre besondere Gefährdung durch eine persönliche Erklärung geltend. Der Arbeitgeber kann ein ärztliches Attest verlangen.

Kann der besonders gefährdete Arbeitnehmer die Arbeit von zu Hause aus erbringen, hat er Anspruch darauf, dass die geeigneten technischen Massnahmen getroffen werden und Homeoffice möglich ist. Er muss dann zwar arbeiten, aber nicht im Betrieb.

Erlaubt die Art der Tätigkeit kein Homeoffice oder sind die technischen Massnahmen so schnell nicht umsetzbar, muss der Mitarbeitende im Betrieb  anwesend sein, sofern die Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und soziale Distanz eingehalten werden können. Hygiene und soziale Distanz bedeutet, dass die Möglichkeit bestehen muss, die Hände zu waschen (das dürfte regelmässig der Fall sein), das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln wohl auch und, besonders wichtig, die Sicherstellung, dass jederzeit eine Distanz von zwei Metern zum nächsten Mitarbeiter eingehalten werden kann. Ist das nicht der Fall, muss der besonders gefährdete Arbeitnehmer nicht arbeiten (und es kann der Betrieb geschlossen werden, wenn er es trotzdem tut).

Wie ist vorzugehen, wenn der Mitarbeitende glaubt, die Regeln seien nicht eingehalten? Der Arbeitgeber ist aufzufordern, sein Konzept offenzulegen, wie diese Regeln eingehalten werden. Blosse Lippenbekenntnisse reichen da nicht aus, man muss schon sehen, dass dem Bundesrecht entsprochen werden kann. Kann die Distanz eingehalten werden, besteht Arbeitspflicht. Wer dann trotzdem nicht kommt, riskiert eine Kündigung und die Einstellung der Lohnzahlungen. 

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das Merkblatt für Bauarbeiten des SECO in der Fassung vom 19. März (weil sich dort  die Fragestellung akzentuiert stellt):

Diese Fassung gilt aber nicht mehr und ist durch eine neue ersetzt worden, was aufschlussreich ist:

Damit ist Stand heute klar, dass auch gefährdete Personen nicht der Arbeit fernbleiben können, es sei denn, sie seien krank oder es wäre Homeoffice möglich oder der Arbeitgeber halte sich nicht an die Bundesvorgaben.

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