Arbeiten im Notstandsmodus

Corona, Service public und Homeoffice

Niemand hätte gedacht, dass das Jahr 2020 von kriegerischen Ereignissen geprägt sein wird. Den Krieg erklärt hat uns ein Feind, der so klein ist, dass man ihn von blossem Auge gar nicht sieht. Ein Virus names Corona. Es hat innerhalb von zwei bis drei Monaten weltweit das menschliche Leben aus den Fugen gebracht. Auch unser Arbeitsleben. Das Virus ist nach wissenschaftlichen Erkenntnissen hoch ansteckend, führt bei 20% der Infizierten zu einem schweren Verlauf bis hin zum Tod. Dass der Bundesrat gestützt auf Notrecht das öffentliche Leben massivst einschränkt und nicht nur Gastrobetriebe, kulturelle Veranstaltungen und Läden, sondern auch die Schulen und Universitäten schliesst, ist schier unglaublich. Im ganzen Notstandsstrudel versucht das öffentlich-rechtlich angestellte Personal von Bund, Kantonen und Gemeinden den Service public so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Wie im Privatrecht stellen sich auch für das öffentlich-rechtliche Personal diverse juristische Fragen.

Muss man trotz Ansteckungsgefahr zur Arbeit?

Ja. Diese Frage stellt sich vor allem für die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen, aber auch für alle anderen Angestellten mit Tätigkeiten, zu denen der Kontakt mit anderen Menschen zwangsläufig gehört. Der Arbeitgeber muss aufgrund seiner Fürsorgepflicht dafür sorgen, dass das gesundheitliche Risiko für seine Angestellten möglichst gering ist. Im Pflegebereich muss er deshalb z. B. für die Mitarbeiter genügend Desinfektionsmittel, Mundschutz, Handschuhe und Schutzanzüge bereitstellen. Der Arbeitnehmer ist seinerseits verpflichtet, trotz Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus die Arbeit am vertraglich vereinbarten Arbeitsort zu leisten. Er darf nicht einfach zu Hause bleiben. Dies wäre sogar ein sachlicher Kündigungsgrund.

Weil es sich bei Corona um ein höchst ansteckendes Virus mit möglicherweise tödlichen Folgen handelt, darf der Angestellte aber verlangen, dass er Homeoffice leisten kann, sofern sich seine Tätigkeit dafür eignet und der Arbeitgeber technisch dazu in der Lage ist, Homeoffice zu ermöglichen.

Auch Angestellte, die zu einer Risikogruppe gehören?

Für Mitarbeitende mit Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und ähnlichen Krankheiten, welche das Immunsystem schwächen, ist die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ganz besonders gefordert. Er muss sicherstellen, dass durch bereitstehende Desinfektionsmittel die Hygieneempfehlungen eingehalten werden können, und vor allem muss die Mindestdistanz von 2 Metern Abstand zu anderen Personen rigoros gewährleistet sein. An vielen Arbeitsstellen wird dies schwierig. Nachdem Virologen der Auffassung sind, dass das Virus auch in der Luft für eine gewisse Zeit überleben und so übertragen werden kann, kann Arbeiten für Angehörige einer Risikogruppe zur Lebensgefahr werden. Das darf ihnen der Arbeitgeber nicht abverlangen. Wenn sich die Tätigkeit für Homeoffice eignet, darf der Arbeitgeber dies von den Risiko-Arbeitnehmern verlangen. Ist die Tätigkeit dafür nicht geeignet oder der Arbeitgeber technisch nicht dazu in der Lage, Homeoffice zu ermöglichen, ist der Angestellte von der Arbeitspflicht befreit. Er kann bzw. muss zu Hause bleiben. Weil es sich um eine unverschuldete Arbeitsverhinderung handelt, die in der Person des Angestellten liegt, hat er Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Darf der Vorgesetzte Angestellte wegen Corona nach Hause schicken?

Ja. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann gebieten, dass er einen Mitarbeiter, bei dem z.B. der Verdacht auf eine Infektion besteht, nach Hause schickt. Der Mitarbeiter hat in diesem Fall aber Anspruch auf Lohnfortzahlung.

Darf der Arbeitgeber Ferien- oder Kompensationstage abziehen?

Besteht die Gefahr, dass sich ein Mitarbeiter infiziert hat, muss der Arbeitgeber die übrigen Mitarbeiter vor Ansteckung schützen und den Infizierten – bei voller Lohnfortzahlung – nach Hause schicken. Die Pflicht zur vollen Lohnfortzahlung kann der Arbeitgeber nicht auf den Angestellten überwälzen, indem er ihm Ferientage oder bereits geleistete Überstunden streicht. Überstunden sind grundsätzlich mit Freizeit
von gleicher Dauer zu kompensieren. Dafür müssen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigen, nicht nur über den Grundsatz der Kompensation, sondern auch über deren Zeitpunkt und Dauer. So wie der Arbeitnehmer nicht eigenmächtig einfach Überstunden kompensieren darf, so wenig darf der Arbeitgeber gegen den Willen des Arbeitnehmers Kompensation befehlen, um seine Lohnfortzahlungspflicht zu reduzieren. Bei Ferien ist der Fall noch eindeutiger: Sie dienen der Erholung des Arbeitnehmers und nicht der Reduktion der Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers.

Hat der Angestellte ein Recht auf Homeoffice?

Ja, sofern seine Tätigkeit sich dafür eignet und der Arbeitgeber technisch und betrieblich dazu in der Lage ist, im konkreten Fall Homeoffice zu ermöglichen. Umgekehrt darf der Arbeitgeber zum Schutz der Gesundheit der Mitarbeiter Homeoffice auch gegen deren Willen anordnen. Es darf dabei nicht übersehen werden, dass durch Homeoffice zusätzliche Kosten anfallen, angefangen von Telekommunikationskosten über Stromkosten, Büroeinrichtung bis hin zu Arbeitsmaterial. Das Tragen dieser Kosten sollte auf jeden Fall mit dem Arbeitgeber geregelt sein: Alle laufenden Kosten sowie die Anschaffung, Reparatur bzw. Aktualisierung von Geräten, Software etc. für das Homeoffice sind vollumfänglich vom Arbeitgeber zu tragen. 

Ein besonderes Augenmerk ist auf die Arbeitszeiterfassung zu richten, weil nur so die Einhaltung von Bestimmungen gegen die Überarbeitung wie die Einhaltung von Pausen und Höchstarbeitszeiten geprüft werden kann. Auch die Erreichbarkeit der Arbeitnehmenden im Homeoffice darf nicht so ausgestaltet sein, dass dieser rund um die Uhr erreichbar zu sein hat.

Eine arbeitnehmerfreundliche Regelung von Homeoffice in der Corona-Krise muss auf jeden Fall vorsehen:

  • dass der Arbeitnehmer für Auslagen wie Telekommunikationskosten ebenso entschädigt wird wie für Arbeitsgeräte und Material;
  • dass das Zeitfenster, in welchem die Arbeit verrichtet werden kann, so weit wie möglich gefasst wird;
  • dass die Arbeitszeit nach Beginn, Unterbruch und Ende detailliert erfasst wird und
  • dass die Erreichbarkeit des Angestellten zeitlich begrenzt wird.
  • Und selbstverständlich ist ihm bei unverschuldeter Verhinderung an der Verrichtung von Arbeit wegen Krankheit, Unfall, Ferien, Militär etc. im Umfang der zu definierenden Sollarbeitszeit eine Zeitgutschrift zuzubilligen.

Besteht Anspruch auf bezahlten Urlaub für die Betreuung von Kindern, wenn Schulen und Kitas geschlossen haben?

Ja. Das Arbeitsgesetz und auch viele öffentlichrechtliche Personalgesetzgebungen sehen für die Betreuung von erkrankten Kindern pro Kind und Ereignis drei Tage bezahlten Urlaub vor, welche ausreichen sollen, die weitere Betreuung des Kindes zu organisieren. Diese Regelung ist für die Arbeitswelt «im Normalbetrieb» vorgesehen und nicht «Corona-tauglich». In der CoronaKrise ist nicht die Betreuung einzelner erkrankter Kinder zu organisieren, sondern alle schulpflichtigen Kinder sind wegen der pandemiebedingten Schliessung der Schulen auf e einen Schlag zu Hause, weil auch die Kindertagesstätten geschlossen wurden und die Grosseltern einer Risikogruppe angehören und eben gerade nicht für die Betreuung angefragt werden sollen.

In dieser flächendeckenden Notstandssituation ist die «Normalbetriebs-Regelung» nicht situationsangemessen. Kann die Kinderbetreuung aufgrund der Schliessung von Schulen, Kinderkrippen und sonstiger Betreuungseinrichtungen nicht mehr gewährleistet werden, sollen Angestellte so lange zu Hause ihren Elternpflichten nachgehen können, wie dies zur Organisation einer Betreuungsalternative erforderlich ist. In dieser Zeit haben sie Anspruch auf volle Lohnzahlung, sind umgekehrt aber zur Leistung von Homeoffice verpflichtet, sofern sich ihre Tätigkeit technisch und betrieblich dafür eignet.

 

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