Am 15. August hat die Bundeskanzlei im Bundesblatt offiziell kommuniziert, dass die Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub – zum Nutzen der ganzen Familie» zustande gekommen ist. Der Bundesrat wird sich nun äussern müssen, ob er 20 Arbeitstage Vaterschaftsurlaub unterstützt. Klar ist: Die Schweiz kann sich einen Vaterschaftsurlaub leisten. Die Erwerbsersatzordnung wird in diesem Jahr ausgeglichen abschliessen und gemäss Prognosen bis 2030 ein Vermögen von rund 2,5 Milliarden Franken anhäufen. Damit könnten die vorgeschlagenen vier Wochen theoretisch während vier Jahren aus den Reserven bezahlt werden.
Am 4. Juli hat Travail.Suisse gemeinsam mit weiteren Organisationen 107 455 Unterschriften für einen Vaterschaftsurlaub bei der Bundeskanzlei eingereicht. Viele Aktivistinnen und Aktivisten aus der Zivilgesellschaft und aus den rund 160 beteiligten Organisationen sind nach Bern gekommen und zeigten damit eindrücklich die Breite der Allianz. Dank ihrer Unterstützung war es möglich, dass die nötigen Unterschriften innert nur einem Jahr nach der Lancierung beisammen waren. Am Schluss waren es sogar über 130 000 Unterschriften, die gesammelt wurden – gut 10 Prozent davon waren ungültig und für knapp 10 000 Unterschriften reichte die Zeit für die Beglaubigung bei den Gemeinden nicht mehr aus.
59 607 Online-Unterschriften sind Schweizer-Rekord
Mit den knapp 60 000 online registrierten Unterschriften wurden sogar noch mehr als 130 000 Unterschriften gesammelt: Zählt man die online registrierten Unterschriften zusammen, die nicht auf Papier zurückgeschickt wurden, so haben sogar über 160 000 Personen das Anliegen unterstützt. Die Online-Unterschriftensammlung für die Vaterschaftsurlaubs-Initiative ist somit die erfolgreichste der Schweiz, ein Schweizer Rekord sozusagen. Der Zähler auf der Wecollect-Plattform stand am Schluss auf 59 607, wovon leider nur rund die Hälfte ausgedruckt, unterschrieben und zurück geschickt wurde. Interessant ist, dass rund 70% der 59 607 Online-Unterschriften von Frauen stammen. Auch von den rund 9000 Fans auf Facebook sind 71% Frauen. Von diesen sind 40% zwischen 25 und 34 Jahre alt. Somit wird das Anliegen insbesondere von jenen unterstützt, die sich am stärksten mit dem Thema Kindern auseinandersetzen und die aktuellen Herausforderungen der Arbeitswelt hautnah zu spüren bekommen. Dieser Trend deckt sich mit der repräsentativen Umfrage des LINK-Instituts vom Jahr 2015, die Travail.Suisse in Auftrag geben hat. Die Frauen gaben mit 85% an, einen Vaterschaftsurlaub zu unterstützen (dafür und eher dafür), die Männer jedoch auch mit 77%. Insgesamt haben 81% der Befragten einen Vaterschaftsurlaub befürwortet.
Volksabstimmung 2020 oder 2021 wahrscheinlich
Die Beratung der Volksinitiative nimmt nun einige Jahre Zeit in Anspruch. Der Bundesrat wird sich relativ schnell eine Meinung zum Vaterschaftsurlaub machen müssen. Spätestens ein Jahr nach der Einreichung, also bis am 4. Juli 2018 muss er seine Botschaft mit der Abstimmungsempfehlung dem Parlament unterbreiten. Erarbeitet der Bundesrat oder das Parlament einen Gegenvorschlag, so erlaubt das Gesetz eine Verlängerung der Frist um ein Jahr. National- und Ständerat haben danach 1,5 Jahre Zeit für die Behandlung der Initiative inklusive Schlussabstimmungen. Ohne Gegenvorschlag könnte das bis am 4. Januar 2019 dauern. Die Schlussabstimmung müsste also in der ersten Session der neuen Legislatur erfolgen. Doch das sind die Maximalfristen. Es ist sehr gut möglich, dass die Volksinitiative noch vor den Wahlen fertig beraten wird. Bei einem Gegenvorschlag hätte das neue Parlament ein Jahr länger Zeit. Rund 10 Monate nach den Schlussabstimmungen im Parlament kommt die Initiative vors Volk. Das wäre also spätestens im zweiten Semester 2020 oder im ersten Semester 2021. Danach würde der Vaterschaftsurlaub nicht sofort eingeführt. Würde die Initiative von einer Mehrheit der Stimmberechtigten und einer Mehrheit der Kantone angenommen, so muss das Parlament gemäss Übergangsbestimmung in unserer Initiative die erforderlichen Gesetze anpassen. Kommt keine Lösung zu Stande, muss der Bundesrat den Vaterschaftsurlaub per Verordnung einführen. Beeilt sich die Politik nicht und wird unsere Initiative angenommen, wird es spätestens 1. Januar 2025, bis die ersten Väter vier Wochen (Arbeits-) Zeit haben sich um ihre Familie zu kümmern. Da die Vaterschaftsurlaubs-Initiative einen flexiblen Bezug der 20 Arbeitstage vorsieht, kann der Vater diese Tage einzeln beziehen, was den unterschiedlichen Bedürfnissen der Familien und Unternehmen gerecht wird.
EO-Fonds Ende 2035 mit 3,7 Milliarden Reserven
Vorstösse im Parlament haben gezeigt, dass für die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs nicht zwingend eine Änderung der Bundesverfassung nötig wäre. Das Parlament könnte den Vaterschaftsurlaub also noch schneller umsetzen, wenn der politische Wille da wäre. Mit der Volksinitiative erhält das Parlament die Chance, nach 2016 noch einmal über den Vaterschaftsurlaub zu befinden. Wie der Mutterschaftsurlaub soll der Vaterschaftsurlaub über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert werden. Die Arbeitgeber kennen die Abrechnungsprozesse der EO. Die Gesamtkosten eines Vaterschaftsurlaubs schätzt der Bundesrat laut einem Bericht von 2013 auf rund 385 Millionen Franken, falls alle Väter die 20 Tage voll beziehen. Die aktuellsten Prognosen des EO-Finanzhaushalts von Ende Juni 2017 des Bundesamtes für Sozialversicherungen zeigen, dass das Betriebsergebnis der EO bis 2035 jährlich positiv ist. Das Kapital des EO-Fonds wird bis dann auf fast 3,7 Milliarden Franken ansteigen (angesichts des guten ersten Halbjahres 2017 des EO-Fonds ist anzunehmen, dass der EO-Fonds den prognostizierten Verlust von minus 19 Mio. Franken in ein positives Betriebsergebnis kehren kann). Dabei ist die Abnahme der Diensttage durch die Weiterentwicklung der Armee eingerechnet und es wird mit 0.45 EO-Lohnprozenten gerechnet. Mit der Annahme, dass (leider) nicht alle Väter die 20 Tage Vaterschaftsurlaub beziehen, kann der Vaterschaftsurlaub einzig mit der Anhebung der EO-Lohnbeiträge auf 0,5 Lohnprozente – also auf den Satz wie er bis Ende 2015 galt – finanziert werden. Das ist machbar – für die Wirtschaft wie auch für die Arbeitnehmenden. Die Politik kann so also relativ günstig auf ein grosses gesellschaftliches Bedürfnis reagieren.