Wir brauchen ein modernes Personalschutzrecht

Auch die Frage der Entschädigung von Mehrarbeit kann ein Thema sein, es ist aber nicht der entscheidende Punkt. Es geht darum, dass schon vom Arbeitgeber aus klar ist, wie zwischen Arbeitszeit und Freizeit zu unterscheiden ist. Wir reden hier nicht von jenen Arbeitgebern, die ohne Rücksichtnahme auf die Interessen ihrer Mitarbeitenden Aufgabenerfüllung zu den unterschiedlichsten Tages- und Nachtzeiten einfordern, sondern vom ganz gewöhnlichen öffentlichen Arbeitgeber, der sich eben auch darum kümmern muss, wann gearbeitet wird. Die Fragestellungen sind nicht auf Tätigkeiten, die auch im Homeoffice ausgeübt werden können, begrenzt; die Gestaltung von Bereitschaftsdienst (Pikett) gehört ebenso dazu und führt in der Praxis, weil eben kompliziert, zu grossen Unstimmigkeiten und oft eben auch Ungerechtigkeiten.

Der Arbeitsumfang ist nicht weniger geworden. Die öffentlichen Haushalte versuchen – jetzt noch vermehrt – gleich viel Arbeit auf weniger Schultern zu verteilen oder mehr Arbeit auf gleich viele Schultern zu verteilen. Der Mitarbeitende im öffentlichen Dienst versucht, diese Mehrarbeit zu stemmen. Das kann er häufig nur, wenn er Überstunden leistet. Nicht alle sind bereit, diesen Mehraufwand auch auszuweisen, um nicht in den Verdacht zu geraten, langsam zu sein. Dies hat sich in den letzten Monaten verschärft; wer Homeoffice leistet, steht unter dem Generalverdacht, diesen Dienst teilweise mit der Haushaltsarbeit zu kombinieren. Das trifft zwar nicht zu, erhöht aber den Druck, Mehrarbeit zusätzlich innerhalb des vereinbarten Pensums zu leisten.

Öffentliches Personalrecht ist, wie jedes Arbeitsrecht, (auch und in erster Linie) Arbeitnehmerschutzrecht. Das war schon so, als die ersten arbeitsrechtlichen Bestimmungen eingeführt wurden, und das ist heute noch so. Eigentlich stehen wir wieder am Anfang: Die Entkoppelung des Mitarbeitenden vom Arbeitsplatz durch die Digitalisierung ermöglicht unkontrollierte Selbstausbeutung des Mitarbeitenden, der gewissenhaft die ihm zugewiesenen Aufgaben erledigen will. Er tut dies während der Arbeitszeit, nach der Arbeitszeit, am Abend, am Wochenende. Dieser Realität und unübersehbaren Entwicklung muss sich der öffentliche Arbeitgeber stellen. Dabei wird es wichtig sein, einen guten Ausgleich der Interessen zu finden.

Das Interesse an einer Flexibilisierung der Arbeitszeit bedient durchaus beide Interessen, nämlich das des Mitarbeitenden wie auch jenes des öffentlichen Arbeitgebers. Auf der anderen Seite steht der öffentliche Arbeitgeber in der Pflicht, schon gestützt auf die ihm obliegende Fürsorge gegenüber seinem Mitarbeitenden, dafür zu sorgen, dass keine Entgrenzung stattfindet, dass der Mitarbeitende seine Arbeitszeiten einhält und nicht mehr tut als vereinbart. Das bedeutet auch, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, dass der Mitarbeitende im öffentlichen Dienst, wenn er nicht kontrolliert wird, seine Bemühungen einstellt. Wie gesagt, das Gegenteil ist der Fall, und das Gegenteil ist auch das Problem. Letztlich geht es damit auch um den Gesundheitsschutz des Einzelnen – und am Ende des Tages um eine funktionierende öffentliche Verwaltung.

Aus unserer Sicht wäre es zu kurz gedacht, einfach eine verschärfte, minutengenaue Erfassung der Arbeitszeit im Homeoffice anzuordnen. Das widerspricht etwa der gewünschten Flexibilisierung und Zeitsouveränität, verhindert aber in der Hauptsache nicht, dass Arbeitszeiten nach wie vor nicht die Realität abbilden. Die Arbeitszeitvorgaben müssen Aussagen treffen über die Arbeitszeit selbst, und wir betonen das gerne nochmals, weil es wichtig ist, auch über

  • die Zeit der Arbeitszeit,
  • die Verwendung elektronischer Arbeitsgeräte am Abend, am Wochenende und vor allem in den Ferien,
  • die Bearbeitung von E-Mails und ihren Zeitpunkt,
  • die Beantwortung von Anfragen während der arbeitsfreien Zeit,
  • die Pausen,
  • die zwingenden Ruhezeiten,
  • die Erreichbarkeit,
  • die Verfügbarkeit,
  • die Überstunden, die Überzeit,
  • die Folgen, wenn während der Ferien, während des Wochenendes oder in der Nacht gearbeitet wird,
  • die Art der Kontrolle unter Beibehaltung einer Zeitsouveränität,
  • die Verantwortung des öffentlichen Arbeitgebers und des Mitarbeitenden bei Verletzung der Vorgaben und vieles mehr.

Und letztlich hat es auch etwas mit dem Umfang der Arbeit zu tun; es darf nicht sein, dass die Arbeitslast bei der Gestaltung der Arbeitszeit unberücksichtigt gelassen wird. Hier besteht ein direkter Zusammenhang, und auch hier wird in unseren Personalschutzreglementen, um einmal einen neuen, passenden Begriff zu verwenden, zu wenig gesagt, genauer gar nichts.

Das wird sicher keine einfache Aufgabe. Öffentliches Personal Schweiz ist auch nicht der Auffassung, dass jede Gemeinde diese Fragen jeweils für sich selbst erarbeiten muss, sondern dies ist eine übergeordnete Aufgabe, die – selbstverständlich unter Respektierung unserer föderalen Struktur – gemeinsam erfüllt werden muss.

Denn es ist offensichtlich: Wir brauchen ein modernes Personal(schutz)recht!

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