Das Arbeitszeugnis – ein Überblick

Grundsatz des Wohlwollens
Einerseits soll das Arbeitszeugnis das berufliche Fortkommen fördern. Andererseits soll das Arbeitszeugnis dem künftigen Arbeitgeber ein wahrheitsgetreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten geben, weshalb es wahr und vollständig sein muss. Der Grundsatz des Wohlwollens findet seine Grenze an der Wahrheitspflicht. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein objektiv wahres, nicht auf ein gutes Arbeitszeugnis. Das Interesse des zukünftigen Arbeitgebers an der Zuverlässigkeit der Aussagen im Arbeitszeugnis muss höherrangig eingestuft werden als das Interesse des Arbeitnehmers an einem möglichst günstigen Zeugnis.

Grundsatz der Klarheit
Das Arbeitszeugnis muss in allgemein verständlicher und klarer Sprache abgefasst sein. Die Aussagen müssen für Dritte und den Arbeitnehmer selbst eindeutig sein. Unzulässig ist auch die Verwendung von Codierungen durch den Arbeitgeber. Bei Codierungen handelt es sich um gut klingende bzw. verklausulierte Formulierungen, welche aber etwas anderes aussagen, als was der eigentliche Wortlaut vermuten lässt. Folgende Formulierungen hören sich zunächst positiv an, weisen aber tatsächlich auf ungenügende Leistungen und Verhalten hin:

  • Er/sie war stets bemüht.
  • Er/sie erledigte ihre Aufgaben im Grossen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit.
  • Er/sie hat sich stets bemüht, die Aufgaben so gut wie möglich zu erledigen.
  • Er/sie wusste sich gut zu verkaufen.
  • Er/sie zeigte für seine/ihre Arbeit Interesse.
  • Seine/ihre Geselligkeit trug zur Verbesserung des Betriebsklimas bei.

Grundsatz der Einheitlichkeit
Ein Arbeitnehmer, der bei einem Arbeitnehmer länger und in mehreren Positionen tätig war, hat Anspruch auf ein einheitliches Arbeitszeugnis, das die gesamte berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers chronologisch darstellt.

Grundsatz der Individualität
Das Arbeitszeugnis muss der individuellen beruflichen Entwicklung Rechnung tragen. Es muss die berufsspezifischen, arbeitsplatzbedingten und persönlichen Besonderheiten berücksichtigen. Die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens sind individuell zu formulieren.

Beendigungsgrund und Motive der Kündigung

Gegen den Willen des Arbeitnehmers dürfen der Kündigungsgrund und die Motive, die zur Vertragsbeendigung geführt haben, nicht erwähnt werden, ausser wenn durch das Weglassen eines solchen Hinweises ein unwahres Zeugnis entstehen würde. Der Beendigungsgrund gehört nur ins Arbeitszeugnis, wenn dies zur Würdigung des Gesamtbildes nötig ist. Dies wird bei gerechtfertigten fristlosen Kündigungen in der Regel der Fall sein.

Schlussformulierungen

Einen klagbaren Anspruch auf Bedauernsbekundungen über den Austritt und Dankesworte gibt es gemäss der Rechtsprechung nicht. Ein Arbeitgeber kann nicht gegen seinen Willen dazu verpflichtet werden, Bedauern und Dank zu bescheinigen.

Arbeitszeugnis bei Freistellung

Bei Freistellungen ist nicht der tatsächliche Austritt, sondern der rechtliche Austritt am Ende des Arbeitsverhältnisses anzugeben. Gegen den Willen des Arbeitnehmers darf eine Freistellung in der Regel nur dann im Arbeitszeugnis genannt werden, wenn andernfalls ein falscher Eindruck hinsichtlich seiner Tätigkeit und Befähigung entstehen würde. Dies wäre beispielsweise bei kurzer Anstellungsdauer und einer im Verhältnis zur Dauer des Arbeitsverhältnisses langen Freistellungsdauer der Fall.

Besonderheiten beim Zwischenzeugnis

Gemäss Wortlaut des Gesetzes kann der Arbeitnehmer jederzeit ein Zwischenzeugnis in der Form eines Vollzeugnisses verlangen. Dieser Anspruch wird in der Praxis vorwiegend nur dann bejaht, wenn der Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse daran glaubhaft machen kann. An den Interessennachweis dürfen allerdings keine hohen Anforderungen gestellt werden. Genügend sind z. B. ein Wechsel des Vorgesetzten, der Transfer in eine andere Unternehmenseinheit, den Arbeitnehmer betreffende Umstrukturierungen, wenn ein Zwischenzeugnis für Aus- oder Weiterbildungen Zulassungserfordernis ist, ernsthafte Stellenwechselabsichten des Arbeitnehmers und selbstverständlich das nahende Vertragsende. Schikanöse Zeugnisbegehren sind dagegen zurückzuweisen, so z. B., wenn der Arbeitnehmer alle paar Monate ohne besonderen Anlass ein neues Zwischenzeugnis verlangt.

Vom tollen Zwischenzeugnis zum schlechten Schlusszeugnis

Die Ausstellung eines schlechten Schlusszeugnisses im Vergleich zu einem wenige Monate zuvor ausgestellten Zwischenzeugnis ist nur dann zulässig, wenn seit dem Zwischenzeugnis erhebliche Änderungen eingetreten sind, die eine schlechtere Beurteilung rechtfertigen. Die Beweislast für diese erheblichen Änderungen trägt die Arbeitgeberin. Ein abweichendes, berichtigtes Schlusszeugnis ist dann zulässig, wenn das Zwischenzeugnis nachweislich falsch war (wenn z. B. nicht erkannte Pflichtverletzungen entdeckt wurden).

Haftung aus Arbeitszeugnissen

Stellt der Arbeitgeber innert nützlicher Frist kein oder ein nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechendes Zeugnis aus, so kann er dem Arbeitnehmer für den daraus entstandenen Schaden haften. Andererseits können Zeugnisse, die unrichtige Angaben enthalten oder wesentliche Vorkommnisse (z. B. eine Veruntreuung) verschweigen, zur Schadenersatzpflicht gegenüber dem neuen Arbeitgeber führen. Der Nachweis der geforderten Kausalität ist allerdings oft schwierig.

MLaw Claudia Schnüriger,
Rechtsanwältin

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