Als Werbemittel sind Arbeitszeugnisse für Arbeitnehmende unverzichtbar und können entscheidenden Einfluss auf eine berufliche Laufbahn haben. Die Verfassung von Arbeitszeugnissen erfordert daher nebst einer hohen Beurteilungs- auch eine hohe Sprachkompetenz. Eine besondere Herausforderung besteht insbesondere dann, wenn die Leistungen oder das Verhalten des zu beurteilenden Arbeitnehmers unbefriedigend waren. Regelmässig steht der Verfasser des Arbeitszeugnisses dabei vor der Frage: was muss ins Arbeitszeugnis aufgenommen werden?
Das Arbeitszeugnis soll einerseits das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern andererseits soll es künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Bewerbers/der Bewerberin geben. Daher muss das Arbeitszeugnis wahr, vollständig und wohlwollend formuliert sein, wobei im Grundsatz Wahrheit vor Wohlwollen steht. Unbefriedigende Leistungen und Verhaltensweisen sind im Arbeitszeugnis nur soweit zu nennen, als dass diese für das Arbeitsverhältnis prägend waren und für die Gesamtbeurteilung erheblich sind. Vorkommnisse von untergeordneter Natur und isolierte Einzelfälle sind hingegen unerheblich und nicht im Zeugnis aufzuführen.
Zum Kriterium der Erheblichkeit im Allgemeinen
Nicht in ein Arbeitszeugnis gehören kleine Verfehlungen wie seltenes Zuspätkommen, eine einmalige Auseinandersetzung mit Vorgesetzten oder anderen Mitarbeitenden und punktuelle Leistungsabfälle. Ebenso wenig sind persönliche oder familiäre Probleme des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin zu nennen. Darunter fallen auch Alkohol- oder Drogenkonsum, sofern sich diese nicht auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Unzulässig ist deren Nennung im Arbeitszeugnis insbesondere dann, wenn sich der Konsum nicht nachweisen lässt, es sich als um reine Verdachtsmomente handelt.
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit von einzelnen Punkten ist sodann auch die Art der Tätigkeit von Bedeutung. Das gelegentliche Zuspätkommen von Mitarbeitenden, die keinen Kundenkontakt zu pflegen haben, ist nicht gleichbedeutend wie wenn ein Buschauffeur zu spät zur Arbeit erscheint oder eine Mitarbeiterin mit Vorbildsfunktion. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ist ferner auch die die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Bei einer langen Anstellung sind vereinzelte Auseinandersetzungen oder Leistungsabfälle sicherlich anders zu gewichten als bei einer kurzen, lediglich ein paar Monate andauernden, Anstellung.
An dieser Stelle sei angemerkt, dass ungenügende oder sogar schlechte Bewertungen in einem Arbeitszeugnis oftmals zu Streitigkeiten und gerichtlichen Verfahren führen, in welchen sich oft Beweisproblematiken stellen.
Strafrechtliche Verfehlungen im Besonderen
Begeht ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin im Rahmen der Arbeitstätigkeit oder gegenüber dem Arbeitgeber eine Straftat, ist diese im Arbeitszeugnis grundsätzlich zu nennen. Andernfalls riskiert der ehemalige Arbeitgeber gegenüber dem neuen Arbeitgeber Haftungsansprüchen ausgesetzt zu sein, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin auch gegenüber seinem neuen Arbeitgeber straffällig wird. Dies ist dann relativ unproblematisch, wenn bereits eine strafrechtliche Verurteilung erfolgte. Wurde die Verfehlung des Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin zwar entdeckt und zur Anzeige gebracht, die strafrechtliche Untersuchung jedoch noch nicht abgeschlossen, besteht lediglich ein Verdachtsmoment und eine Beurteilung durch den Arbeitgeber ist nicht möglich. Gemäss Rechtsprechung kommt dem Arbeitgeber in solchen Fällen das Recht zu, mit der Ausstellung des Arbeitszeugnisses zuzuwarten, bis das Strafverfahren abgeschlossen ist. Will der Arbeitgeber bereits vor Abschluss des Strafverfahrens ein Zeugnis ausstellen, hat er die Möglichkeit im Zeugnis auf die mutmassliche Verfehlung hinzuweisen. Dass es dabei insbesondere um das aufgrund des Verdachtsmoment erschütterte Vertrauensverhältnis geht und nicht um die zu diesem Zeitpunkt lediglich vermutete Straftat hat sich dabei auch in der Formulierung des Hinweises niederzuschlagen. Nur so kann einerseits das Wahrheitsgebot und andererseits das Verbot der reinen Verdachtsäusserung gewahrt werden.
Arbeitsunfähigkeit im Besonderen
Ein weiteres heikles Thema bezüglich des Inhalts eines Arbeitszeugnisses sind längere Absenzen von Arbeitnehmenden. Grundsätzlich hat sich der Arbeitgeber nicht anzumassen, in einem Arbeitszeugnis Angaben über den Gesundheitszustand eines Mitarbeitenden zu machen. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Krankheiten jedoch dann in einem Arbeitszeugnis zu erwähnen, wenn diese einen erheblichen Einfluss auf die Leistung oder auf das Verhalten von Mitarbeitenden haben oder die Eignung zur Arbeitserfüllung in Frage stellen. Eine geheilte Krankheit darf jedoch nicht erwähnt werden.
Ferner sind nach der Rechtsprechung auch im Verhältnis zur gesamten Anstellungszeit längere Absenzen im Arbeitszeugnis zu erwähnen, da die Dauer eines Anstellungsverhältnisses auf die Erfahrung von Arbeitnehmenden schliessen lässt. Das Verschweigen einer längeren Abwesenheit würde daher ein falsches Bild über die Berufserfahrung abgegeben und somit dem Wahrheitsgebot widersprechen. Grundsätzlich nicht erforderlich ist die Nennung des Grunds für die Abwesenheit, zumal die Beurteilung der Arbeitserfahrung nicht davon abhängig gemacht werden kann, ob der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit abwesend war oder er sich ein Sabbatical genommen hat. Nach der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung haben Arbeitnehmende jedoch keinen Anspruch darauf, dass der Abwesenheitsgrund verschwiegen wird, wenn der Arbeitgeber diesen im Zeugnis angibt. Das Bundesgericht begründet dies damit, dass «ein potentieller Arbeitgeber die Abwesenheit hinterfragen und sich nach den Gründen erkundigen» werde. Nicht die Angabe von Abwesenheitsgründen lasse Raum für Spekulationen, sondern deren Nichterwähnung. Dies liege nicht im Interesse des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin.
Wahrheit, Wohlwollen – und Vollständigkeit
Wie eingangs erwähnt, muss ein Arbeitszeugnis wahr sein, es darf also keine Falschaussage enthalten. Gleichzeitig soll das Arbeitszeugnis wohlwollend sein und das berufliche Fortkommen des Arbeitsnehmers unterstützen. Dass die zwei Begriffe Wahrheit und Wohlwollen im Einzelfall ein Spannungsfeld erzeugen, liegt auf der Hand. Davon zeugt auch ein der unlängst am Bezirksgericht Zürich behandelte Fall: Ein Unternehmer weigert sich partout, einem ehemaligen Mitarbeiter ein Zeugnis auszustellen, dessen Wortlaut vom Arbeits- und Obergericht in einem vorgelagerten Verfahren vorgeben wurde. Nach Angaben des Unternehmers entsprächen die vom Gericht positiv formulierten Passagen zur Arbeitsleistung nicht der Wahrheit. Das Zeugnis wie vom Gericht verlangt auszustellen, würde ihn zum Lügner machen (Urteil des Bezirkgerichts Zürich GC 190009 vom 2. April 201, noch nicht rechtkräftig).
Auch wenn es sich bei dem vorgenannten Fall um einen Einzelfall handeln dürfte, illustriert dieser zu welchem Dilemma die zwei Grundsätze Wahrheit und Wohlwollen führen können: Einerseits müssen allfällige negative Auffälligkeiten genannt werden, da ansonsten gegen das Wahrheitsgebot verstossen wird, andererseits darf das Arbeitszeugnis das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren und ist daher wohlwollend zu formulieren.
In der Praxis wird das Dilemma oft dadurch gelöst, dass Unzufriedenheiten seitens des Arbeitgebers durch das Weglassen von lobenden Adjektiven zum Ausdruck gebracht wird oder auf überschwängliche Abschiedsformeln verzichtet wird. Die Bedeutung solcher «Auslassungen» ist hinreichend bekannt und fallen auch potentiellen Arbeitgebern auf. Seitens des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin ist daher vermehrt darauf zu achten, ob das ausgestellte Arbeitszeugnis nicht nur wohlwollend formuliert, sondern auch vollständig ist.