Das Arbeitszeugnis – ein Überblick

Ein gutes Arbeitszeugnis dient der Förderung des beruflichen Fortkommens. Wer ein schlechtes Arbeitszeugnis im Bewerbungsverfahren vorweist, wird oft gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Das Arbeitszeugnis darf jedoch nicht nur den Grundsatz des Wohlwollens beachten, sondern muss auch der Wahrheit entsprechen. Stellt die Arbeitgeberin ein unrichtiges Arbeitszeugnis aus, kann sie gegenüber Dritten haftbar werden. Diese Gratwanderung zwischen Wahrheit und Wohlwollen ist nicht ganz einfach. Diese und weitere Aspekte des Arbeitszeugnisses werden in diesem Beitrag näher beleuchtet.

Allgemeines zum Arbeitszeugnis

Gemäss Art. 330a OR kann der Arbeitnehmer jederzeit vom Arbeitgeber ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistungen und sein Verhalten ausspricht. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf ein Vollzeugnis in der Form eines Zwischenzeugnisses und eines Schlusszeugnisses sowie auf eine blosse Arbeitsbestätigung. Es steht dem Arbeitnehmer frei, ein Arbeitszeugnis, eine Arbeitsbestätigung oder beides zu verlangen. Der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis wird erst fällig, wenn der Arbeitnehmer ein Arbeitszeugnis verlangt.

Nach herrschender Lehre verjährt das Recht auf ein Arbeitszeugnis zehn Jahre nach dem Ende des Arbeitsvertrags. Begründet wird dies damit, dass es sich beim Zeugnis nicht um eine Forderung handelt, die als Entgelt für die geleistete Arbeit zu betrachten ist. Das Bundesgericht hat dies in einem Entscheid aus dem Jahr 2020 bestätigt (Urteil des Bundesgerichts 4A_295/2020 vom 28. Dezember 2020).

Formelle Aspekte: Schriftform, Unterschriften, Ausstellungsort und Zeitform

Das Arbeitszeugnis ist schriftlich auszustellen und muss von der Arbeitgeberin unterzeichnet werden. Ist für die Vertretung der Arbeitgeberin Kollektivunterschrift zu zweien erforderlich, muss auch das Arbeitszeugnis von zwei zeichnungsberechtigten Personen unterzeichnet werden. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf Unterzeichnung durch eine bestimmte Person und kann umgekehrt auch nicht fordern, eine bestimmte Person dürfe nicht unterzeichnen. Unzulässig ist die Vertretung durch aussenstehende Dritte, beispielsweise durch einen von der Arbeitgeberin beauftragten Rechtsanwalt. Auch der Ort der Zeugnisausstellung ist anzugeben. Das Zwischenzeugnis wird in der Gegenwartsform formuliert. Das Schlusszeugnis hingegen in der Vergangenheitsform. Kompetenzen, über die der Arbeitnehmer unabhängig von der betreffenden Arbeitsstelle verfügt, wie Sprachkenntnisse, Auffassungsgabe, Einfühlungsvermögen etc., sind auch im Schlusszeugnis in der Gegenwartsform zu verfassen.

Zeugnisgrundsätze

Bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses müssen die folgenden Grundsätze beachtet werden:

Grundsatz der Wahrheit
Aus dem Grundsatz der Wahrheit ergibt sich, dass sich das Vollzeugnis zu allen in Art. 330a Abs. 1 OR genannten Punkten äussern muss. Daraus folgt, dass das Zeugnis über Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über die Leistungen und das Verhalten Auskunft geben muss. Die im Arbeitszeugnis wiedergegebene Beurteilung von Leistung und Verhalten muss objektiv richtig ausfallen, wobei der Beurteilungsmassstab nicht zu streng oder zu grosszügig sein darf, sondern dem branchenüblichen Durchschnitt entsprechen soll. Die Arbeitgeberin verfügt über ein Beurteilungsermessen sowie über ein breites Ermessen bei der Formulierung des Arbeitszeugnisses. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf die Verwendung von bestimmten Formulierungen.

Grundsatz der Vollständigkeit
Das Arbeitszeugnis muss vollständig sein, d. h. es muss alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind. Es soll künftigen Arbeitgebern ein möglichst getreues Abbild von Tätigkeit, Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers geben. Aus diesem Grund darf und muss es bezüglich der Leistungen des Arbeitnehmers auch negative Tatsachen erwähnen, soweit diese für seine Gesamtbeurteilung erheblich sind. Begrenzt wird das Erfordernis der Vollständigkeit durch Art. 328b OR, wonach sich die Angaben auf die Eignung für das Arbeitsverhältnis oder die Durchführung des Arbeitsvertrags beziehen müssen. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit gebietet das Weglassen von Unwesentlichem. Einmalige Vorfälle und Umstände, die für den Arbeitnehmer und das Arbeitsverhältnis nicht charakteristisch waren, dürfen nicht in das Arbeitszeugnis aufgenommen werden. Der blosse (auch dringende) Verdacht einer strafbaren Handlung sowie Vorstrafen, Krankheiten und ausserdienstliche Umstände, die für Leistungen und dienstliches Verhalten des Arbeitnehmers nicht wesentlich waren, dürfen nicht erwähnt werden. Delikte, die während des Arbeitsverhältnisses verübt wurden, dürfen erwähnt werden, wenn sie für die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers von Bedeutung sind oder die Straftat am Arbeitsplatz oder zulasten des Arbeitgebers begangen wurden.

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