«Service public ist beim Stimmbürger unbestritten»

Delegiertenversammlung vom 4. Mai 2018

Altersvorsorge

Dr. Corinne Saner erklärte, dass anlässlich der Fachtagung Brunnen ein Positionspapier zum Thema Altersvorsorge 2020 zusammengestellt worden sei. Darin wurde aufgezeigt, welchen Themenbereichen bei der Revision der Altersvorsorge aus der Sicht von Öffentliches Personal Schweiz (ZV) besondere Beachtung geschenkt werden muss.
Der Vorstand beantragte den Delegierten, das Positionspapier zu beschliessen, damit dieses danach beim Departement Berset als offizielle Position von Öffentliches Personal Schweiz (ZV) eingereicht werden kann.
Der Inhalt des Positionspapiers gab zu Diskussionen Anlass. So wurde angeregt, die Anlagevorschriften für Pensionskassen ebenfalls zu thematisieren und das Thema Einheitskasse in der 2. Säule nochmals kritisch zu überdenken, da dies ein Schritt in Richtung Volkspension wäre. Dies würde zwar zur tieferen Verwaltungskosten führen, allerdings auf Kosten der Vielfalt der 2. Säule.
Kritisch betrachtet wurden ausserdem die Prognosen zur steigende Lebenserwartung sowie die Formulierung einzelner Punkte.
Aufgrund der Kritik beschlossen die Delegierten, dem Vorstand den Auftrag zu erteilen, das Geschäft weiter zu verfolgen und das heute vorliegende Positionspapier weiter zu konkretisieren, unter Prüfung der diskutierten Punkte.

Delegiertenversammlung 2019

Für die Durchführung der nächsten Delegiertenversammlung kandidierte der Staatspersonalverband Kanton Uri und bekam die Zustimmung der Delegierten. Die nächste Delegiertenversammlung findet somit am 10. Mai 2019 in Altdorf statt.

Tagungsreferat «Service public in der direkten Demokratie»

Das Tagungsreferat hatte das Stimmverhalten bei Volksabstimmungen, insbesondere bei solchen, die den Service public betreffen, zum Inhalt. Referent Dr. Thomas Milic, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Politikwissenschaft der Universität Zürich sowie Projektmitarbeiter am Zentrum für Demokratie Aarau (ZDA) betreibt in diesem Bereich Grundlagenforschung und ist hauptverantwortlich für das Projekt VOTO-Analysen, welches die Nachbefragung zu eidgenössischen Urnengängen zum Inhalt hat. Ziel dieser Analysen ist, herauszufinden, weshalb die Stimmberechtigten für oder gegen eine Vorlage abgestimmt haben. Eine schwierige Aufgabe, denn die Abstimmenden können ihr Entscheidung für oder gegen eine Vorlage oft selbst nicht erklären, so Milic.

Die Abstimmungsergebnisse zeigen, so Milic, dass bei Service public-Abstimmungen im Bereich des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs das Volk zurückhaltender ist als der Nationalrat. Bei Initiativen, die den «Service public für alle» wie zum Beispiel das Poststellennetz, betreffen, ist der Nationalrat näher bei einem Abbau und das Stimmvolk näher bei einer Bewahrung des Status quo. Es gibt hier also auffällige und interessante Differenzen zwischen Stimmvolk und Nationalrat, von einem groben Auseinanderklaffen der Interessen kann aber nicht gesprochen werden.

Das Abstimmungsverhalten

Dr. Milic veranschaulichte, dass es für die Analyse des Abstimmungsverhaltens verschiedene Ausgangspunkte gibt. Der soziologische Ansatz zeigt, dass der Stimmberechtigte stark von seinem sozialen Umfeld geprägt wird. Diese so genannten sozialen Milieus sind regional stark vernetzt, wobei heute dieser Einfluss noch stärker ist, da sich Gleichgesinnte auch mittels Internet finden und einfach austauschen können. In diesen Milieus wird die eigene Meinung regelmässig bestärk und es ist deshalb wenig erstaunlich, dass sich diese Stimmberechtigten nicht beeinflussen lassen, weder durch entsprechende Werbung oder öffentliche Diskussionen, sondern dem sozialen Milieu entsprechend abstimmen.

Einen weiteren starken Einfluss auf das Abstimmungsverhalten hat die psychologische Bindung einer Person, zum Beispiel an eine Partei, so Milic. Diese Bindung lässt sich mit den Emotionen des Fans eines Fussballclubs vergleichen, der diesen vorbehaltlos unterstützt – egal wie die Leistung war oder wo der Club in der Tabelle steht. Die Loyalität ist an den Club bzw. in der Politik an die Partei gebunden und der Wahlentscheid wird als Gruppenerlebnis gefeiert oder bedroht.

Ein dritter Ansatz zur Analyse definiert das Individuum als rationalen Nutzenmaximierer. Dabei ist der Stimmbürger unabhängig von Parteien und entscheidet sich für diejenige Lösungsvariante, von der er am meisten profitiert. Die Auswirkungen einer Abstimmung sind für Durchschnittsbürger in der Regel jedoch schwierig zu analysieren, weshalb dieser «Wählertyp» eine Prognose des Abstimmungsverhaltens erschwert. Dieser Analyseansatz erklärt aber, weshalb es nicht erstaunlich ist, dass die Stimmbeteiligung in der Regel höher ist, wenn die materielle Betroffenheit für den Stimmbürger durch eine Abstimmungsvorlage klar erkennbar ist.

Für oder gegen den Service public

Die Auswertung in Bezug auf die Service public-Abstimmungen hat gezeigt, dass Stimmberechtigte mit hohem Bildungsniveau sowie Frauen vermehrt für die Stärkung des Service public stimmen. Ebenso solche, die in einer Teilzeitanstellung arbeiten oder in Ausbildung sind.

Eher überraschend spielt die persönliche Betroffenheit aufgrund der Anstellung im öffentlichen oder privaten Bereich keine grosse Rolle, so Milic. Das Abstimmungsverhalten dieser beiden Kategorien ist nicht erkennbar für bzw. gegen einen starken Service public gerichtet. Hingegen wehren sich jene mit einem sehr tiefen oder sehr hohen Einkommen vermehrt gegen einen Ausbau oder Erhalt des Service public, als jene mit mittlerem Einkommen.
Bei der Parteizugehörigkeit sind SP-Anhänger mehrheitlich dafür, selbst die Mitglieder der SVP sind nicht durchgehend gegen den Service public. Die Parteizugehörigkeit spielt also eine eher untergeordnete Rolle.

Meinungsbildung

Doch wie erkennt man, ob sich eine Abstimmung für oder gegen den Service public auswirkt? Um nicht willkürlich abzustimmen, werden Entscheidhilfen verwendet; man geht dabei davon aus, dass die Experten schon recht haben. Die Glaubwürdigkeit solcher Entscheidhilfen ist abhängig vom Botschafter bzw. dessen Glaubwürdigkeit. So gehen die meisten Angehörigen einer Partei davon aus, dass die Empfehlungen ihrer Partei im Grundsatz auch ihrer Meinung entsprechen; sie vertrauen deshalb darauf, dass dies auch bei der aktuellen Abstimmungsfrage der Fall ist.

Konkrete Argumente für oder gegen eine Initiative:

Dr. Milic zeigte anhand von drei Volksinitiativen auf, wie die Stimmbürger ihre Entscheidung begründet hatten.

  • Volksinitiative «Postdienste für alle: Häufigstes Argument für eine Ja-Stimme war, dass ansonsten Randgebiete und einzelne Personengruppen benachteiligt werden. Zudem sollten Postdienstleistungen erhalten bleiben.
    Auch die Gegenstimmen bezogen ihre Argumentation auf den Service public, sie empfanden die Versorgung aber als ausreichend ist bzw. die Dienstleistungen als zufriedenstellend.
    Rund 4 % der Stimmbürger konnten für ihre Stimme keinen inhaltlichen Grund angeben und hörten auf eine Empfehlung
  • Volksinitiative «Pro Service public»: Die Befürworter begründeten ihre JA-Stimme mit der Gewährleistung der Grundversorgung und dass der Service public verbessert werden sollte, insbesondere wollten sie spezifische Leistungen (zum Beispiel Poststellen) erhalten.
    Die Gegner begründeten ihre Ablehnung damit, dass die Grundversorgung bereits gut ist. Sie bezogen sich also ebenfalls auf den Service public und stellten ihn – trotz Ablehnung der Initiative – keineswegs in Frage. Die Gegner gingen davon aus, dass die Initiative dem Service public schadet statt seinen Ausbau zu fördern.
  • Volksinitiative No Billag: Die Ablehnung der Initiative war ein allgemeines Bekenntnis zum Service public, insbesondere die vielfältige Information in allen Regionen war ausschlaggebend.

Fazit

Dr. Milic fasste zusammen, dass der Service public einen hohen Stellenwert hat und selbst jene Stimmbürger, die eine Vorlage ablehnen, dies mit dem Erhalt des Service public begründen. Der Service public ist also unbestritten.

Diese Erkenntnisse zeigen aber die Kehrseite auf: Oft bedienen sich sowohl die Befürworter als auch die Gegenseite dem Argument des Erhalts des Service publics. Dies verunmöglicht dem Stimmbürger dann eine realistische Einschätzung der Auswirkungen einer Abstimmung.

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