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Die Einkommen sind immer ungleicher verteilt. Das zeigt die Forschung der beiden UZH-Ökonomen David Dorn und Nir Jaimovich. Die wichtigsten Treiber dafür sind Technologie und Globalisierung. Die Schweiz tanzt allerdings etwas aus der Reihe.
Die Arbeitswelt in den USA und in Westeuropa hat sich in den letzten 30 Jahren rasant verändert. Zuerst gingen viele traditionelle Jobs in der Industrie verloren. Einerseits weil es billiger ist, in China oder anderen Schwellenländern zu produzieren, andererseits weil ein Roboter die Arbeit gleich gut oder besser machen kann als ein Mensch und erst noch günstiger. Besonders ausgeprägt war diese Entwicklung in den USA, wo innerhalb von zehn Jahren – zwischen 2000 und 2010 – die Zahl der Arbeitsplätze in der traditionellen Industrie um ein Drittel zurückgegangen ist. Mittlerweile macht der technologische Fortschritt nicht nur Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter zunehmend überflüssig, sondern auch mittelständische Berufe mit repetitiven Tätigkeiten wie etwa Sekretariats- und Administrationsarbeit. Intelligente Computerprogramme können heute so trainiert werden, dass sie nicht nur manuelle, sondern auch kognitive Aufgaben erledigen können, wenn diese klar definiert sind und sich ständig wiederholen.
Weniger Jobs, tiefere Löhne
Diese Art von Beschäftigung wird von der Wissenschaft als Routinearbeit bezeichnet, im Gegensatz zu Nichtroutinearbeit. Solche kann intellektuell oder manuell sein. Wichtig ist, dass es sich um Arbeit handelt, die eine gewisse Flexibilität im Denken und Handeln erfordert. Das können die Maschinen (noch) nicht so gut. Deshalb ist es viel schwieriger, hier Menschen durch intelligente Systeme zu ersetzen.
Die Konkurrenz der Maschinen hat dazu geführt, dass es immer weniger dieser Mittelklasse-Arbeit gibt, die ein Mittelklasse-Einkommen generiert. «Es gibt nicht nur weniger solche Jobs», sagt Nir Jaimovich, «auch die Löhne in diesem Bereich sind gesunken.» Jaimovich ist Ökonomieprofessor an der UZH und hat lange in den USA gearbeitet und die Entwicklung dort analysiert.
Gleichzeitig mit diesem Arbeitsplatz- und Statusverlust der Mittelklasse-Arbeit gibt es einen zweiten Trend, der in die andere Richtung weist: Arbeitskräfte, die anspruchsvolle kognitive Arbeit machen, verdienen tendenziell mehr. Gleichzeitig gibt es in diesem Bereich auch neue Arbeitsplätze. «Dieses Segment profitiert vom technologischen Wandel, weil die Technologie ihre Arbeit nicht ersetzt, sondern produktiver macht», erklärt Nir Jaimovich.
Diese beiden gegenläufigen Entwicklungen führen dazu, dass sich die Einkommensschere bei den Arbeitnehmenden immer weiter auftut. Gleichzeitig muss ein Teil von ihnen, die bislang relativ gut bezahlte Routinearbeit machen konnten, in andere, weniger gut bezahlte Arbeitsfelder ausweichen. Oder diese Leute fallen ganz aus dem Arbeitsmarkt.
In den USA ist der Anteil der Arbeitnehmenden in solchen Routinejobs seit 1980 um einen Fünftel gefallen. Die schlechte Nachricht ist: Der Verlust dieser Arbeitsstellen führt meist zum sozialen Abstieg aus der Mittelklasse: Ein Drittel der ehemaligen Beschäftigten in diesen Mittelklasse-Jobs verdient heute weniger. Zwei Drittel sind nicht mehr erwerbstätig.
Job-Polarisierung
Die Ökonomen bezeichnen diese Entwicklung als Job-Polarisierung, wobei die beiden Pole der gut und der schlecht Bezahlten immer weiter auseinanderdriften, während die Mittelklasse, die die beiden verbindet, schrumpft.
Nir Jaimovich hat vor allem die Entwicklung in den USA untersucht. Doch in Europa, insbesondere in Deutschland, sehe man ebenfalls wachsende Einkommensungleichheit und Job-Polarisierung, erklärt David Dorn, Professor für Globalisierung und Arbeitsmärkte an der UZH. Dorn und Jaimovich sind Mitglieder des Universitären Forschungsschwerpunkts (UFSP) «Equality of Opportunity», der solche Fragen erforscht. «Die Schweiz hat es geschafft, sich diesen Trends teilweise zu entziehen», sagt David Dorn. Zwar sind auch hierzulande gewisse Mittelklasse-Berufe geschrumpft, aber die Einkommensschere hat sich nicht deutlich geöffnet.
Dorn nennt dafür folgende Gründe: In der Schweiz gibt es schon länger keine Tieflohn-Industrie mehr; die Arbeitnehmenden sind besser ausgebildet als anderswo und können sich deshalb einfacher neu orientieren; und die Schweiz hat nach wie vor eine sehr erfolgreiche Exportindustrie in Bereichen, wo Innovation und Qualität wichtiger sind als der Preis. Zum Beispiel Pharma, Luxusgüter, Präzisionsmaschinen oder, eher überraschend, Kaffee, wo die Schweiz dank der innovativen Kapselsysteme weltweit zweitgrösser Exporteur ist. Diesen Schweizer «Sonderweg» kann Dorn auch bei der Entwicklung der Löhne zeigen. Während in den USA die Einkommen der ärmsten 10 Prozent seit 1980 zurückgingen, sind sie in der Schweiz im Gleichschritt mit mittleren und höheren Einkommen gestiegen. Auf der anderen Seite der Skala sind die Einkommen des obersten Prozents in beiden Ländern am stärksten gewachsen, in den USA jedoch doppelt so schnell wie in der Schweiz.
Wenn wir nach Europa schauen, stellt sich die Frage, weshalb sich die Dinge in Deutschland anders entwickelt haben als in der Schweiz. Dorn macht dafür den Lohndruck aus Osteuropa und die Schwächung der Gewerkschaften verantwortlich, während in der Schweiz die Arbeitnehmenden und das Kleingewerbe möglicherweise einen gewissen «Konkurrenzschutz» geniessen, weil die Schweizer Löhne auch an aus dem Ausland entsendete Arbeiter bezahlt werden müssen, die in der Schweiz arbeiten.
«Die Automatisierung gibt uns die Gelegenheit, uns in Bereichen zu spezialisieren, wo wir besser sind als die Maschinen.»
Nir Jaimovich, Ökonom
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