Grün fürs Gehirn

Die leise rauschenden Blätter, die sanften Grüntöne, der erdige Geruch: Wer kennt nicht das wohlige Gefühl, das ein Spaziergang im Wald auslöst? Entsprechend alt ist der Glaube an die Heilkraft der Bäume. Im Mittelalter behandelte man Entzündungen mit Baumrinde und rieb sich gegen Kopfschmerzen mit grünen Blättern ein. 1845 schrieb Henry David Thoreau das Buch «Walden» über sein Leben fern jeder Zivilisation, das bis heute Aussteiger auf der ganzen Welt inspiriert.

In Japan ist Shinrin-Yoku, «Waldbaden», als therapeutische Massnahme bis heute weit verbreitet: Ärzte, Businessfrauen, Angestellte gehen täglich im Wald spazieren und atmen tief durch, um gesund zu werden oder bleiben. Sie berichten über Verbesserung verschiedener psychischer und körperlicher Probleme. Shinrin-Yoku wird deshalb in Japan sogar von der Regierung empfohlen. Dieses Phänomen hat auch die Wissenschaft neugierig gemacht, und die Forschungsergebnisse sind beeindruckend. Ein Forscherinnenteam aus San Francisco hat ganze 64 Studien identifiziert, die die positive Wirkung eines Aufenthalts im Grünen untersuchen. Zu profitieren scheinen das Immunsystem, das Herz, die Atmung – und zahlreiche psychische Beschwerden wie Depression, Ängste und Aufmerksamkeitsstörungen.

Eine natürliche Apotheke

Nicht alle Effekte kann man sich erklären, aber die Beobachtungen selbst sind unumstritten. Einen wichtigen Beitrag leisten die Duftstoffe, die Bäume aussondern; sogenannte Phytonzide. Die Bäume produzieren sie, um Ungeziefer von sich fernzuhalten – und schrecken damit auch Bakterien ab, die uns Menschen gefährden. Die Phytonzide von Nadelbäumen haben ähnliche Effekte wie Antibiotika. Das Immunsystem wird gestärkt, der Wald wird zu einer Art natürlichen Apotheke. An der Ludwig-Maximilians-Universität München wird zurzeit untersucht, ob ähnliche Effekte sogar die Lungenkrankheit COPD und chronische Gelenkschmerzen verbessern können.

Ein besonders spektakulärer Nachweis ist einem japanischen Forscherteam gelungen: Nachdem sich eine Gruppe von Probanden zwei Tage lang insgesamt sechs Stunden im Wald aufhielt, war die Zahl von Killerzellen in ihrem Blut um 50 Prozent höher als sonst. Killerzellen sind Zellen des Immunsystems, die kranke Zellen, auch Krebszellen, erkennen und vernichten. Dieser Effekt war nach dem Experiment noch einen ganzen Monat lang deutlich messbar. Die Forschergruppe betont, dass es noch vieler Forschung bedarf. Aber die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Spaziergang im Wald sogar zur Krebsprävention beiträgt.

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