Auf das Schuljahr 2016/17 wurde die Pflichtlektionenzahl der Aargauer Mittelschullehrpersonen für ein Vollpensum um eine Lektion erhöht. An dieser vom Grossen Rat beschlossenen Abbaumassnahme entzündete sich eine Diskussion über die Belastung im Lehrberuf an den Mittelschulen. Obwohl es bereits Studien zum Thema gibt, sind für eine fundierte Debatte aktuelle Zahlen aus den Aargauer Mittelschulen nötig. Da die Kantonsregierung keine Arbeitszeiterhebung ins Auge fasste und ein entsprechender Vorstoss im Grossen Rat abgelehnt wurde, hat der AMV im Schuljahr 2016/17 selbst Daten erfasst, um die Diskussion über Belastung, Arbeitszeit und Berufsfeldverteilung an den Mittelschulen datengestützt, realitätsnah und stufengerecht führen zu können.

Die Anstellung der Lehrpersonen im Kanton Aargau basiert auf einem Jahresarbeitszeitmodell. Die Soll-Jahresarbeitszeit der Lehrpersonen (1924 Arbeitsstunden im Schuljahr 2016/17) wird auf der Basis einer durchschnittlichen 42-Stunden-Arbeitswoche mit einem altersabhängigen Ferienanteil von 25 bis 30 Tagen berechnet. Rund 60 Lehrpersonen aargauischer Kantonsschulen nahmen an der Erhebung der Jahresarbeitszeit durch den AMV teil und erfassten vom 1. August 2016 bis zum 31. Juli 2017 detailliert ihre tatsächlich geleistete Arbeitszeit, um diese mit der Soll-Jahresarbeitszeit zu vergleichen. Die Jahrgänge der Teilnehmenden reichen von 1956 bis 1990 und decken praktisch das gesamte Dienstaltersspektrum ab. Auch die verschiedenen Fachbereiche und Tätigkeitsfelder wurden durch die Studie adäquat erfasst.

Die Auswertung der Studie finden Sie auf der Verbandswebseite www.a-m-v.ch im Bereich Publikationen unter DOWNLOADS. Die wichtigsten Ergebnisse hier in aller Kürze:

  • • Von den rund 60 teilnehmenden Lehrpersonen haben drei Viertel die Soll-Jahresarbeitszeit überschritten. Rund die Hälfte wies dabei eine Jahresarbeitszeit von 110% der Soll-Arbeitszeit und mehr aus. Über alle 60 Teilnehmenden gerechnet lag die tatsächlich geleistete Arbeitszeit bei durchschnittlich rund 114% der Soll-Jahresarbeitszeit. Hochgerechnet auf ein Vollpensum entspricht dies einer Überstundenzahl von rund 260 unbezahlten Arbeitsstunden, oder anders ausgedrückt: einer Überzeit von sechs regulären Arbeitswochen pro Jahr.
  • • Massive Überschreitungen der Jahresarbeitszeit kommen überproportional häufig bei Teilzeitanstellungen vor. Eine Abhängigkeit der geleisteten Jahresarbeitszeit vom Alter, vom Dienstalter, vom Unterrichtsfach oder vom Schulstandort konnte nicht festgestellt werden.
  • • Der zeitgemässe Unterricht sowie die Beratung und die Betreuung von Schülerinnen und Schülern erfordern an den Mittelschulen in Folge der Erhöhung des Pflichtpensums bereits 100% der Soll-Jahresarbeitszeit.

Diese Zahlen machen deutlich, dass der Erhalt der Qualität des Gymnasiums infolge der Abbaumassnahmen der vergangenen Jahre einen hohen Preis erfordert, den die Lehrpersonen mit ihrem Engagement und langfristig mit ihrer Gesundheit bezahlen. Die Lehrpersonen stehen damit nicht alleine da. Mit grosser Besorgnis beobachten wir, wie ähnliche Entwicklungen auch in anderen öffentlichen Bereichen immer häufiger Schlagzeilen machen. Im Rahmen von Sparmassnahmen oder unter dem Deckmantel von Flexibilität und Effizienzsteigerung werden die Arbeitsbedingungen sukzessive verschlechtert. Umso wichtiger ist es, dass ein Umdenken im politischen Diskurs stattfindet.

Wir wünschen uns einen Kanton Aargau, der seine Angestellten ernstnimmt, ihre Arbeit für den Kanton wertschätzt und nach tragbaren Lösungen sucht, die weder dem öffentlichen Betrieb noch der Gesundheit der Kantonsangestellten nachhaltig schadet. Nur ein gesundes Bildungssystem kann unseren Schülerinnen und Schülern den Unterricht bieten, den sie verdient haben!

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