«Der Berg gibt den Takt vor»

Interview mit Erich Aschwanden, Projektleiter Infrastruktur beim Amt für Betrieb Nationalstrassen im Kanton Uri

Können Sie uns ein aktuelles Projekt beschreiben?

Ja gerne. Wie erwähnt hat im Dezember 2018 über der Axenstrasse im Bereich Zingel ein Felsabbruch stattgefunden. Das Ereignis zerstörte einen Teil der Schutzbauwerke (Steinschlagschutzbauwerke) und verschüttete die Trafostation sowie den Weg der Schweiz. Die Trafostation liegt rund 70 Meter über dem See und ca. 150 Meter unter der obersten Felskante. Rund 80 Meter über der Trafostation sind teils massive Felsblöcke aus dem Fels gebrochen und haben die Trafostation darunter teilweise zerstört. Die Fahrbahn selbst wurde zum Glück nicht beeinträchtigt. Es war aber nicht klar, ob noch weitere Felsstücke abbrechen und auf die Fahrbahn gelangen könnten. Die Trafostation stellt die Stromversorgung der Schaltanlagen und des Lichts sicher, weshalb man Sofortmassnahmen einleiten musste.

Danach haben wir mit einem Geologen das Ausmass des Felsabbruchs überprüft. Einzelne abgebrochene Felsblöcke waren so gross wie Autos.

Der Weg der Schweiz, der unterhalb der Abbruchstelle durchführt, war ebenfalls betroffen, er ist bis heute gesperrt und kann in nächster Zeit auch nicht geöffnet werden; es führt nun eine Umleitung durch den Tunnel. Das Galeriedach wurde zum Glück nicht beschädigt, es weist eine sehr robuste Bauweise auf. Glücklicherweise lag der Ort des Haupteinschlages beim Tunnelportal. Es hat deshalb den Gewölbebereich erwischt und nicht die Galerie selbst.

Auf den Bildern sieht man, dass wir die Fahrbahn mit einer Bretterwand schützen mussten, weil es immer wieder zu kleinen Nachbrüchen kommen kann und über einen längeren Zeitraum die Gefahr bestand, dass Steine auf die Fahrbahn gelangen bzw. fahrende Autos treffen könnten.

Wie haben Sie diesen Felsabbruch überprüft?

Vom Helikopter aus sah man nicht genau, ob und wo noch Gefahrenpotenzial bestand. Deshalb haben wir die Abbruchstelle vor Ort am hängenden Seil besichtigt: Ich bin zusammen mit einem Geologen und einem Unternehmer mit Felsspezialisten auf einer Höhe von 250 Metern über dem See los  und wir haben uns langsam nach unten bis zur Strasse abgeseilt. Ich habe genügend Respekt vor solchen Einsätzen, aber keine Angst.

Wie ging es dann weiter?

Vier Personen haben während drei Wochen die Felswand gereinigt und absturzgefährdetete Steine entfernt, damit wir überhaupt an die beschädigte Stelle herankommen konnten; teilweise lösten sich bei den Felsräumungsarbeiten riesige Felspakete. Hierfür war unter anderem ein Verkehrsdienst auf dem See notwendig, welcher den Gefahrenperimeter dort überwachte, da die Felsstücke aufgrund der sehr hohen Fallhöhe bis zu 250 Meter weit in den See hinausgeschleudert werden konnten.

Sobald das Galeriedach vollständig geräumt und das Ausmass des Schadens bekannt ist, wird ein Massnahmenprojekt erstellt und die Arbeiten zur Instandsetzung werden ausgeschrieben.

Sie scheinen ein sehr vielfältiges Arbeitsgebiet zu haben?

Ja, das ist so. Man muss einerseits über bautechnisches Wissen verfügen, und andererseits wissen, wie man korrekt submittiert. Mir gefällt diese abwechslungsreiche Arbeit sehr, und meine bisherige Berufserfahrung hilft mir bei der Erfüllung dieser Aufgaben.

Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Ich habe ursprünglich eine handwerkliche Ausbildung gemacht. Ich bin gelernter Maurer und habe danach die Polierschule besucht sowie die eidgenössische Prüfung abgelegt. Nach 10-jähriger Tätigkeit als Polier habe ich in die Planung gewechselt und bin seither als Bauleiter tätig.

Dank meines beruflichen Werdegangs konnte ich beide Seiten miterleben und sowohl ausführungstechnisch als auch planerisch sehr viel Erfahrung sammeln. Das ermöglicht mir, extrem viel Know-how von beiden Seiten einzubringen. Das macht meine Arbeit sehr spannend.

Meine Erfahrung hilft mir auch, wirtschaftlich gute Lösungen zu erkennen und umzusetzen. Es ist eine der grössten Herausforderungen, unter dem Aspekt die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten, ohne dass die Kosten aus dem Ruder laufen.

War für den Wechsel in die Planung noch eine Weiterbildung notwendig?

Nein. Meine praktische Ausbildung mit eidgenössischer Prüfung ermöglichte mir den Wechsel in ein Ingenieurbüro. Die Aufgaben als Projekt- und Bauleiter in der Planung sind vergleichbar mit den Aufgaben als Polier in einer Unternehmung.

Gestützt auf die damalige Stellenausschreibung suchte das Ingenieurbüro einen «Bauleiter/ Polier». Diese Kombination traf perfekt auf mich zu. Es handelte sich um ein Ingenieurbüro, das rund 120 sehr gute Ingenieure beschäftigte, dem aber die Praktiker fehlten. Sie suchten deshalb explizit jemanden mit praktischer Erfahrung um diese Schnittstelle zu schliessen. Mein damaliger Vorgesetzter hatte meine Fähigkeiten technischer Natur erkannt und mich im Gegenzug bei den administrativen Aufgaben sehr gut unterstützt. Ich konnte viel von ihm lernen, da für die korrekte Durchführung eines Submissionsverfahrens viel Wissen und Erfahrung notwendig sind.

Welche Ausbildung ist für Ihre heutige Arbeitsstelle notwendig?

Das ist abhängig von der Vorbildung, also ob man von der Planungs- oder Handwerkerseite kommt. Notwendig ist eine Bauführer- oder Bauleiterausbildung an einer Technikerschule. Wir haben hier Mitarbeitende mit unterschiedlichen Ausbildungswegen.

Weshalb haben Sie vom Ingenieurbüro zum Kanton Uri gewechselt?

Ich war bei einem sehr guten Unternehmen tätig und hatte von dieser Seite her mit dem Amt für Betrieb Nationalstrassen zu tun. Als eine Stelle frei wurde, hat es mich gereizt, eine neue Herausforderung anzunehmen. Ich bin nun 50 Jahre alt und wollte die Gelegenheit nutzen, bevor es zu spät ist bzw. ein Wechsel immer schwieriger wird.

Wie lange arbeiten Sie schon hier?

Seit drei Jahren und mir gefällt es noch immer sehr gut. Der Wechsel war ein guter Entscheid. Natürlich muss man sich am neuen Ort wieder einarbeiten und sich in eine bestehende Organisation einfügen, aber ich kam hier in ein sehr gutes Umfeld und kann mich glücklicherweise relativ schnell an einem neuen Ort zurechtfinden und einbringen. Von daher verlief die Einarbeitungszeit gut, und ich kann heute wie bei meinem bisherigen Arbeitgeber wieder extrem selbstständig arbeiten. Das gefällt mir sehr gut, und ich kann so mein Potenzial am besten entfalten. Im Gegenzug trage ich die Verantwortung für meine Entscheidungen – das macht Freude und motiviert mich.

Arbeiten Sie vorwiegend im Büro oder draussen?

Das ist abhängig von der Projektphase, also ob es sich um die Planungs- oder Ausführungsphase handelt. Ich schätze, dass ich generell rund 80 Prozent im Büro und 20 Prozent draussen arbeite; es kann auch mal in Richtung 70:30 tendieren.

Wie kann man einen typischen Arbeitstag im Büro beschreiben?

Eine typische Tätigkeit ist die Bearbeitung der Mail-Flut. Es finden zudem regelmässig Projektsitzungen statt, je nach Projektphase mit Ingenieuren, Geologen oder interne Gespräche für abteilungsübergreifende Koordinationsaufgaben. Die Mitarbeiter des Betriebs müssen wissen, wann welche Projekte umgesetzt werden und ob spezielle Signalisationen benötigt werden. Während der Ausschreibungsphase eines Projekts nimmt die Aufarbeitung der Unterlagen für das Submissionsverfahren einige Zeit in Anspruch.

Teamarbeit ist sehr wichtig?

Ja, man muss unbedingt team- und kommunikationsfähig sein. Da hinter jedem Projekt ein grosses Konstrukt steht und viele Leute involviert sind, ist zudem Fingerspitzengefühl gefordert. Ausserdem muss die Kommunikation je nach Gesprächspartner bzw. Berufsgruppe angepasst werden.

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