Fachkräftemangel und hohe Teuerung sind die Kernindikatoren für die Lohnrunde 2024. Die Teuerung muss voll ausgeglichen werden, der Fachkräftemangel sagt etwas über das Verhältnis von Angebot und Nachfrage, was eine Reallohnerhöhung zur Folge haben muss. Unabhängig von diesen beiden Kriterien sind alle Arbeitgeber aufgefordert, die nicht ausgeglichene Teuerung 2023 und 2022 (diese lässt sich jetzt genau ermitteln) auszugleichen.
Anreizsysteme für mehr Attraktivität des öffentlichen Arbeitgebers gibt es zahlreiche. Die Aufgaben, die erfüllt werden, sind gut, in der Regel hochwertig. Die Mitarbeitenden arbeiten gerne für den Staat – das ist hier nicht die Frage. Die Lohnrunde fokussiert auf die Entschädigung. Die Entschädigung hat etwas mit Fairness zu tun, und sie ist nicht der einzige, aber ein Bestandteil auf dem Weg zu guten Mitarbeitenden.
Die simplifizierende Differenzierung zwischen «Lohnerhöhung Ja» oder «Lohnerhöhung Nein» muss aufgegeben werden. Sie sagt nicht genug aus. Von einer Lohnerhöhung kann nur gesprochen werden, wenn man für die geleistete Arbeit wertmässig mehr bekommt. Reallohnerhöhung ist hier der Begriff. Die Teuerung gleicht aus, was die Inflation an Wert genommen hat. Beträgt die Inflation 2.5 %, dann ist die nominelle Anhebung des Lohns um diese 2.5% keine Lohnerhöhung. Es wird nur die bisherige Regelung wertmässig weitergeführt.
Kein Schulterklopfen
Es kann sich also kein Arbeitgeber auf die Schulter klopfen, wenn er dem Personal die Teuerung ausgleicht. Der Mitarbeitende oder die Mitarbeitende verdient dann nämlich genau gleich viel wie zuvor. Und das nicht einmal ganz: Die Teuerung wird erst am Ende des Jahres ermittelt und für das Folgejahr ausgeglichen. Damit hat man die Teuerung tatsächlich für ein Jahr kreditiert, ausgeglichen wird dieses Jahr logischerweise nie.
270’000 offene Stellen (!) im ersten Quartal 2023, das ist die schweizerische Bilanz gemäss Zürcher Jobradar. Eine erfreuliche Ursache dieser Situation ist: Es gibt viel zu tun. Aber die Arbeitskräfte fehlen. Das wird nicht besser, sondern schlimmer. In den nächsten 10 Jahren werden die geburtenstarken Jahrgänge pensioniert, das sind 1 Million Mitarbeitende. Es rücken die geburtenschwachen Jahrgänge nach, das sind nicht einmal halb so viele.
Will sich die öffentliche Verwaltung richtig positionieren, und daran haben die Mitarbeitenden ebenfalls ein Interesse, dann müssen die Anstellungsbedingungen stimmen. Zu den Anstellungsbedingungen gehört auch der Lohn. Wer jetzt noch darüber diskutiert, wieviel Prozent der Teuerung er auszugleichen beabsichtigt, hat etwas grundsätzlich nicht verstanden. Die Teuerung ist Werterhaltung und ist auszugleichen. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt muss dazu führen, dass Reallohnerhöhungen angeboten werden – und zwar für alle.
Die bisherigen Mitarbeitenden werden benachteiligt
Dafür gibt es einen guten Grund: Sucht der öffentliche Arbeitgeber neues Personal, wird er es nur bekommen, wenn er einen guten Anfangslohn bietet. Reiht er den neuen Mitarbeiter oder die neue Mitarbeiterin regelhaft in das Lohnband ein, wird er den Bewerber oder die Bewerberin zurzeit wohl nicht verpflichten können. Der öffentliche Arbeitgeber wird sein Ermessen bei der Bestimmung des Anfangslohns zugunsten der Neueintretenden nutzen und höher einreihen. Damit werden alle bisherigen Mitarbeitenden benachteiligt, ausgerechnet diejenigen, die während Jahren treu waren, was sich durch Zubau an Erfahrung für den öffentlichen Arbeitgeber sehr positiv auswirkt.
Die Konsequenzen aus diesem Mechanismus sind gravierend. Der Mitarbeitende, der sieht, dass sein neu eintretender Kollege mehr verdient als er selbst, trotz gleicher Qualifikation und gleicher Stellung, der wird nicht zufrieden sein. Er wird erkennen, dass ein Stellenwechsel hin zu einem neuen Arbeitgeber in jedem Fall mit mehr Lohn verbunden ist. Wieso will man diesen Kreislauf in Gang setzen? Und wieso will man die Mitarbeitenden, die sich dem öffentlichen Arbeitgeber in überdurchschnittlichem Ausmass verpflichtet fühlen, bestrafen?
Nicht nur Geld, auch Flexibilitäten und Weiterbildung
Parallel zur Entschädigung wird man sich Anderes überlegen müssen, um die Attraktivität des Arbeitsplatzes zu schärfen. Lohnnebenleistungen, kürzere Arbeitszeiten, andere Arbeitszeitmodelle, Teilzeitarbeit, Arbeitsort und andere Flexibilisierungen sind anzubieten. Man darf sich auch die Frage stellen, ob man nach ausgebildeten Mitarbeitenden sucht oder ob es beim bestehenden Fachkräftemangel nicht besser ist, die Mitarbeitenden selbst auszubilden. Hier ist auf Solidarität zu setzen. Solidarität meint, dass man damit rechnen muss, dass Mitarbeitende ihren Job wechseln, man bekommt von anderen öffentlichen Arbeitgebern, was man auch selbst gibt – das hat zur Konsequenz, dass Aus- und Weiterbildungen nicht durch scharfe Rückzahlungsklauseln verhindert werden dürfen.