In einem im September 2021 ergangenen Urteil musste sich das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit der Kündigung einer langjährig angestellten Fachlehrperson, aufgrund eines angeblich mangelhaften Verhaltens im Zusammenhang mit der Ausübung einer Nebentätigkeit als Sexualberaterin und -therapeutin, beschäftigen.
Sachverhalt
A. war seit 1999 mit einem Teilzeitpensum an einer Schule als Fachlehrperson tätig. Nachdem A. im März 2019 aufgrund ihrer guten Mitarbeiterbeurteilung seitens ihrer Arbeitgeberin für die nächsten vier Jahre Stufenanstiege gewährt wurden und man sich bei ihr für ihr grosses Engagement bedankte, löste die Anstellungsbehörde das Arbeitsverhältnis Ende März 2019 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auf. Hintergrund war, dass A. ihre Arbeitgeberin Mitte März 2019 darüber informierte, dass sie ein Diplomlehrgang als Sexualtherapeutin absolviert habe, sich weiter zur Sexualberaterin und -therapeutin ausbilden lasse und auch beabsichtige, künftig als solche, auf selbstständiger Basis, im Rahmen einer Nebenbeschäftigung tätig zu sein.
Einige ihrer Schülerinnen und Schüler hätten die zu diesem Zweck erstellte Website entdeckt, weswegen A. darum bat, dass den Schülerinnen und Schülern auf deren Nachfrage hin in Ruhe erklärt würde, dass es sich dabei um eine rein therapeutische Arbeit handle. Anlässlich eines am Tag darauf geführten Gesprächs wurde A. mitgeteilt, dass die Schule die Auffassung vertrete, die Nebentätigkeit als Sexualtherapeutin lasse sich nicht mit ihrer Tätigkeit als Volksschullehrerin vereinbaren. Es bestünde die Gefahr, dass die Klassenführung darunter leide und ihre Autorität untergraben werde.
Aus diesem Grund wurde A. vor die Wahl gestellt, ihre (künftige) Nebentätigkeit aufzugeben, zu kündigen oder gekündigt zu werden. Nach einigen Tagen gab A. auf Nachfrage hin an, zwar lieber selber kündigen zu wollen, aber in Anbetracht dessen, dass sich ihre selbstständige Tätigkeit als Therapeutin erst im Aufbau befinde, darauf angewiesen sei, dass ihr gekündigt werde. Die Kündigung erfolgte prompt: Die Schulpflege löste das Anstellungsverhältnis mit Verfügung vom 26. März 2019 unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auf. Nachdem der gegen die Kündigung erhobene Rekurs von der Bildungsdirektion Ende 2020 abgewiesen wurde, gelangte A. mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht.
Entscheid
Das Verwaltungsgericht hält zunächst fest, dass die fragliche Nebenbeschäftigung in den Schutzbereich der in Art. 27 der Bundesverfassung (BV) verankerten Wirtschaftsfreiheit falle. Die Wirtschaftsfreiheit gewährleistet insbesondere die freie Wahl des Berufes sowie den freien Zugang zu einer privatwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit und deren freien Ausübung. Ein mit dem Verbot einer Nebenbeschäftigung einhergehender Grundrechtseingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage und muss durch ein öffentliches Interesse gerechtfertigt sowie verhältnismässig sein (vgl. Art. 36 BV).
Anders als die Bildungsdirektion als Vorinstanz sah das Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall kein ausreichendes öffentliches Interesse, welches die Kündigung rechtfertigen würde. Die von A. im Rahmen ihrer Nebenbeschäftigung angebotenen Dienstleistungen seien weder mit erotischen Darstellungen noch mit einer (vulgären) sexuellen Sprache beworben worden. Auch könne davon ausgegangen werden, dass Schülerinnen und Schüler einer Sekundarschule die Nebenbeschäftigungen, welche Aktivitäten wie Atemübungen, Bodyscan, Gespräche, Körperreisen, Meditation, (Selbst-)Berührung und Stimmcoaching beinhalte, korrekt einzuordnen vermögen würden; zumindest nach entsprechender Aufklärung Auch sei nicht ersichtlich, dass die Glaubwürdigkeit oder die Autorität von A. aufgrund ihrer Nebentätigkeit gelitten hätte – auch diesbezüglich würdigte das Gericht das Alter der von A. unterrichteten Sekundarschülerinnen und -schülern. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung sei insgesamt nicht ersichtlich, inwiefern die Schulpflege aufgrund der Reaktionen der Schülerinnen und Schüler habe darauf ausgehen dürfen, die (künftige) Nebentätigkeit sei grundsätzlich dazu geeignet, ihre Klassenführung zu beeinträchtigen sowie ihre Autorität und Glaubwürdigkeit zu untergraben.
Letztlich erweist sich die ausgesprochene Kündigung aus Sicht des Gerichts auch als unverhältnismässig. Zumal mit der ausgesprochenen Kündigung gerade nicht das mildeste Mittel gewählt wurde, um den befürchteten Autoritäts- und Glaubwürdigkeitsverlust von A. und den negativen Einfluss auf das Ansehen der Schule massgeblich zu reduzieren bzw. zu minimieren. So hätte es nach gerichtlicher Auffassung ohne Weiteres ausgereicht, wenn A. im Rahmen ihres Internetauftritts und ihrer Eigenwerbung auf Begrifflichkeiten wie «Sexualität» o. Ä. verzichtet hätte, wozu sie sich ohne Weiteres bereit erklärt habe.
Insgesamt sei die Schulpflege zu Unrecht davon ausgegangen, dass A. beabsichtigte, in ihrer Freizeit einer unzulässigen Nebenbeschäftigung nachzugehen bzw. man hätte ihr mit Blick auf den verfassungsmässigen Schutz der Wirtschaftsfreiheit nicht verbieten dürfen, diese auszuüben. Die Kündigung erfolgte daher grundlos bzw. ohne einen sachlichen Kündigungsgrund.
MLaw Lea Sturm,
Rechtsanwältin