Glosse. Dass man diese Glosse lesen sollte, versteht sich ja von selbst. Wenn Sie wissen wollen, warum solche Selbstverständlichkeit eigentlich ein guter Grund wäre, sie nicht zu lesen – lesen Sie sie doch.
Unsere Zeit ist eine Zeit der Blödwörter. Ein Blödwort ist eine Wendung, die von viel zu vielen Menschen viel zu oft gebraucht wird. Das Wort viel wäre also das Blödwort des vorherigen Satzes, der eben ganz schön viel viel enthält; viele sagen ja vielfach, viel werde viel zu viel gebraucht. (Viele werden inzwischen gemerkt haben, was ich meine.) Ein besonders blödes Blödwort ist selbstverständlich, das, so scheint es, schon immer überall war – ganz ohne Internet. Selbstverständlich muss der Lastwagen dieses Piepsgeräusch machen, schliesslich sind in diesem Nebenquartier der Aarauer Altstadt an einem Dienstagabend um neun Uhr extrem viele Leute unterwegs. Und nein, selbstverständlich stört mich das Piepsen auch nicht beim Schreiben und ich rege mich selbstverständlich auch nicht auf und selbstverständlich ist dieser Satz zu lang und ja, liebe Redaktion, selbstverständlich kürze ich ihn, wenn ich dazu komme.
Selbstverständlich erkläre ich aber zuerst, weshalb mich das Wort selbstverständlich so stört. Es behauptet nämlich, ein Sachverhalt verstünde sich von selbst und aus sich selbst heraus. Sobald es um Selbstverständliches geht, muss folglich kein Mensch mehr darüber nachdenken, warum etwas ist, wie es nun einmal ist. Gemein: Selbstverständliches muss dabei nicht einmal mit dem Wort selbstverständlich markiert werden. (Daran erkennt man Blödwörter übrigens auch, sie wurzeln immer in einem glibbrigen Alltagswissen, von dem man kaum weiss, dass man es weiss.) Viele sagen das Wort also nicht einmal so oft, sondern leben es einfach und, eben, selbstverständlich.
Ein Beispiel: Im Aargau gab es kürzlich ein Diskussiönchen. Eine wichtige, überregionale Zeitung berichtete nämlich, eine grössere Umweltschutzorganisation habe in einem Dorf Bauland gekauft, um zu verhindern, dass jemand da etwas baut. Der Skandal dabei ist – ja, was eigentlich? Das Land wurde rechtmässig erworben und dient jetzt dem Schutz der Umwelt, denn Tiere gibt es vor allem, wo keine Menschen, Häuser, Strassen sind. (Und in Fleischfabriken, selbstverständlich, aber dort gibt es dafür besonders viele auf besonders wenig Raum. Toll.) Wo liegt also das Problem beim fraglichen Landkauf? Selbstverständlich im Selbstverständnis jener Menschen, die sich am Gedanken stören, es könnte einen Flecken Erde geben, der nicht irgendwann von ihnen oder von ihresgleichen bewohnt wird. Und selbstverständlich haben sie recht, weil die Bundesverfassung ja ein Einfamilienhüsli im Grünen garantiert. Diesen Artikel gibt es selbstverständlich wirklich, gucken Sie nach, und Sinn macht er auch, denn wenn es Bauland hat, muss darauf selbstverständlich auch gebaut werden. Darum hat die Natur überhaupt Bauland wachsen lassen. Versteht sich ja von selbst.