Vaterschaftsurlaub – die Schweiz hinkt europaweit hinterher

Ein Blick über die Grenzen

Europa geht mit gutem Beispiel voran

Zehn Tage bezahlten Vaterschaftsurlaub für alle Väter Europas – dieses Recht garantiert eine neue EU-Richtlinie, die am 1. Juli 2019 in Kraft getreten ist. Sie bezweckt die Einführung von EU-weiten Mindeststandards zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und will auch Anreiz sein, dass sich Väter vermehrt um die Betreuung ihrer Kinder kümmern. Gleichzeitig könnte so auch die Beschäftigung von Frauen bzw. Müttern angehoben werden. Die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht obliegt allerdings den einzelnen Mitgliedsländern – dies dürfte Zeit, mitunter einige Jahre, in Anspruch nehmen. Daneben steht es den einzelnen Ländern frei, auch weitergehende Regelungen zu erlassen oder die Vorgaben mit bestehenden Ansprüchen, etwa bei der Elternzeit, zu vermengen – das ist mit ein Grund, weshalb die familienpolitische Gesetzgebung innerhalb der EU-Staaten erheblich variiert.

Dennoch: In vielen europäischen Ländern ist der Vaterschaftsurlaub schon heute gesetzlich verankert. Den Spitzenplatz nimmt Finnland ein, das Vätern nach der Geburt ihres Kindes 9 Wochen Urlaub gewährt, gefolgt von Spanien, Slowenien und Litauen mit je 4 Wochen und Portugal mit 3 Wochen. Bei allen anderen Mitgliedstaaten liegt der Vaterschaftsurlaub bei 1 bis 2 Wochen, mit Griechenland als Schlusslicht, das werdenden Vätern nur gerade mal 2 freie Tage gewährt. Überhaupt keinen Vaterschaftsurlaub kennen Deutschland, Österreich, Luxemburg, Kroatien und die Slowakei. In diesen Ländern gibt es jedoch einen Elternurlaub, den sich die Eltern flexibel, also nach Wunsch und der Situation gemäss, aufteilen können.

Individuelle Lösungen

Unbestritten ist, dass die europäischen Mitgliedstaaten der Schweiz in Sachen Vaterschaftsurlaub – und mehr noch beim Elternurlaub – voraus sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die bereits erwähnten länderspezifisch individuellen Lösungen einen unmittelbaren Vergleich nicht ganz einfach machen.

Nebst der Anzahl gewährter freier Tage nach der Geburt eines Kindes, steht grundsätzlich immer auch die Frage nach der Entschädigung im Raum. Es ist als sehr fortschrittlich zu werten, dass in den allermeisten Ländern Europas der Vaterschaftsurlaub zu 100 Prozent entlöhnt wird. Davon weichen Schweden (80 Prozent), Slowenien (90 Prozent), Lettland (80 Prozent), Zypern (72 Prozent), Tschechien (70 Prozent) und Bulgarien (90 Prozent) ab. In Finnland wiederum herrscht diesbezüglich eine variable Regelung, abhängig von den spezifischen Umständen und dem Einkommen beider Eltern. In der Regel liegt hier die Entschädigung bei etwa 70 Prozent des Einkommens.

Angesichts der unterschiedlichen Gesetzgebungen innerhalb der EU und einer ganzen Reihe an länderspezifischen Sonderregelungen, sollen hier vier beliebig ausgewählte Länder beispielhaft die Spannweite europäischer Bestimmungen und die jeweils geltenden Ansprüche bezüglich Vaterschaftsurlaub aufzeigen.

Deutschland: Unser nördliches Nachbarland kennt keinen Vaterschaftsurlaub, hingegen eine Elternzeit. Sie wird Eltern während maximal 14 Monaten bezahlt. Vater und Mutter steht es zu, diese Zeit nach Belieben untereinander aufzuteilen. Eine Einschränkung gibt es dennoch: Je Elternteil müssen mindestens zwei Monate und höchstens zwölf Monate bezogen werden. Das Elterngeld variiert nach Einkommen: Bei höheren Einkommen beträgt es 65 Prozent des Nettolohns, bei tieferen Einkommen bis zu 100 Prozent.

Österreich: Auch Österreich kennt keinen gesetzlichen Anspruch auf Vaterschaftszeit. Väter haben aber Anspruch auf 28 bis 31 Tage unbezahlten Vaterschaftsurlaub, während dem sie einen Familienzeitbonus von rund 700 Euro erhalten. Unabhängig von diesem «Familienmonat» haben Eltern während maximal 36 Monaten ein Kinderbetreuungsgeld zugute, wobei es hier verschiedene Modelle gibt. Bei den vier pauschalen Kinderbetreuungsgeld-Modellen ist die Bezugsdauer relevant, der sogenannte Zusatzverdienst beträgt hier maximal 34 Euro pro Tag, beim einkommensabhängigen Modell sind es maximal 66 Euro pro Tag.

Frankreich: Nach dem 16-wöchigen Mutterschaftsurlaub dürfen die Eltern einen einjährigen «Erziehungsurlaub» beziehen. Dieser wird zwar nicht bezahlt, beinhaltet dafür aber eine Arbeitsplatzgarantie. Er kann zweimal erneuert werden; die maximale Bezugsdauer beträgt somit 36 Monate. Daneben gibt es auch einen 11-tägigen Vaterschaftsurlaub während vier Monaten ab der Geburt, der in der Höhe des Mutterschaftsgeldes entschädigt wird.

Schweden: Der skandinavische Staat kennt eine Elternzeit von 480 Tagen. Dabei müssen Mütter und Väter zwingend je 60 Tage beziehen, den Rest können sie sich aufteilen. Jeder Elternteil hat zudem Anspruch auf unbezahlten Urlaub, bis das Kind 18 Monate alt ist. Die Elternzeit kann auch bei teilzeitlichen Arbeitsanstellungen bezogen werden. Dabei erhalten die Eltern während den ersten 390 Tage 80 Prozent des Bruttolohns, danach während 90 Tagen rund 60 Euro pro Tag.

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