Mobbing und missbräuchliche Kündigung

Der Begriff des Mobbings ist im schweizerischen Recht nicht definiert. Arbeitsplatzkonflikte oder feindselige Verhaltensweisen stellen nicht automatisch Mobbing dar. Unter welchen Umständen Mobbing vorliegt und unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung dadurch missbräuchlich wird, wird im vorliegenden Beitrag eingehend behandelt.

Allgemeines zum Mobbing
Bei Feindseligkeiten oder lang andauernden Unstimmigkeiten steht der Vorwurf von Mobbing bald einmal im Raum. Mobbing liegt aber nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitskonflikt oder eine schlechte Arbeitsatmosphäre besteht. Im Gesetz wird allerdings nicht definiert, welches Verhalten als Mobbing gilt. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts wird Mobbing als systematisches, feindliches, über einen längeren Zeitraum anhaltendes Verhalten, mit dem eine Person an ihrem Arbeitsplatz isoliert, ausgegrenzt oder gar von ihrem Arbeitsplatz entfernt werden soll, definiert. Das Erteilen von Weisungen, die sachlich nicht nachvollziehbar sind und lediglich als Schikane erscheinen, sind charakteristisch für Mobbing.

Die Definition von Mobbing durch die Rechtsprechung zeigt, dass Mobbing durch einen Zweck gekennzeichnet ist und lässt sich dadurch von einem allgemein schlechten Arbeitsklima abgrenzen. Mobbing liegt nur dann vor, wenn eine eindeutige Täter- / Opferbeziehung feststellbar ist. Ein wechselseitiger Konflikt ohne klare Täter- / Opferzuschreibung schliesst die Annahme von Mobbing in der Regel aus.

Mobbing kann insbesondere in fünf Formen vorkommen:

  • Angriff auf die Möglichkeit, sich mitzuteilen: nicht ausreden lassen, unterbrechen, anschreien, Informationen vorenthalten.
  • Angriff auf die sozialen Beziehungen: allgemeine Kontaktverweigerung, ignorieren, ausgrenzen, isolieren.
  • Angriff auf das soziale Ansehen: lächerlich machen, Gerüchte streuen, Sticheleien, Beleidigungen, abschätzige Bemerkungen.
  • Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation: schikanöse und erniedrigende Arbeiten zuweisen, ungerechtfertigte Kritik, Entziehen von wichtigen Aufgaben.
  • Angriffe auf die Gesundheit: Androhung von körperlicher Gewalt, Tätlichkeiten, sexuelle Belästigung.

Die folgenden Handlungen stellen kein Mobbing dar:

  • Unangemessenes Führungsverhalten des Vorgesetzten nicht nur gegenüber einem einzelnen, sondern gegenüber mehreren Arbeitnehmern
  • Eindringliche Aufforderung gegenüber einem Arbeitnehmer unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen, dass dieser seinen Arbeitspflichten nachzukommen hat
  • Drucksituationen am Arbeitsplatz infolge Zielsetzungen oder Unterkapazitäten beim Personal
  • Kritik an der Arbeitsleistung

Zeit als entscheidender Faktor
Das Opfer ist oft in einer Situation, wo jede Einzelhandlung unter Umständen als zulässig zu beurteilen ist, jedoch die Gesamtheit der Handlungen zu einer Destabilisierung des Opfers und bis zu dessen Entfernung vom Arbeitsplatz führen kann. Bei Mobbing geht es somit nicht um eine einzelne Handlung, sondern um eine Vielzahl von Einzelakten über einen längeren Zeitraum, die als Gesamtheit betrachtet als Persönlichkeitsverletzung zu qualifizieren sind.

Schutz vor Mobbing als Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Art. 328 OR sieht die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers vor, die Persönlichkeit der Arbeitnehmer zu achten und zu schützen sowie auf dessen Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Der in Art. 328 OR erwähnte Persönlichkeitsschutz umfasst gemäss Lehre und Rechtsprechung auch den Schutz vor Mobbing. Bei der Fürsorgepflicht handelt es sich nicht nur um eine Unterlassungspflicht, wonach der Arbeitgeber Mobbing selber zu unterlassen hat. Vielmehr ist der Arbeitgeber verpflichtet, einen Arbeitnehmer vor persönlichkeitsverletzenden Eingriffen von Vorgesetzten, Arbeitskollegen und Dritten zu schützen. Der Arbeitgeber muss zum Schutz der Gesundheit und persönlichen Integrität des Arbeitnehmers alle notwendigen, angemessenen und ihm zumutbaren Schutzmassnahmen treffen. Solche Schutzmassnahmen können insbesondere sein:

  • Aufstellen von Verhaltensregeln/Zielvereinbarungen
  • Erteilen von Weisungen an den Mobbingtäter
  • Interne oder externe Schlichtungsbemühungen
  • Umstellen der Arbeitsabläufe
  • Versetzungen
  • Verwarnungen
  • Aussprechen von Kündigungen

Sofern der Arbeitgeber notwendige, angemessene und ihm zumutbare Schutzmassnahmen unterlässt, verletzt er seine Fürsorgepflicht. Eine solche kann jedoch nur vorliegen, wenn der Arbeitgeber über das Mobbing informiert ist und keine Schutzmassnahmen ergreift.

Missbräuchliche Kündigung in Konfliktsituationen
Bei Kündigungen in einer Konfliktsituation ist Vorsicht geboten. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Kündigung eines vom Konflikt betroffenen Arbeitnehmenden als missbräuchlich zu qualifizieren, wenn der Arbeitgeber zuvor nicht die notwendigen und zumutbaren Massnahmen zur Entschärfung des Konflikts ergriffen hat.

Missbräuchliche Kündigung bei Mobbing
Eine Kündigung des Arbeitgebers in einer Mobbingsituation kann unter gewissen Umständen missbräuchlich sein. Das Vorliegen von Mobbing bedeutet nicht automatisch, dass die Kündigung missbräuchlich ist. Es müssen stets die Folgen des Mobbings untersucht werden. Dies hat das Bundesgericht in einem aktuelleren Entscheid vom 23. August 2022 dargelegt (vgl. Urteil des Bundesgerichts 4A_215/2022). In diesem Entscheid ging es um einen Arbeitnehmenden aus Kamerun, welcher von einem anderen Mitarbeiter immer wieder rassistisch angegangen wurde. Der Arbeitgeber hatte vom Mobbing Kenntnis und nichts dagegen unternommen. Der Arbeitnehmende wurde wegen des psychischen Drucks während mehrerer Monate arbeitsunfähig. Aufgrund dessen wurde ihm gekündigt. Die Kündigung wurde vom Bundesgericht als missbräuchlich eingestuft.

Wenn das Mobbing beim Arbeitnehmer zu einem Leistungsabfall oder einem längeren krankheitsbedingten Ausfall führt und das Mobbing vom Arbeitgeber in Verletzung der Fürsorgepflicht nach Art. 328 OR toleriert wurde, dürfen diese Mobbingfolgen nicht dem Arbeitnehmer angelastet werden und zur Kündigung führen. Denn der Leistungsabfall oder die Arbeitsunfähigkeit wurde durch den Arbeitgeber verschuldet, indem er keine Schutzmassnahmen getroffen hat und somit seiner Fürsorgepflicht nach Art. 328 OR nicht nachgekommen ist. In diesem Fall liegt eine missbräuchliche Kündigung vor und dem Arbeitgeber droht eine Entschädigungszahlung in der Höhe von bis zu sechs Monatslöhnen. Zu beachten ist jedoch, dass eine Kündigung nur dann missbräuchlich ist, wenn der Arbeitgeber vom Mobbing Kenntnis hatte und nichts dagegen unternommen hat.

Fazit
Eine Verletzung der Persönlichkeit eines Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist nicht zwingend als Mobbing im rechtlichen Sinne zu qualifizieren. Nicht jede Schikane und nicht jeder Konflikt sind Mobbing. Mobbing liegt erst bei einer systematischen Wiederholung über eine längere Zeit vor. Eine missbräuchliche Kündigung liegt dann vor, wenn der Arbeitgeber einem von Mobbing betroffenen Arbeitnehmenden aufgrund dessen Leistungsabfall oder krankheitsbedingter Abwesenheit trotz Kenntnis der Mobbingsituation kündigt.

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