Zugbegleitdienst

Angespuckt und gewürgt – unsere deutschen Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst haben es auch nicht einfach

Seit fast 30 Jahren fährt René Bäselt von Berufs wegen Bahn. Er hat in dieser Zeit nicht nur zigtausende Kilometer zurückgelegt, sondern auch einiges einstecken müssen. Bäselt, der inzwischen als Zugchef im Fernverkehr der Deutschen Bahn tätig ist, wurde geschlagen, getreten, gewürgt, angespuckt und schwer beleidigt. Trotz allem kann er sich keinen interessanteren Beruf vorstellen. Nur eines, sagt er, störe ihn: «Es gibt kaum Leute, die im Notfall helfen.»

«Viele tragen ihre Maske. Es gibt auch welche, die sie erst im Zug aufsetzen oder wenn jemand guckt. Bei anderen hängt sie unterm Kinn, bis wir sie auffordern, Mund und Nase zu bedecken. Aber einen direkten Verweigerer hatte ich persönlich noch nicht», sagt René Bäselt.

«Ich weiss aber von Kolleginnen und Kollegen, die andere Erfahrungen gemacht haben, dass sie sich von der zusätzlichen Aufgabe, die geltenden Hygienevorschriften zu kontrollieren und die Maskenpflicht durchzusetzen, überfordert und alleingelassen fühlen», räumt der Berliner ein, der als Zugchef im Fernverkehr der Deutschen Bahn nicht nur die Verantwortung für die Fahrgäste in den IC- und ICE-Zügen trägt, sondern auch für sein mitreisendes Team.

«Tatsache ist, dass wir Zugbegleiter das Hausrecht der Bahn in den Zügen ausüben. Wir sind aber erstens keine Vollstreckungsorgane und zweitens viel zu wenige, um in einem gut besetzten Zug im Sinne der Gesundheit aller jene in die Schranken weisen zu können, die sich nicht an die Regeln halten.»

Die auch auf Druck seiner Gewerkschaft erfolgte Zusage der Bahn, Sicherheitspersonal zu engagieren, das die Maskenpflicht durchsetzen und Bussgelder erheben soll, hält Bäselt, der im GDL-Bezirk Nord-Ost den Arbeitskreis Zugbegleitdienst leitet und in dieser Funktion auch Mitglied des Bezirksvorstandes ist, für eine vernünftige Idee. «Bisher haben wir die angekündigte Entlastung aber noch nicht zu spüren bekommen», stellt er klar.

«Die Bahn scheint sich nicht immer bewusst zu sein, dass sie als Arbeitgeberin auch eine Fürsorgepflicht für ihre Beschäftigten hat», fügt der 50-jährige Berliner dann eher nachdenklich hinzu, «jüngstes Beispiel: die von der Bahn Ende Juli in den sozialen Medien verbreitete Denunzierungsaktion, in der unsere Fahrgäste aufgefordert wurden, Zugbegleitpersonal, das angeblich keine Maske trug oder die Durchsetzung der Maskenpflicht vernachlässigt haben soll, über einen bestimmten Link zu melden.

Weil es Proteste hagelte – auch seitens der GDL – wurde die Aktion ziemlich schnell wieder aus dem Netz genommen. Vom Wahrheitsgehalt einer solchen anonymen Anzeige einmal abgesehen, trägt so etwas nicht gerade dazu bei, dass die Beschäftigten sich mit ihrer Arbeitgeberin identifizieren, geschweige denn sicher fühlen.»

Übergriffe gab es schon immer

Dabei spielt gerade das Thema Sicherheit im Berufsalltag des Zugbegleitpersonals eine grosse Rolle. «Dass die Medien, die derzeit wieder verstärkt über gewalttätige Übergriffe auf Zugbegleiter berichten, einen Zusammenhang mit Corona herstellen und die Ursachen im Frust der Fahrgäste gegenüber den Hygienemassnahmen verorten, ist nachvollziehbar, trifft den Kern der Sache aber nur am Rande», gibt René Bäselt zu bedenken.

«Übergriffe hat es schon immer gegeben. Mich hat es in den 1990ern zum ersten Mal erwischt, als ich noch auf dem Interregio gefahren bin.» Damals war der Hardrockfan – von Statur und Körpergrösse kein Fliegengewicht – von vier Punks angegriffen, getreten und geschlagen worden. «Der Angriff ist in keiner Statistik vermerkt, weil ich nicht zum Arzt gegangen bin, obwohl ich am Schienbein und am Knöchel verletzt worden war. Ich habe den Vorfall am Ende der Schicht ins Dienstbuch des Disponenten eingetragen – und das war es.»

2017 traf es Bäselt erneut: «Bei einer Fahrkartenkontrolle im ICE ist ein Passagier ohne Ticket ausgerastet. Er hat mir das Handgelenk brutal überdehnt und hätte mir vermutlich die Hand gebrochen, wenn nicht ein kleiner, vermutlich arabischstämmiger Mann den Angreifer gepackt und so in den Griff genommen hätte, dass der sich so lange nicht mehr bewegen konnte, bis die Bundespolizei ihn abgeholt hat.»

Der Vorfall ereignete sich in einem voll besetzten Grossraumwagen, erinnert sich Bäselt. «Da sassen Kräftigere und haben zugeschaut, wie der mir ohne Vorwarnung an den Kragen gegangen ist. Es gibt leider kaum Leute, die helfen.»

Die Verletzung am Handgelenk war dann doch so erheblich, dass René Bäselt zum Arzt ging und eine Krankschreibung bekam. «Ich habe sogar Anzeige erstattet, aber nie mehr etwas gehört, da die betreffende Person, die einen Migrationshintergrund hatte, nirgendwo auffindbar war.»

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