Ohne die anderen sind wir nichts

Menschen und Affen sind soziale Wesen und als solche aufeinander angewiesen. Die gegenseitige Abhängigkeit sorgt für den Zusammenhalt. Gelegentlich kracht es trotzdem.

Diese Geschichte über die Menschen beginnt bei den Affen. Genauer bei unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen wie Schimpansen und Bonobos. Diese rasen gerne in Horden durch die Wälder. In der Wildnis sind manchmal bis zu 200 Schimpansen gemeinsam unterwegs, erzählt die Anthropologin Kathelijne Koops, manchmal sind es auch nur 20. Diese Form des Zusammenlebens nennt die Wissenschaft offene «Fission-fusion»-Gesellschaften, übersetzt Spaltungs-Fusions- Gesellschaften, bei denen sich Grösse und Zusammensetzung der Gruppen ständig verändert. Bei den Menschenaffen hängt das etwa davon ab, wie viel Futter es gibt und wie gefährlich und zahlreich die Feinde sind. Diese Form der flexiblen Geselligkeit gibt es auch bei anderen intelligenten Lebewesen wie den Delfinen.

Koops beobachtet die Menschenaffen, um mehr über ihr Sozialverhalten zu erfahren. Dieses ähnelt in vielen Aspekten dem unsrigen. Die Beobachtung der Affen erlaubt deshalb Rückschlüsse darauf, wie sich unser Verhalten entwickelt hat. So rotten sich unsere nächsten Verwandten aus dem gleichen Grund zusammen, wie es unsere Vorfahren taten: Sie erhöhen damit ihre Überlebenschancen oder mit Darwin gesprochen ihre Fitness: «Das Leben in der Gruppe bietet riesige Vorteile», sagt Kathelijne Koops, «es ist einfacher, Futter zu finden oder Feinde zu erkennen und sich gegen sie zu verteidigen.» Denn für die Affen gilt heute noch, was für die Steinzeitmenschen galt: «Wenn du alleine deinen Nachbarn über den Weg läufst, kann es sein, dass sie dich umbringen.»

Sicherheit und Anerkennung

Der ganz direkte Nutzen ist deshalb der stärkste Kitt der Beziehungen zwischen Affen. Dazu gehört etwa, sich bei Auseinandersetzungen innerhalb der Gruppe zu unterstützen, oder der Zugang zu Weibchen dank einer guten Beziehung zu einem höher gestellten Männchen. Wichtig für eine gute Beziehung zwischen Affen ist zudem, dass sie sich aufeinander verlassen können und sich grundsätzlich gut verstehen.

Die Analyse von Koops macht klar: Affen suchen sich Friends with Benefits – nützliche Freunde. Wie ist es bei uns Menschen? Auch bei uns gilt: Was uns zusammenbringt, was uns zusammenhält, sind gemeinsame Interessen und Bedürfnisse. Diese sind nicht nur materiell, sondern auch emotional. Der Soziologe Malte Döhne untersucht unter anderem Peer-Gruppen von Jugendlichen. Er nennt vier Dinge, die wir bei Freunden suchen: Sicherheit, Anerkennung, gegenseitige Bestätigung und neue Erfahrungen. «Die Chemie in einer Gruppe stimmt, wenn diese Bedürfnisse befriedigt werden können», sagt Döhne. Wenn das nicht mehr der Fall ist, verlassen wir die Gruppe und suchen eine andere, in die wir besser reinpassen.

Gleich und Gleich

Was bei Döhnes Zusammenstellung auffällt, ist, dass es bei zwei der vier Dimensionen – Anerkennung und gegenseitige Bestätigung – darum geht, von den anderen «gesehen» und akzeptiert zu werden. Das setzt voraus, dass wir ähnlich ticken. Döhne sagte es so: «Gleich und Gleich gesellt sich gern.»

Wie die Schimpansen bewegen wir uns in verschiedenen Gruppen, etwa bei der Arbeit, in der Freizeit oder beim Sport. Je nach Konstellation haben wir dabei unterschiedliche Rollen. Will heissen: «Was wir sind, wird durch jene definiert, mit denen wir zusammen sind. Ohne die anderen sind wir nichts», sagt der Psychologe Johannes Ullrich: Das gilt für die Zweierbeziehung genauso wie für die Familie, die Freunde und die Gesellschaft als Ganzes.

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