Ist es richtig, dass der öffentliche Arbeitgeber mit externen Anwältinnen und Anwälten auf seine eigenen Mitarbeitenden losgeht? Ist es richtig, dass der Arbeitgeber Staat den Mitarbeitenden sämtliche Kosten auferlegt? Ist es richtig, dass sich ein Mitarbeitender faktisch nicht mehr wehren kann, weil die Kostenrisiken immens sind. Wir glauben nein.
Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen sind nicht zu vermeiden. Früher hat der Staat seine Sache selbst vertreten, weil er auf viele Mitarbeitende, unter ihnen auch Juristinnen und Juristen, zurückgreifen konnte. Er hat es vermieden, externe Anwälte zu beschäftigen, um gegen seine eigenen Mitarbeitenden anzutreten. Diese Tugend ist vielerorts in Vergessenheit geraten. Man glaubt, berechtigt zu sein, den Mitarbeitenden mit Anwälten gegenüberzutreten, die zunächst aus der Staatskasse und deshalb mit Steuergeldern finanziert werden. Steuergelder nota bene, zu denen der betroffene Mitarbeitende ebenfalls seinen Beitrag geleistet hat. Bekommt der Mitarbeitende nicht recht, bezahlt er alles: die Verfahrenskosten, den Anwalt des Staates und die eigene Vertretung – ein ruinöses Szenario.
Eklatantes Ungleichgewicht
Das Ungleichgewicht zwischen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht, ist eklatant. Das stört manchen Arbeitgeber aber nicht mehr.
Erschwerend tritt hinzu, dass auch die verfahrensrechtlichen Regeln die Arbeitnehmenden im öffentlichen Dienst nicht mehr schützen. So werden etwa im Kanton Aargau Mitarbeitende von Gemeinden ohne die Möglichkeit eines Schlichtungsverfahrens direkt in das verwaltungsgerichtliche Klageverfahren verwiesen, wenn sie sich gegen eine unrechtmässige Entlassung wehren wollen.
Ein Klageverfahren heisst Kosten. Ein Klageverfahren heisst auch, dass man die Anwaltskosten der Gegenseite bezahlen muss, wenn man verliert. Gegenseite ist der Staat, der externe Anwälte miteinbezieht, obwohl dies gestützt auf die Fachkompetenz, über die er verfügt, nicht nötig wäre. Das Klageverfahren muss angestrengt werden, ohne dass vorher eine Schlichtungsverhandlung möglich wäre.
Damit wird der Arbeitnehmer bewusst ins Risiko gesetzt. Für ihn ist der Ausgang des Verfahrens nicht nur wegen der Streitsache an sich entscheidend, sondern auch mit Bezug auf die Kosten. Auf der anderen Seite setzt sich der Staat kostenintensiv zur Wehr, ohne grössere wirtschaftliche Risiken. Dieses Ungleichgewicht ist erheblich und störend und im Grunde genommen mit Blick auf die Rechtsgleichheit verfassungswidrig.
Im Kanton Glarus etwa beschäftigt der Kanton eine externe Zürcher Anwältin, um einen 59-jährigen, langjährigen Mitarbeitenden des Kantons zu demütigen. Der Mitarbeitende hat nota bene gar nichts falsch gemacht, sondern soll in Folge einer Reorganisation aus dem Amt entfernt werden. Weshalb es dann nötig ist, eine externe Anwältin zu verpflichten, um dem eigenen Mitarbeitenden klarzumachen, dass er eigentlich gar nichts kann, überflüssig ist und nicht mehr gebraucht wird, ist wenig einsichtig.
Dasselbe gilt für eine 63-jährige Lehrperson, die für eine mittelgrosse Stadt tätig war und sieben Jahre lang in befristeten Arbeitsverhältnissen gehalten wurde; danach wollte der Arbeitgeber nicht mehr verlängern und bediente sich eines externen Anwalts, um seine Interessen durchzusetzen. Mangels eines Schlichtungsverfahrens musste der betreffende Mitarbeitende direkt vor dem Verwaltungsgericht klagen. Bekommt der Mitarbeitende nicht recht, bezahlt er alles: seine eigene Vertretung, die Gerichtsgebühren, den externen Anwalt des ehemaligen Arbeitgebers (im erstinstanzlichen Verfahren musste der Mitarbeitende dem staatlichen Arbeitgeber bereits über CHF 16’000 ersetzen). Verliert der Arbeitgeber, bezahlt er auch, aber aus der Staatskasse: Die Vorgesetzten, die unrechtmässig entlassen haben, werden nicht in die Pflicht genommen. Bezahlen müssen sie schon gar nichts. Ist das richtig? Würden Sie sich unter diesen Umständen noch gegen Entscheide des Arbeitgebers wehren?
Kostenlose erstinstanzliche Verfahren
Die meisten öffentlichen Arbeitgeber verhalten sich fair. Es gibt aber einige, die dies nicht tun. Es ist deshalb gerechtfertigt, sich dahingehend zu engagieren, dass erstinstanzliche arbeitsrechtliche Streitigkeiten im öffentlichen Dienst nicht zu Kosten führen dürfen, egal ob sie nun auf dem verwaltungsinternen Beschwerdeweg oder in einem verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren ausgetragen werden. Die verfahrensrechtliche Organisation des Rechtsschutzes ist ohnehin nicht etwas, auf das der Mitarbeitende Einfluss hat.
Im privaten Arbeitsvertragsrecht gibt es die kostenlose Schlichtung bei staatlichen Behörden. Zudem sind die Verfahren bis zu einem Streitwert von (mindestens) CHF 30’000 kostenfrei – hinsichtlich der Parteikostenentschädigung sind die Kantone frei, zu regeln wie sie wollen. Das wird unter anderem damit begründet, dass der Arbeitnehmer in der Regel die schwächere Partei ist. Umso mehr müsste dies im öffentlichen Verfahrensrecht gelten. Der Staat verfügt über erhebliche Ressourcen und finanzielle Mittel, um solche Aufgaben zu lösen; im privaten Arbeitsvertragsrecht gibt es zahlreiche kleine Unternehmen, die wirtschaftlich schwach sind, teilweise sogar schwächer als der Arbeitnehmende selbst, und trotzdem gilt diese Regelung. Dass man den Staat finanziell vor seinen Mitarbeitenden schützen muss, ist keine nachvollziehbare Überlegung. Schwer erträglich ist auch, dass der betroffene Mitarbeitende in der Regel den Gegner mitfinanziert.
Eine sozialverträgliche Ausgestaltung des Rechtsschutzes ist deshalb dringend geboten. Dringend geboten ist auch, dass sich öffentliche Arbeitgeber wie etwa der Kanton Glarus, überlegen, ob es tatsächlich nötig ist, externe Anwälte zu beschäftigen, um einen 59-jährigen Mitarbeitenden in die Knie zu zwingen.