JAHRESBERICHT – RÜCKBLICK, ABER VOR ALLEM AUSBLICK

Rolle von «Öffentliches Personal Schweiz»

Die Rolle von «Öffentliches Personal Schweiz» bei den Verbänden vor Ort spielte sich bis anhin eher im Hintergrund ab. Mitgliederverbände konnten sich bei Fragen oder in schwierigen Situationen jederzeit an den Sekretär, aber auch an alle Geschäftsleitungs- und Vorstandsmitglieder wenden.

Um den Austausch zwischen den kommunalen und den kantonalen Verbänden vor Ort und «Öffentliches Personal Schweiz» zu verbessern und zu stärken, hat der Vorstand zudem beschlossen, den Kontakt und den Austausch viel aktiver zu suchen. Jedem Vorstandsmitglied wurde eine Region zugewiesen, in welcher er oder sie aktiv den Kontakt zu den Verbänden vor Ort sucht. Ziel ist, Anliegen und allfällige Problemfelder frühzeitig zu erfassen und bei Bedarf Hilfestellung anzubieten. Sei es bei rechtlichen oder sozialpolitischen Fragen, in finanziellen Notsituationen oder mittels Auftritten an Veranstaltungen, falls eine Situation ein härteres Vorgehen erfordert und sich eine aussenstehende Person einfacher exponieren kann.

Die engeren Kontakte sollen insbesondere bei kleineren Verbänden verhindern, dass sie ihre Auflösung ins Auge fassen, weil sie keine neuen Vorstandsmitglieder finden. In den letzten Jahren haben sich leider mehrere kleine Verbände aus diesen Gründen aufgelöst. Die Motivation, sich im Verband zu engagieren, war nicht mehr vorhanden – sei es aufgrund von frustrierenden Gesprächen mit den Sozialpartnern oder weil die Ansicht bestand, dass nun alles erreicht sei, was es zu erreichen gab. Doch es gibt keine Garantie für den Weiterbestand des Ist-Zustands und es liegt an den Verbänden, für den Erhalt guter und die Verbesserung bestehender Anstellungsbedingungen zu sorgen.

Auch im Jahr 2020 haben sich wieder zwei kleine Verbände aufgelöst. Die Pandemiesituation hat diese Tendenz verschärft, weil keine Generalversammlungen mehr stattgefunden haben, keine Vorstandssitzungen, keine Diskussionsrunden, keine Nachtessen unter Gleichgesinnten, keine Pensioniertenausflüge. Da hat sich der eine oder andere wohl gedacht, wofür braucht es uns denn überhaupt noch. Die Schlussfolgerung ist sehr unglücklich. Die Personalverbände vor Ort braucht es, um Einfluss zu nehmen und manchmal auch Druck auszuüben. Allein der Bestand eines Verbandes ist hilfreich – und oftmals vom Arbeitgeber auch gewünscht, damit er Ansprechpersonen hat.

Deshalb: Reden Sie mit uns, wenn sich solche Probleme abzeichnen.

Ein Beispiel aus diesem Jahr: Ein Verband beschäftigte sich mit der Auflösung und fragte bei uns nach den Kündigungsmodalitäten. Auf die Frage, weshalb man sich denn auflösen wolle, ob der administrative Aufwand zu gross geworden sei, wurde geantwortet, nein, das mache man gerne, aber all die rechtlichen Prüfungen bei der Ausarbeitung neuer Personalordnungen seien von einem kleinen Verband eben kaum zu leisten. Das ist keine berechtigte Sorge: Rechtliche Beurteilungen und Hilfestellungen bei Personalgesetzrevisionen übernimmt unser Sekretariat, also «Öffentliches Personal Schweiz».

Herausforderung – Arbeitsort und Arbeitszeit

Für dieses, aber auch das nächste Jahr sind die dominierenden Themen und Herausforderungen absehbar. Mit dem Ende der Homeoffice-Pflicht wird sich die Frage stellen, wie der öffentliche Arbeitgeber mit der Arbeitszeit und dem Arbeitsort umgehen wird – mehr Freiheiten und Selbstbestimmung oder alter Trott wie bis anhin?

Die Credit Suisse, auch nicht gerade ein kleiner «Wohlfühl-Arbeitgeber», macht es vor. Die Bank verspricht ihren Mitarbeitenden in diesen Tagen mehr Freiheiten und Selbstbestimmung; die Mitarbeitenden sollen im Team entscheiden können, wer wann im Büro arbeitet; die bis anhin verordnete Dauerpräsenz soll nach Covid-19 ausgedient haben. Hauptbegründung: Die Bank habe so pflichtbewusste und intelligente Mitarbeitende, die sehr wohl selbst entscheiden könnten, wie sie ihre Arbeit am effizientesten erledigen. Das hat Vorteile für beide: Die Mitarbeitenden werden sich sowohl für eine Lösung entscheiden, die der Bank gut dient, aber auch vorteilhaft ist für sie selbst. Das erachtete die Credit Suisse als eine Win-win-Situation. Physische Präsenz wird es dennoch geben, mindestens einmal pro Woche und abgesprochen mit anderen Teammitgliedern. Aber auch hier soll gelten: Das Team bestimmt, die Lösung soll hoch flexibel sein.

Der Pharmakonzern Novartis sieht Ähnliches vor; dort können die Mitarbeitenden nach dem Motto «choice with responsibility» ebenfalls eigenverantwortlich im Team entscheiden, wer welche Aufgabe wann und wo erledigt. Andere grosse Arbeitgeber haben vergleichbare Grundsatzentscheide getroffen. Diese Entwicklung macht nicht an unserer Grenze halt. Wie ein Blick zu unserer europäischen Dachorganisation CESI, welche sich intensiv mit dem Thema befasst, zeigt, werden diesbezüglich in einigen europäischen Ländern interessante Modelle entwickelt. Im Sinne der Übernahme von Best- Practice werden wir auch diese Entwicklung weiterbeobachten – und können dies auch problemlos, weil «Öffentliches Personal Schweiz» der CESI (Europäische Union der Unabhängigen Gewerkschaften) seit über 20 Jahren angehört (die CESI setzt sich für verbesserte Beschäftigungsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Europa und eine starke soziale Dimension in der EU ein; die besondere Stärke der CESI liegt im öffentlichen Sektor).

Als Personalverband werden wir darauf zu achten haben, dass der öffentliche Dienst bei dieser Entwicklung nicht aussen vor bleibt. Denn zu gross sind die politischen Unwägbarkeiten, die hier eine Rolle spielen. Vorurteile gegenüber dem öffentlichen Dienst sind geeignet, eine Entwicklung zu bremsen, welche die grossen Arbeitgeber in der Schweiz mit Überzeugung vorantreiben. «Öffentliches Personal Schweiz» wird in den nächsten Wochen ein Papier entwickeln, um die Vorstellungen unserer Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst zu konkretisieren und gegenüber den Arbeitgebern Stellung zu beziehen. Inhaltlich heisst das: Wir werden versuchen müssen, einen vergleichbaren Weg zu gehen, wie ihn die Privatwirtschaft vormacht. Der öffentliche Dienst ist nicht weniger motiviert wie der Mitarbeitende oder die Mitarbeitende in einer schweizerischen Bank. Man kann sogar die Auffassung vertreten, die Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst seien überdurchschnittlich treue Arbeitnehmende und der Aufgabenerfüllung stark verpflichtet. Weil das so ist, ist der Schritt hin zu Freiheit und Selbstbestimmung und damit Eigenverantwortung im Team umso dringender angezeigt.

Herausforderung Rechtsschutz

Es hat sich in den letzten Monaten deutlich gezeigt, dass der Rechtsschutz, den «Öffentliches Personal Schweiz» anbietet, ausserordentlich stark in Anspruch genommen wurde, und zwar so stark, dass wir hier auf der Kostenseite reagieren müssen. Die Verhandlungen mit dem Rechtsschutzversicherer werden wir in der 2. Hälfte dieses Jahres angehen, damit wir nach wie vor eine äusserst attraktive und trotzdem günstige Rechtsschutzversicherung anbieten können. Das wird keine einfache Sache, aber dank unserer guten Beziehungen zur AXA werden wir hier eine Lösung finden.

Herausforderung Mitgliederbindung

Es wurde bereits zu Beginn dieses Beitrags angesprochen: Der Kontakt zu unseren Mitgliedern ist wichtig, ausserordentlich wichtig. Wir werden deshalb mit aller Kraft diese Bindung vorantreiben müssen. Unsere Personalverbände vor Ort werden dies machen, aber auch wir als Dachverband «Öffentliches Personal Schweiz».

Wir werden dies mit zusätzlichen Angeboten und Weiterbildungen tun, wir werden aber auch die elektronischen Kanäle verstärken müssen und sind dabei auf Verbände und Mitglieder angewiesen. Dies wird eine grosse, intensive Aufgabe sein, die uns aber in eine Zukunft führen wird, in der wir schneller, unkomplizierter und kompakter reagieren können.

Fazit

Der öffentliche Dienst und unsere Personalverbände sind gestärkt aus der Pandemie hervorgetreten. Der öffentliche Dienst hat gezeigt, dass er auch unter widrigen Umständen geradezu stoisch und unbeirrt, aber den Herausforderungen entsprechend flexibel seine Aufgaben erfüllt. Er ist die tragende Säule in turbulenten Zeiten. Dar auf dürfen wir stolz sein. Die Mitarbeitenden im öffentlichen Dienst sind verantwortlich für diese Aufgabenerfüllung. Wir sind überzeugt, dass der öffentliche Arbeitgeber dies auch so sieht und zusammen mit uns Personalverbänden zukunftsorientierte Arbeitsmodelle entwickeln wird.

Für uns selbst gilt, dass wir unsere Organisation, wie dies auch unsere Arbeitgeber tun werden, so verfeinern müssen, dass schnelle Reaktionen und sehr gute Kommunikation möglich sind – und dies auch dann, wenn eine Bedrohungslage physische Veranstaltungen verunmöglicht. Das darf nicht an irgendwelchen Bedenken etwa über die Bekanntgabe von E-Mail-Adressen scheitern. Und wir werden darauf achten müssen, dass nicht unsere kleinen Verbände das Handtuch werfen, weil sie keine Nachfolger für die Verbandsleitung finden. Auch dafür ist die gute Kommunikation, aber auch der persönliche Kontakt wichtig.

Freuen wir uns auf diese Herausforderungen und nehmen wir sie gemeinsam an.

Urs Stauffer, Präsident

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