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Am 7. November 2022 trat Bundesrat Alain Berset an der PK-Netz-Tagung vor Stiftungsrätinnen und Stiftungsräten sowie Gewerkschaftsvertretenden auf. Er eröffnete seine Rede mit einem Zitat von alt Bundesrat Hans-Peter Tschudi: «Zweifellos würde niemand das 3-Säulen-System vorschlagen, wenn die Altersvorsorge in unserem Lande völlig neu aufgebaut werden müsste.» Damit war der Grundstein für eine kritische Debatte gelegt.
Im Dezember jährt sich die Verankerung des 3. Säulen-Systems in der Verfassung bekanntlich zum fünfzigsten Mal. Ein guter Zeitpunkt, zurückzuschauen und gleichzeitig auch den Blick auf die aktuellen Reformbestrebungen der 2. Säule zu richten.
Bevor Bundesrat Alain Berset ans Mikrofon trat, veranschaulichte die em. Geschichtsprofessorin Brigitte Studer eindrücklich, wie die Sozialpolitik die gesellschaftlichen Verhältnisse widerspiegelt, aber auch formt. Die Frauenarbeit sei im 20. Jahrhundert je nach Zivilstand durch sozialpolitische Massnahmen und normative Erwartungen ein- bis ausgegrenzt worden, was sich sowohl in der Struktur des Arbeitsmarkts und der Familie als auch in der Struktur der 2. Säule niedergeschlagen habe. Um den Gender Pension Gap aufzuheben, sei denn auch eine profunde Restrukturierung der 2. Säule notwendig, so die klare Botschaft von Studer.
Auch Bundesrat Alain Berset würdigte das 3-Säulen-System. Und auch er sieht Reformbedarf: Denn das Bild der 3 Säulen mit einem Dach – quasi ein Tempel – suggeriere Stabilität und Ausgeglichenheit, das entspreche aber für viele Menschen nicht der Realität. Das Versprechen der 3 Säulen werde für viele nicht eingelöst, immer noch mehr als 600 000 Personen haben keine 2. und 3. Säule. Was für ein Alter in Würde und ohne finanzielle Sorgen zähle, sei die gesamte Rente. Bundesrat Alain Berset honorierte den Sozialpartnerkompromiss und unterstrich in diesem Zusammenhang auch, wie zentral die Sozialpartnerschaft in der Altersvorsorge sei. Er appellierte an die Politik und die Sozialpartner, Verantwortung zu übernehmen. Eine mehrheitsfähige BVG-Vorlage müsse das Ziel bleiben. Dagmar Rösler, Präsidentin Lehrerinnen und Lehrer Schweiz LCH, sprach sich ebenfalls für den Sozialpartnerkompromiss aus. Sie erinnerte daran, dass den Frauen und allen Teilzeitbeschäftigten nach der AHV-Abstimmung viel versprochen wurde. Nun sollen sie aber gemäss dem aktuellen Vorschlag der SGK-S auf die notwendigen Rentenverbesserungen weiterhin Jahrzehnte warten – und bis dahin mit hohen Lohnabzügen konfrontiert sein.
Der ZV Öffentliches Personal Schweiz ist seit rund eineinhalb Jahren Teil des PK-Netzes, welches die Mitglieder von 17 Arbeitnehmerverbänden mit über 500 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in ihren PK-Anliegen vertritt und damit die umfassendste Organisation in diesem Bereich schweizweit ist. Die jährliche PK-Netz-Tagung ist selbst unter Fachleuten ein besonderes Ereignis und Ort intensiver Auseinandersetzung auf fachlicher wie auf politischer Ebene.
Brandaktuell von den Themen her, hochkarätig besetzt und straff durchgezogen, das sind die Markenzeichen der PK-Netz-Tagungen generell, und das alles hatte auch für die diesjährige Tagung volle Geltung. Das 3-Säulensystem begeht seinen 50. Geburtstag, Grund zum Feiern? Ja klar, ein geniales Gebilde, aber angesichts des mit dem gesellschaftlichen Wandel und der demografischen Entwicklung offensichtlichen Reformbedarfs kein Grund, um bei den bisherigen Lösungen stehen zu bleiben. Aktuell steckt die gesetzliche Regelung der zweiten Säule mitten in den parlamentarischen Beratungen, aber verschiedene gordische Knoten sind weit davon entfernt, gelöst werden zu können, so dass sich reihum Desillusionierung breit macht, dass ein tragfähiger Kompromiss erzielt werden könnte. Zu weit auseinander liegen die Meinungsfronten, wie dies bereits an unserer Tagung in Brunnen deutlich geworden war. Der Weg ist noch sehr steinig bis zum Finden einer tragfähigen Lösung.
Inflation erzeugt im Rentenbereich Druck auf die Forderung der Rentenanpassung, was zur Erfüllung wiederum ein starkes Stück Solidarität in der zweiten Säule voraussetzt. Steigende Zinsen sind zunächst einmal Gift für die zu tiefen Zinsen getätigten Anlagen und bewirken erst in der Refinanzierung zu höheren Zinsen einen gewissen Ausgleich gegenüber einer fortschreitenden Inflation. Die jüngsten wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen bestärken das PK-Netz in seiner Forderung, dass zugunsten der Rentenbezüger ein Leistungsziel zu verfolgen ist.
Der Besuch von Bundesrat Berset war eine starke Referenz an die Bedeutung der Tagung ebenso wie generell des PK-Netzes an sich. Einmal mehr hat zudem Eliane Albisser der Tagung ihr organisatorisches Gesicht gegeben: Sie hat sie geprägt mit dem Engagement führender Exponenten und dem Geschick, das sehr dichte Programm auf Kurs zu halten und gleichzeitig aber auch dem persönlichen Austausch Raum zu lassen. Wir freuen uns schon aufs nächste Mal.
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