Die Rechnung 2020 der Stadt St. Gallen ist erfreulich gut: Sparhysterie ist genauso unangebracht wie eine Steuerfusssenkung.
Unter diesem Titel erschien am 19. März 2021 ein Artikel im «St. Galler Tagblatt» zur Rechnung der Stadt St. Gallen.
Dies, nachdem uns immer wieder «gepredigt» wurde, über Lohnerhöhungen etc. könne nicht diskutiert werden, da die Rechnung im nächsten Jahr ein Minus ausweisen werde – das mit dem «nächsten Jahr» hören und lesen wir nun schon etwa seit 10 Jahren!
Die Rechnung 2020 der Stadt St. Gallen reiht sich nahtlos ein in eine jahrzehntelange Serie, in der einzelne Ausnahmen die Regel bestätigen: Sie schliesst deutlich besser als budgetiert. Das überrascht insofern, als 2020 als das (erste) Corona-Jahr in die Geschichte eingehen wird, als ein Jahr, in dem nicht wie üblich gewirtschaftet und konsumiert werden konnte und viele Hilfspakete geschnürt werden mussten.
Die massive Besserstellung der Rechnung 2020 gegenüber dem Budget hat mehr als einen Grund: Die Stadtverwaltung hat im vergangenen Jahr kostenbewusst gearbeitet; es wurde deutlich weniger investiert als geplant, was zu weniger Abschreibungen geführt hat; ein Landabtausch mit der Ortsbürgergemeinde hat einen grossen Buchgewinn beschert; bei den Nachsteuern gab es erfreuliche Überraschungen.
Die Auswirkungen, welche die COVID-19-Pandemie auf den Haushalt der Stadt wegen schwindender Steuereinnahmen haben wird, sind noch nicht bezifferbar. Sie zeichnen sich allmählich ab und werden erheblich sein. Vor diesem Hintergrund ist eine Senkung des Steuerfusses unangebracht – auch wenn eine solche wohl bald ein politisches Thema werden könnte. Die Unsicherheiten, die die Corona-Pandemie auslöst, sind viel zu gross.
Aber: Genauso unangebracht ist Aktionismus, wie sie FDP-Stadtparlamentarier Andreas Dudli mit der Forderung nach einem Entlastungsprogramm an den Tag legt. Die Finanzlage der Kantonshauptstadt ist solide; das Eigenkapital, das mit knapp 100 Millionen Franken dotiert ist, kann einige Defizite ausgleichen, sofern diese denn Realität werden. Unangebracht sind auch Tariferhöhungen wie etwa bei der Musikschule, mit der viele Einwohner verärgert werden.
Vorsicht ist die Mutter der Stadtkasse. In weiser Voraussicht, lange bevor Corona da war, schnürte der Stadtrat das Sparpaket «Fokus25», um den Haushalt jährlich um bis zu 30 Millionen Franken zu entlasten. Es umfasst gut 150 Massnahmen. Mehr braucht’s nicht.
Gleichzeitig wird aber schon wieder über weitere Sparmassnahmen verhandelt:
Sparpaket? Der FDP-Parlamentarier Andreas Dudli meint Ja
und warnt vor einem «finanziellen Debakel».
In einer Einfachen Anfrage will der St. Galler FDP-Stadtparlamentarier Andreas Dudli vom Stadtrat wissen, ob er bereit ist, ein Entlastungsprogramm auszuarbeiten. Denn die finanziellen Aussichten für die Stadt St. Gallen seien alles andere als rosig.
Andreas Dudli macht sich grosse Sorgen, wenn er die Finanzplanung der Stadt St. Gallen für die nächsten Jahre anschaut. Und der FDP-Stadtparlamentarier findet, dass diese Situation jetzt thematisiert werden muss. Er hat darum diese Woche eine Einfache Anfrage eingereicht mit dem Titel «Abwendung eines Finanzdebakels – Wann reagiert der Stadtrat mit einem Entlastungsprogramm?».
Dudli beruft sich auf die Finanzplanung im Budgetbericht 2021. Für das laufende Jahr rechnet die Stadt von einem Defizit von 30 Millionen Franken (Anmerkung: «schon wieder!!»). Doch damit nicht genug: Der Blick in den Finanzplan zeige, schreibt Dudli in seinem Vorstoss, dass der Stadtrat im Jahr 2022 von einem weiteren Defizit von knapp 70 Millionen und in den Folgejahren von rund 60 bis 65 Millionen Franken ausgehe.
Den finanziellen Spielraum erhalten
«Diese Zahlen dürften so von Gesetzes wegen nicht budgetiert werden, da wir gemäss diesem Finanzplan bereits im Jahr 2022 das Eigenkapital der Stadt aufgebraucht haben werden», schreibt Dudli. Dieses betrage derzeit noch rund 90 Millionen Franken. «Es brennt. Eigentlich ist es schon zu spät», sagt Dudli auf Anfrage.
«Wenn wir weiterhin finanzpolitischen Spielraum haben wollen, müssen wir jetzt handeln.»
Und damit meint er: den Finanzhaushalt der Stadt entlasten. Das kann man auf verschiedene Arten machen. Entweder man erhöht die Einnahmen, etwa durch eine Anpassung des Steuerfusses. Oder man schraubt bei den Ausgaben und spart. Für Dudli ist klar: «Wir müssen sparen.» St. Gallen gehöre beim Steuerfuss schon heute zu den Schlusslichtern im Kanton. Der Stadtparlamentarier sieht dort darum keinen Spielraum.
Dudli fordert ein konkretes Sparziel
Der Kanton sei finanziell in einer ähnlich schwierigen Situation, schreibt Dudli weiter. Die Kantonsregierung habe daher im Februar 2021 ein Entlastungsprogramm von 60 Millionen Franken vorgeschlagen, welches das Kantonsparlament auf 120 Millionen erhöht habe. Auch die Stadt müsse nun handeln, findet der FDP-Politiker. Konkret will er vom Stadtrat wissen, ob er bereit sei, wie der Kanton ein Entlastungsprogramm auszuarbeiten, das «konkrete einzusparende Summen» beinhaltet.
Zudem fragt er, ob sich der Stadtrat – allenfalls im Projekt «Fokus25» – ein konkretes Ziel vorgibt, wie viel er einsparen will und wie hoch dieses Ziel ist. «Es braucht ein Sparziel, eine konkrete Zahl, damit man dann Massnahmen ergreifen kann», sagt Dudli. Unter dem Namen «Fokus25» führt die Stadt seit Juni 2019 eine Aufgaben- und Leistungsüberprüfung durch, um das strukturelle Defizit zu beseitigen. Dudli betont:
«Davon ist nun aber nichts zu merken, wenn man sich das Budget 2021 vor Augen führt.»
Vor diesem Hintergrund möchte er wissen, wie der Stadtrat auf dieses «bevorstehende finanzielle Debakel» zu reagieren gedenkt. Es brauche jetzt Antworten, findet Dudli. Im Herbst, wenn die nächste Budgetsitzung des Stadtparlaments nahe, sei es zu spät dafür. «Stadtpräsidentin Maria Pappa muss nun öffentlich sagen, was sie tun will.»
Die nächsten Verhandlungen der Verbände mit der Stadt werden erst im Juni 2021 stattfinden – sicher ist dabei, dass eine weitere Nullrunde unsererseits nicht hingenommen werden kann.