Wer im Kanton Aargau öffentlich-rechtlich angestellt ist, darf nicht zugleich ein Grossratsmandat annehmen. Dies gilt unter anderem aktuell auch für Lehrpersonen der kantonalen Schulen, jedoch sinnvollerweise nicht für Lehrpersonen der Volksschule, die durch die Gemeinden an den Schulen vor Ort angestellt sind.
Seit der Einführung des Gesetzes über die Anstellung von Lehrpersonen (GAL) vor immerhin gut fünfzehn Jahren werden aber auch die Lehrpersonen der kantonalen Schulen von der Schule vor Ort und nicht direkt vom Kanton angestellt (GAL §6 Abs. 2: Die Schulleitungen stellen die Lehrpersonen an). In diesem Licht wirkt das Beharren der Regierung auf der Ungleichbehandlung der Lehrpersonen an kantonalen Schulen spitzfindig und unzeitgemäss. Dass so zudem mit einem fadenscheinigen Argument die Rechtsgleichheit der Aargauer Bürgerinnen und Bürger ausgehebelt wird, sollte zu denken geben. Die Lehrpersonen der kantonalen Schulen sind weder Beamte, noch haben sie eine leitende Funktion innerhalb einer kantonalen Behörde inne. Interessenkonflikte gibt es nicht mehr als zum Beispiel bei Gemeindeammännern oder bei Inhabern von im Kanton Aargau ansässigen Firmen. Nicht umsonst sieht die Geschäftsordnung des Grossen Rats für solche Fälle eine Offenlegung der Interessenbindungen und einen Ausstand bei Interessenkonflikten vor.
Aus Sicht des AMV ist die Einschränkung der Grundrechte im Besonderen der Mittelschullehrpersonen somit nicht angemessen und verstösst gegen die Kantonsverfassung, § 8 Abs. 2: Für Personen, die in einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis zum Staate stehen, dürfen die Grundrechte zusätzlich nur so weit eingeschränkt werden, als es das besondere öffentliche Interesse erfordert, das diesem Verhältnis zu Grunde liegt.
uletzt ist festzuhalten, dass der Kanton von einer Lockerung der Unvereinbarkeitsklausel eigentlich nur profitieren kann. Mit den Lehrpersonen der kantonalen Schulen könnte nämlich eine Berufsgruppe politisch mitarbeiten, die schon heute in allen grösseren Parteien vertreten ist und sich gesellschaftlich vielseitig engagiert. Eine Verzerrung des politischen Spektrums ist daher nicht zu erwarten, dafür bekämen noch mehr interessierte, gut ausgebildete Bürgerinnen und Bürger jenen breiten Zugang zur Politik, der unser direktdemokratisches System so dynamisch, produktiv und dabei ausgeglichen macht. Sinnvoll reguliert ist mehr Teilnahme gut für eine funktionierende Demokratie – ganz im Gegensatz zur rechtlich fragwürdigen Ungleichbehandlung engagierter Bürgerinnen und Bürger.
Die Regierung hat in den letzten Monaten gleich zwei parlamentarische Vorstösse für eine Lockerung dieser Unvereinbarkeitsklausel für gewisse Kantonsangestellte abgelehnt. Den angeführten Begründungen begegnet man angesichts der oben aufgeführten Argumente in einem Rechtsstaat mit Kopfschütteln. Im Wortlaut der Beantwortung des Postulats: «Es muss vermieden werden, dass ein Mitglied des Grossen Rats aufgrund seiner politischen Ansichten und Verpflichtungen gegenüber dem Kanton als Arbeitgeber in Loyalitätskonflikte geraten könnte und dadurch seine Aufgabenerfüllung in negativer Weise beeinflusst wird.»
Genau dafür gibt es Ausstandsklauseln. Die Regierung sieht allerdings noch ein weiteres Problem: Wo soll die Trennlinie gezogen werden? Wer darf gewählt werden, wer nicht? 15 von 19 Deutschschweizer Kantonen haben hierfür Lösungen gefunden. Wir sind zuversichtlich, dass dies auch dem Kanton Aargau gelingt.