«Deep Work» verleiht der Arbeit Sinn

Fachtagung Brunnen 2018

Gesetzliche Grundlage

Die wichtigste gesetzliche Grundlage für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden ist das Arbeitsgesetz, dessen Fokus ursprünglich auf physische Belastungen gerichtet war. Obwohl noch immer schwere belastende Arbeiten im Vordergrund stehen, erfuhr das Gesetz bis zur heutigen Fassung eine Ausdehnung auf Dienstleistungsbereiche. Der Schutz vor Stress und psychischen Belastungen ist jedoch nach wie vor nur grob geregelt.

Das Arbeitsgesetz wurde für die Privatwirtschaft erlassen und ist für die öffentliche Verwaltung nur teilweise anwendbar, das heisst, nur im Bereich des Gesundheitsschutzes – und auch dort gibt es Ausnahmeregelungen.

Die öffentlichen Personalerlasse sind deshalb die wichtigste gesetzliche Grundlage für den Gesundheitsschutz des öffentlichen Dienstes. Für Angestellten in Gemeindeverwaltungen kommen die unterschiedlichen kommunalen Erlasse zu Anwendung; sie beinhalten jedoch – im Gegensatz zum Bundespersonalgesetz und den Erlassen der meisten Kantone – selten Normen zum Gesundheitsschutz. Verweisen sie nicht auf kantonales Recht, steht kommunalen Angestellten als rechtliche Grundlage «nur» die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zur Verfügung. Diese ist quasi das Gegenstück zur Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber.

Der Umfang der Fürsorgepflicht muss im konkreten Einzelfall festgelegt werden, so Klingler. Es muss beurteilt werden, ob eine Massnahme zur Verbesserung der Arbeitssituation nach der Erfahrung und im Hinblick auf das einzelne Arbeitsverhältnis zumutbar ist oder wäre. Tätigkeitsimmanente Belastungen sind hinzunehmen, der Arbeitgeber kann hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Es dürfen jedoch keine Belastungen toleriert werden, die erfahrungsgemäss physische oder psychische gesundheitsschädigende Auswirkungen haben.

Pflichten des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, zum Schutz der Gesundheit seiner Arbeitnehmenden alle Massnahmen zu treffen, die nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes angemessen sind. Er hat im Weiteren die erforderlichen Massnahmen zum Schutze der persönlichen Integrität der Arbeitnehmer vorzusehen.

Der Arbeitgeber hat insbesondere die betrieblichen Einrichtungen und den Arbeitsablauf so zu gestalten, dass Gesundheitsgefährdungen und Überbeanspruchungen der Arbeitnehmer nach Möglichkeit vermieden werden. Das heisst, er muss für ergonomisch und hygienisch gute Arbeitsbedingungen sorgen, Beeinträchtigungen durch physikalische, chemische oder biologische Einflüsse sowie übermässige oder allzu einseitige Beanspruchungen vermeiden und für eine geeignete Arbeitsorganisation sorgen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat diesbezüglich in einem kürzlich ergangenen Entscheid festgehalten, dass der Arbeitgeber Arbeitsplätze und Arbeitssysteme so an seine Mitarbeitenden anzupassen hat, dass sie keine negativen Auswirkungen auf ihre Gesundheit haben. Es sind also die Arbeitsbedingungen an die Menschen anzupassen und nicht umgekehrt. Führt die dauernde Anwesenheit in einer Arbeitsorganisation zu gesundheitlich negativen Auswirkungen, muss der Arbeitgeber deshalb prüfen, ob die Anordnung von Home Office verhältnismässig ist.

Was tun bei gesundheitsschädigenden Arbeitsbedingungen?

Führt ein Gespräch mit den Vorgesetzten bzw. der Anstellungsbehörde nicht zu einer Besserung, stehen betroffenen Arbeitnehmenden nur diejenigen Möglichkeiten offen, welche in dem im konkreten Fall anwendbaren Personalerlass vorgesehen sind. Der oder die betroffene Arbeitnehmende muss entweder eine Klage oder ein Begehren um Erlass einer anfechtbaren Verfügung einreichen.

Wenn ein Schaden aufgrund von gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen bereits eingetreten ist, bleibt nur die Kündigung oder ein Staatshaftungsverfahren.

Das Referat von Herrn Klingler als Download.

100 Jahre Landesstreik

Die Auseinandersetzung mit dem Landesstreik ist enorm wichtig, weil es damals um fundamentale Fragen ging, die auch heute noch von Bedeutung sind. Die Bewertung der damaligen Ereignisse muss aber unter Berücksichtigung der Fakten und tatsächlichen Verhältnisse jener Zeit erfolgen, erläuterte Historiker Jürg Stüssi-Lauterburg den Teilnehmenden der Fachtagung.

«Es war keine goldige Zeit, obwohl damals noch mit Goldmünzen bezahlt wurde», führte Stüssi in das Jahr 1912 zurück. Es war das Jahr, in dem die Bahn auf das Jungfraujoch eröffnet wurde; es war auch das Jahr, in dem Kaiser Wilhelm II. vor Ort gezeigt wurde, dass er nicht über die Schweiz nach Frankreich vorstossen kann. Es war eine patriotische Zeit damals. Und es war eine Zeit der Selbsthilfe. So wollte das Parlament 1913 kein Geld für Militärflieger zusprechen worauf das Volk über 1 Million Franken zusammentrug und dem Bund für die Gründung der Luftwaffe aufgenötigte. Ein Schwyzer Kavallerist wurde als Chef der Luftwaffe ernannt; er war selbst Pilot und rückte – wie ein Grossteil der Soldaten – mit seinem eigenen Flugzeug ein.

Es war auch die Zeit, in der die Soladten ihren Angehörigen kunstgraphische Karten schickten, weil sie keine Ansichtskarten nach Hause schicken durften (Hintergrund: geheimer Standort). Briefe oder Karten waren die einzige Möglichkeit, sich bei ihnen zu melden; Telefon hatten die Menschen bei sich zu Hause nicht.

Stüssi führte weiter durch die Geschichte ins Jahr 1914 als General Wille als Oberbefehlshaber der Armee gewählt wurde. Die Frauen waren in die Armee integriert und leisteten Dienst beim Roten Kreuz. Die Schweiz hat sich als Insel verstanden. Aber nicht als Insel von Egoisten, leistete sie doch wertvolle Dienste im humanitären Bereich, indem sie den Austausch von verletzten französischen und deutschen Soldaten über die Schweiz ermöglichte.

Es war eine Zeit, in der Freiwillige grosse Arbeit leisteten, führte Stüssi weiter durch die damalige Zeit. Es wurden Soldatenstuben gegründet, welche die Not milderten, wenn auch nur punktuell, aber immerhin. Das Hauptproblem war die viel zu spät eingeführte Lebensmittelrationierung. Die Schere zwischen Lebensmittelpreisen und Löhnen wurde immer grösser und es wurde nichts dagegegen unternommen. Frauen mussten stundenlang Schlange stehen, um Lebensmittel zu bekommen und viele mussten mit leeren Händen nach Hause zurückkehren, weil einfach nicht genug für alle da war.

1918 grassierte die spanische Grippe, welche unzählige Tote forderte; verglichen mit heute, starben damals rund 100 Mal so viele Menschen wie im Jahr 2017 in Verkehrsunfällen, so Stüssi. Vom Ausmass der Grippe und der Ansteckungsgefahr erzählten ihm Augenzeugen: Der Gemeinderat einer Aargauer Gemeinde wollte Gottesdienste verbieten, um die Ansteckungsgefahr zu verringern. Helfer in den kurzfristig errichteten Notspitälern setzten sich aufopferungsvoll für die Kranken ein – und stecken sich selbst an.

Vor diesem Hintergrund ist der Landesstreik von 1918 zu sehen, erklärte Stüssi. Das Oltner Aktionskomitee rief am 9. November 1918 zum Proteststreik auf, weil Bundesbern in den Städten die Militärpräsenz erhöhte. Gewerkschaften und Verbände waren zum Streik durch die damalige Bundesverfassung legitimiert. Erst mit dem Bundesgesetz von 1927 wurde den Bundesbeamten das Streikrecht aberkannt. Die damaligen Parlamentarier hatten die Vorkommnisse von 1918 im Hinterkopf und wollten einen ähnlichen Aufstand vermeiden. Heute besteht dieses Streikverbot nicht mehr.

Das Oltner Aktionskomitee verlangte am 11. November 1918 Reformen im gewerkschaftlichen und sozialpolitischen Bereich, stellte kriegsbedingte und politische Forderungen und verlangte ultimativ eine Neuwahl des Nationalrates. Der Streik begann am 12. November 1918.

Wie angespannt die Situation war, zeigte sich in Zürich, wo Emil Sonderegger die Ordnungstruppen kommandierte. Die Soldaten waren mit Handgranaten ausgerüstet und es wurde ihnen Befehl erteilt, diese dann einzusetzen, wenn einwandfrei feststand, dass auf sie geschossen wird. Mit diesem Befehl wollte Sonderegger einerseits eine Eskalation verhindern und andererseits vermeiden, dass bei seiner Truppe ein Gefühl von Ohnmacht aufkommt, falls es tatsächlich zu einem Angriff kam.

Der Gewerkschaftsbund schätzt die Zahl der damals Streikenden auf 250’000 Personen. Militärangehörige waren keine dabei.

Der Initiant des Oltner Aktionskomitees, Robert Grimm, wurde aufgefordert, den Landesstreik zu beenden. Trotzdem dauerte der Streik am 13. November 1918 an. Die Stimmung war gespenstisch. Robert Grimm und seine Verbündeten mussten sich angesichts eines drohenden Bürgerkriegs zu diesem Zeitpunkt fragen, ob sie ihre Sache tatsächlich durch diesen Landesstreik weiterverfolgen sollen. Der Streik wurde am 14. November 1918 beendet und bereits ab dem folgenden Tag wurden die Vorkommnisse für politische Vorstösse instrumentalisiert. Je nach Interessenlage erfolgte eine unterschiedliche Interpretation der Geschehnisse.

Ende 1918 war die Stimmung pessimistisch, man erwartete auch für das Jahr 2019 ein Weiterbestehen von Elend und Not. Glücklicherweise täuschte man sich in dieser Hinsicht, denn bereits im Februar konnte die Brotration erhöht werden.

Die Reformforderungen des Oltner Aktionskomitees waren vom Bundesrat grundsätzlich nicht bestritten, sie sollten jedoch auf dem verfassungsmässigen Weg eingefordert werden. Als die beiden wichtigsten Errungenschaften des Landesstreiks können die AHV und das Frauenstimmrecht betrachtet werden, erläuterte Stüssi. Diese Forderungen bestanden jedoch schon vorher, durch den Landesstreik wurde die Umsetzung dieser Anliegen immerhin beschleunigt.

Betrachtet man die Errungenschaften nach dem Landesstreik darf auch die emanzipatorische Wirkung der beiden Weltkriege nicht unterschätzt werden, so Stüssi. Während die Männer Militärdienst leisten mussten, übernahmen die Frauen ihre Arbeiten – kein Wunder wollten sie nachher nicht mehr zur alten Ordnung zurück.

Stüssi zeigte zudem auf, wie sich die Sichtweisen ändern können: Robert Grimm, tragende Figur des Landestreikes und deswegen zu sechs Monaten Gefängnisstrafe verurteilt, war danach über 30 Jahre im Nationalrat und wurde 1946 zum Nationalratspräsidenten gewählt.

Lohnsysteme unter Druck

Personalexperte Matthias Mölleney kam die nicht ganz einfache Aufgabe zu, den zweiten Tag frühmorgens zu eröffnen. Er trugt es jedoch mit Fassung, da sich das Thema Lohn bestens als «Wake up-Call» eigne. Und so war es denn auch: die Teilnehmenden lauschten seinen engagierten Ausführungen aufmerksam.

Mölleney erläuterte, dass unsere Gesellschaft seit 1996 in einem fundamentalen Wandel steht, welche auch Auswirkungen auf Lohnsysteme und -gefüge hat. Als Zeitzeuge epochaler Veränderungen realisiert man die Bedeutung der aktuellen Geschehnisse jedoch nicht; es ist vielen nicht bewusst, in welch interessanter Zeit man lebt und welche Veränderungen man miterleben und mitgestalten darf.

Wie wird ein Lohn festgelegt?

Für die Festlegung des Lohns gibt es unterschiedliche Methoden. Insbesondere junge Unternehmen gehen seit ein paar Jahren neue Wege in der Bestimmung des Lohnes. So funktionieren Firmen, die mit neuen Lohnsystemen experimentieren, erstaunlicherweise hervorragend. Ein Unternehmen hat sich zum Beispiel dafür entschieden, seine Mitarbeitenden den Lohn selbst definieren zu lassen. Diese beziffern in einem für alle Mitarbeitenden einsehbarem, transparentem System den gewünschten Lohn. Ein solches System kann funktionieren, sofern die Mitarbeitenden die folgenden drei Parameter kennen, um ihren eigenen Lohn einordnen zu können: Was verdienen andere in vergleichbaren Jobs? Wieviel soll der höchste und tiefste Mitarbeitende verdienen? Was kann die Firma bezahlen?

Was ist ein guter Lohn?

Die Gründe für das Gefühl, dass man einen guten Lohn bekommt, sind individuell sehr unterschiedlich:

  • «Der Lohn genügt für das Leben; ich habe was ich brauche.»
  • «Im Quervergleich mit anderen Stellen stimmt der Lohn. Das führt auch dazu, dass man die Stelle nicht aus finanziellen Gründen wechseln möchte.»
  • «Der Lohn entspricht meiner Ausbildung und Erfahrung.»

Die Antworten zeigen, dass Gerechtigkeit ein zentraler Begriff bei der Erarbeitung eines Lohnsystems ist, so Mölleney. Das klingt zwar logisch und einfach, das Problem liegt aber darin, dass die Definition von Gerechtigkeit nicht absolut ist und unterschiedlich ausfallen kann. Es kann als gerecht empfunden werden, wenn jeder gleich viel bekommt oder aber auch, wenn jeder nach seiner Leistung und seinen Fähigkeiten bezahlt wird.

In der Regel wird der Lohn deshalb nach sachlichen Kriterien bewertet. Hierfür kommen insbesondere die Erwartungen, welche an die Mitarbeitenden gestellt werden, in Frage. Diese lassen sich in die folgenden Bereiche aufteilen:

  • Fachkompetenz: Ausbildung, Berufserfahrung
  • Persönlichkeitskompetenz: Kommunikationsfähigkeit, Selbständigkeit
  • Führungskompetenz: Komplexität der Aufgabe, Managementverantwortung
  • Aktionskompetenz: Finanzielle- bzw. Budget-Verantwortung, Höhe des Einflusses auf das Unternehmensergebnis

Werden Stellen nach diesen diskriminierungsfreien Bewertungskriterien eingeteilt, werden automatisch auch Logib oder ähnliche Systeme für die Sicherstellung von gleichem Lohn für Männer und Frauen überflüssig, so Mölleney. Relevant sind dann nur noch diese Kriterien, unabhängig vom Geschlecht. Für die Einstufung einer Funktion darf nur der für sie relevante Ausbildungsabschluss berücksichtigt werden, um innerhalb eines Teams gerechte Löhne festzulegen. Verdient eine Frau dann gleichwohl weniger als ihr männlicher Kollege, ist bei der Einstufung ein Fehler passiert, der korrigiert werden muss.

Wird ein Lohnsystem neu erarbeitet, muss zudem vorgängig geklärt werden, welche Ziele es erfüllen soll. Will man ein System, das streng nach den oben aufgeführten Kriterien funktioniert? Oder soll eine individuelle Leistungskomponente eingebaut werden? Oder will man marktfähige Löhne erhalten, die zum Beispiel mit den Löhnen des Nachbarkantons vergleichbar sind und deshalb angepasst werden müssen?

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