SICH ENGAGIEREN UND PRÄSENZ MARKIEREN

Fachtagung Brunnen 2016

Auf sich aufmerksam machen

Um gehört zu werden, muss man auf sich aufmerksam machen. Der Erwachsenenverband (dbb beamtenbund und tarifunion) hat deshalb die Kampagne «Die Unverzichtbaren» lanciert, welche Berufsleuten die Möglichkeit gibt, ihre unverzichtbaren Berufe im öffentlichen Dienst vorzustellen.

Eigentlich wäre es die Aufgabe des Arbeitgebers, für sich Werbung zu machen und für Nachwuchs zu sorgen, Nachwuchsmangel und unbesetzte Stellen belasten jedoch weniger den Arbeitgeber, sondern in erster Linie die einzelnen Mitarbeitenden. dbb beamtenbund und tarifunion hat deshalb diese Kampagne als Präventionsmassnahme zum Schutz seiner Mitglieder vor einer Arbeitsüberlastung lanciert.

Erfolgreiches Engagement

Um erfolgreich neue Mitglieder zu gewinnen, muss der Informationsadressat definiert werden. Junge Menschen können zu einem Betritt motiviert werden, indem sie informiert werden, was sie im öffentlichen Dienst erwartet, welche Arbeiten möglich sind, was sie tun müssen, um einen Beruf zu erlangen.

Junge Menschen suchen Informationen zu Berufen und Ausbildung; sie suchen im Internet und Arbeitnehmerorganisationen haben deshalb mit ihrer Internetpräsenz die Möglichkeit, junge potentielle Mitglieder direkt ansprechen zu können. Diese Chancen muss man nutzen, um auf sich aufmerksam zu machen.

Wichtig ist zudem, präsent zu sein. Wenn ein Verband nicht wahrgenommen wird, wird auch kaum jemand beitreten. Sandra Kothe betont deshalb die Notwendigkeit, auf (junge) Menschen aktiv zuzugehen, Präsenz zu markieren, Aktionen zu organisieren. Die dbb Jugend ist immer an Demonstrationen beteiligt, was dazu führt, dass ihre Organisation in der Presse stark vertreten ist. (Junge) Menschen engagieren sich dort, wo sie auch etwas erreichen können und gehört werden.

Zu beachten ist, dass Unsicherheit am Arbeitsplatz oder Angst vor einer Kündigung dazu führen, dass sich Menschen nicht engagieren und gegen den Arbeitgeber auflehnen wollen. Auch lange Arbeitswege oder fehlende Regelungen betreffend Freistellung oder Sonderurlaubstage führen dazu, dass man sich in der Freizeit nicht freiwillig engagieren möchte.

Eine der grössten Herausforderungen für Verbände sind die Strukturerhaltung und Wissensweitergabe. Es müssen frühzeitig interessierte Mitglieder gefunden werden, die auf eine Vorstands- und Führungsfunktion vorbereitet werden können. Es muss zudem unbedingt Zeit eingeplant werden, um eine persönliche Einführung mit Sozialpartnern zu ermöglichen.
Ein ebenso wichtiger Aspekt für ein erfolgreiches Engagement ist der Austausch zwischen den Verbänden; vielleicht hat der eine Verband bereits eine Lösung für ein Problem, das in einem anderen Verband erst noch aufkommt. Ein regelmässiger guter Austausch ermöglicht, Ressourcen zu sparen und aus fremden Erfahrungen zu lernen.

Vereinbarkeit aus Männersicht

Vereinbarkeitsfragen sind nicht nur Frauensache. Markus Theunert, Fachmann für Männer- und Geschlechterfragen und Generalsekretär des Dachverbands gleichstellungsorientierter Männer- und Väterorganisationen, legte in seinem Referat dar, mit welchen Problemen Männer bei der Frage nach Vereinbarkeit von Familie und Beruf konfrontiert sind.

Frauen verrichten heute rund zwei Drittel der unbezahlten und rund ein Drittel der bezahlten Arbeit; bei den Männern sind die Zahlen entsprechend umgekehrt. Eine hälftige Aufteilung kann deshalb logischerweise nur durch eine Förderung der Frauen in der bezahlten Arbeit oder der Männer in der unbezahlten Familienarbeit erzielt werden. Ansonsten gerät die Balance der Arbeitsverteilung in ein Ungleichgewicht.

In der Gleichstellungspolitik ist die Gangrichtung jedoch eher einseitig. Im Rahmen der Bekämpfung des Fachkräftemangels werden Frauen im Berufsleben gefördert, die Notwendigkeit einer gleichzeitigen Neu- oder Umorganisation der unbezahlten Familienarbeit wird jedoch ausser Acht gelassen, kritisiert Theunert. Wird die Erwerbstätigkeit von Frauen gefördert, müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Erledigung der unbezahlten Familienarbeit in anderer Weise zu fördern.

Arbeit als Selbstidentifikation

Die Arbeit ist nach wie vor ein Ort männlicher Selbstbestätigung. Männer leisten gerne viel und wollen erfolgreich sein – im Job, in der Familie, in der Freizeit. Traditionellerweise misst sich die eigene männliche Identität am beruflichen Erfolg, wurde dies früher selbstverständlich akzeptiert, sind in der heutigen Zeit die Ansprüche an die Männer gestiegen – sie müssen im Job viel leisten und gleichzeitig engagierte Väter, fürsorgliche Ehepartner, leidenschaftliche Liebhaber, und, und… sein. Männer stehen somit vor der Herausforderung, eine Balance zwischen den Leistungsansprüchen und Anforderungen zu finden. Sie müssen ihre Arbeitswelt, Familienwelt und Eigenwelt (Zeit für sich selbst und soziale Kontakte) unter einen Hut bekommen. Sind Männer nun mit einem 100 %-Arbeitspensum für die materielle Sicherheit der Familie verantwortlich, kommt zwangsläufig die Zeit für sich selbst, für eigene Hobbies, für Freunde zu kurz. Die Folge ist Stress und im schlimmsten Fall führt die fehlende Erholungszeit zu gesundheitlichen Problemen und psychischen Belastungen. Männer haben also auch Vereinbarkeitsprobleme, allerdings andere als Frauen.

Weg von der Ernährerrolle

Vor der Familiengründung ist eine Partnerschaft in der Regel egalitär, nach der Familiengründung erfolgt jedoch sehr oft der Wechsel zur traditionellen Rollenteilung. Diese Rollenteilung und die tiefere Arbeitsbeteiligung seitens der Frauen ändert sich ab der Familiengründung in der Regel nicht mehr bis zum Ende des Erwerbslebens. Obwohl Männer fast 74 % zum Haushaltseinkommens beisteuern, leisten in Paarhaushalten mit Kindern Männer und Frauen ungefähr gleich viel, allerdings unterschiedlich auf Haushalt und Arbeit verteilt.

Dabei wünschen sich rund 90 Prozent der Männer, weniger zu arbeiten. Jedoch nur ein geringer Anteil tut es tatsächlich. Ein grosses Hindernis ist, dass Teilzeitarbeit für Männer in der Regel ein Karriererisiko darstellt und sie oft weniger verdienen als ihre Vollzeit arbeitenden Geschlechtsgenossen, so Theunert. Ein weiteres Hemmnis ist der homosoziale Druck, also schräge Blicke von den Kollegen und den direkten Vorgesetzten, obwohl viele Unternehmen im Grundsatz offen sind für Teilzeitarbeit.

Gibt es Auswege? Die einseitige Erwerbsorientierung des Vaters als Ernährer birgt Gesundheitsrisiken wie Burnout, Suchverhalten und erschwert die alltägliche väterliche Präsenz, was in der Regel allerdings erst zu einem Problem wird, wenn sich Eltern trennen. Die Möglichkeit, Teilzeit arbeiten zu dürfen, führt zu weniger Stress, mehr Effizienz in der verbleibenden Arbeitszeit und zu weniger Fluktuation. Ausserdem erhöhen egalitäre Rollenmodelle die Partnerschaftszufriedenheit und tragen zu einer besseren Vater-Kind-Beziehung bei.

Es besteht deshalb Förderungspotential im Bereich Job-Sharing auch auf Kaderstufe und eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an die jeweilige Familienphase in Form von flexiblen Arbeitszeitmodellen und familiengerechter Arbeitszeit. Zur Förderung ist eine gesetzlich verankerte Elternzeit auch für Väter sowie eine Förderung von familienergänzenden Tagesbetreuungsstrukturen wünschenswert.

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