Worum geht es?
Die Personalrekurskommission des Kantons Thurgau hatte zu entscheiden, ob die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist über derjenigen der Verordnung über die Rechtsstellung der Lehrpersonen an den Volksschulen vom 25. Januar 2005 (RSV VS; RB 411.114) steht. Das heisst, dass sich die Frage stellt, ob letzteres dispositives Recht ist. Recht also, von dem die Parteien im Einzelfall abweichen dürfen.
Die betroffene Lehrperson hatte im Rahmen einer Mutterschaftsvertretung eine befristete Anstellung. Vorzeitig erhielt sie in einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag in der Form eine Anstellungsentscheids. Dieser wurde jedoch vor Ablauf der ersten Anstellung mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten gekündigt. Dies entspricht §16 Abs. 2 des RSV VS, welcher die Kündigungsfrist für die Anstellungsdauer von weniger als einem Jahr regelt. Im Anstellungsentscheid selbst wurde betreffend Kündigungsfrist folgendes festgehalten: «beidseitig 3 Monate, jeweils auf Ende eines Schulsemesters (31. Januar / 31. Juli)».
Somit widersprechen sich die im Anstellungsentscheid vereinbarte Kündigungsfrist und jene der kantonalen Verordnung (RSV VS). Doch welche gilt nun?
Die Rekurrentin (Lehrperson) vertrat die Meinung, dass diejenige im Anstellungsentscheid gültig ist. Die Rekursgegnerin (Schule) erachtete die Kündigungsfrist in der kantonalen Verfügung (RSV VS) als zwingend. Die Rekurrentin verlangte daher eine Lohnfortzahlung bis zum nächsten im Anstellungsentscheid festgelegten Datum, nämlich dem 31. Januar.
Was ist die rechtliche Situation?
Der genaue Wortlaut von §16 Abs. 2 des RSV VS lautet: «Im ersten Jahr der Anstellung in einer Schulgemeinde kann unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Monaten auf Monatsende gekündigt werden.»
Die Personalrekurskommission (PRK) entschied, dass diese Regelung aus den nachfolgenden Gründen dispositiver Natur ist. Das heisst, die Parteien können von der gesetzlichen Kündigungsfrist abweichen.
Die entscheidende Behörde stellt ihr Urteil als erstes Element auf das kleine Modalverb «können» ab. Dessen Verwendung beinhaltet die Bedeutung, dass die Formulierung nicht zwingend ist, sondern auch anders geregelt werden darf. Diese Formulierung ist eine sogenannte «Kann-Regelung» und kann somit auch anders festgelegt werden. Dieser grammatikalischen Argumentation stellt sie allerdings weitere Elemente, die sie mittels Interpretation gewinnt, an die Seite.
So räumte die Rekursgegnerin zwar ein, dass Absatz 1 des §16 dispositiver, aber die Absätze 2 und 3 zwingender Natur seien. Sie begründet dies mit der ansonsten fehlenden Kündigungsmöglichkeit in der RSV VS während der Probezeit. Der Begriff «Probezeit» wird nirgends explizit erwähnt. Daher sollen die Absätze 2 und 3 diese Kündigungsfrist in der Probezeit unmissverständlich und unabänderlich sicherstellen. Die PRK stimmt der Rekursgegnerin zwar zu, dass es sich gerade bei Absatz 2 um eine Probezeitregelung handelt, solche aber grundsätzlich immer fakultativer Natur sind und eben nur gelten, wenn sie nicht durch eine andere Regelung abgelöst oder eine kürzere Dauer festgesetzt wird. Dasselbe gilt auch für privatrechtlichen Anstellungen gemäss Art. 333b OR. Eine die Arbeitnehmende besser schützende, d.h. verlängernde Kündigungsfrist, ist schliesslich auch mit Blick auf den Vertrauensschutz unproblematisch, eine Verkürzung wäre unter Umständen heikel.
Entscheid
Da die vorliegende Regelung die Rekurrentin besser schützt als das gesetzmässige Mindestmass, ist das vertraglich vereinbarte das Rechtsgültige. Darüber hinaus ist auch die Rekurrentin in Treu und Glauben zu schützen, da die Rekursgegnerin diese Besserstellung explizit im Anstellungsentscheid so formuliert hat.
Da der Anstellungsentscheid massgebend ist, erlangt die Kündigung seine Wirkung erst per 31. Januar und die Rekurrentin hat Anspruch auf eine Lohnfortzahlung bis zu diesem Datum.
Entscheid der Personalrekurskommission vom 8. März 2019, A.2017.9, § 1/2019