Wer im Anstellungsgespräch qualifiziert lügt, schliesst einen ungültigen Arbeitsvertrag

Folgen dieses Verhaltens

Die Arbeitgeberin konnte dem Bundesverwaltungsgericht nachvollziehbar darlegen, dass sie den Vertrag bei Kenntnis der deliktischen Tätigkeit des Beschwerdegegners bei seinem ehemaligen Arbeitgeber nicht abgeschlossen hätte. Will der von einem Willensmangel betroffene Teil den Vertrag nicht gelten lassen, so muss er den Willensmangel innerhalb eines Jahres geltend machen, indem er der anderen Partei erklärt, dass er den Vertrag nicht halte, oder indem er eine schon erfolgte Leistung zurückfordert. Andernfalls gilt der Vertrag als genehmigt (Art. 31 Abs. 1 OR). Die Frist beginnt in den Fällen des Irrtums und der Täuschung mit deren Entdeckung zu laufen (Art. 31 Abs. 2 OR). Die Frist war eingehalten.

Wird die Erklärung abgegeben, fällt der Vertrag im Grundsatz von Anfang an dahin. Es gilt jedoch eine Ausnahme für das Arbeitsverhältnis; danach hat ein Arbeitnehmer, der in gutem Glauben Arbeit im Dienst des Arbeitgebers geleistet hat, Anspruch darauf, dass der Vertrag so lang erfüllt wird, bis die Ungültigkeit des Vertrages feststeht, ab dann erst ist dieser unverbindlich. Massgebender Zeitpunkt ist die Geltendmachung des Willensmangels.

In der Folge stellte das Bundesverwaltungsgericht die Ungültigkeit des Arbeitsvertrages ab dem Zeitpunkt der Geltendmachung des Willensmangels fest.

Bemerkungen

Man mag den Entscheid insgesamt als richtig erachten. Er hat aber das Potenzial, Grenzen zu verschieben. Hans-Peter wurde zum Verhängnis, dass er seinen Lebenslauf aktiv so gestaltete, dass verheimlicht werden konnte, was nicht offengelegt werden wollte. Das Ausmass des deliktischen Verhaltens und damit verbunden insbesondere die Arbeitsplatzbezogenheit des deliktischen Verhaltens gab dann den zusätzlichen Ausschlag, und das Gericht ging von einer Offenlegungspflicht aus, die missachtet worden war.

Das alles hatten wir schon einmal in BGE 132 II 161. Dort hatte die Arbeitnehmerin ihren Freund umgebracht, im Garten verbrannt und dann vergraben, dies aber dem Arbeitgeber beim Bewerbungsgespräch verständlicherweise nicht mitgeteilt. Das Bundesgericht entschied dort (ebenfalls) zu Ungunsten der Arbeitnehmerin und meinte, dem Arbeitgeber (der Oberzoll-direktion, Abteilung Rückerstattungsanträge im Bereich Mineralölsteuer) könne nicht zugemutet werden, mit so einer Arbeitnehmerin zusammenzuarbeiten. Und weil die Tat im Zeitpunkt der Bewerbung bereits vollzogen war, wurde der Arbeitsvertrag als ungültig angesehen (Willensmangel der Arbeitgeberin bei Abschluss des Arbeitsvertrages).

Das Bundesgericht führte damals zur Begründung unter anderem aus: Das entsprechende Tötungsdelikt bzw. die Person der Beschwerdeführerin bilde Gegenstand einer breiten Berichterstattung in den Medien. Zwar betraf das Strafverfahren ihren Privatbereich, doch hätte es – auch wenn die vorgesehene Funktion der Beschwerdeführerin bei der Oberzolldirektion nicht leitender Natur war – dennoch unmittelbare Auswirkungen auf ihre berufliche Eignung und Verfügbarkeit für die verabredete Arbeitsleistung: Die Stelle als Sachbearbeiterin/Revisorin im Bereich Mineralölsteuer umfasse gemäss Ausschreibung die Beratung von Gesuchstellern in allen Fragen der verschiedenen Steuerrückerstattungen und sah zahlreiche, weitgehend selbstständig wahrzunehmende telefonische und schriftliche Kontakte mit Kunden vor. Das hängige Strafverfahren und dessen landesweite Publizität seien geeignet, diese Tätigkeit wesentlich zu erschweren und das effiziente Erfüllen des Pflichtenhefts grundlegend in Frage zu stellen. Wegen der zahlreichen Aussenkontakte berührte die Anstellung der Beschwerdeführerin unmittelbar die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Oberzolldirektion als staatlicher Kontrollinstanz.

Das überzeugt kaum jemanden. Woher sollte denn derjenige, der bei der Oberzolldirektion einen Rückerstattungsantrag für die Mineralölsteuer einreicht, wissen, dass die Sachbearbeiterin im Backoffice, die diesen Antrag bearbeitet und allenfalls einmal mit ihm telefoniert, ihren Freund ermordet hat? Es ist kaum anzunehmen, dass sie sich unter Hinweis auf ihre Tat mit dem Rückerstattungsgesuchsteller in Verbindung setzen wird. Ein Imageschaden für die Oberzolldirektion wäre selbst dann nicht zu erwarten gewesen, wenn jedermann gewusst hätte, was die Frau getan hat. Letztlich wurde damit in der Hauptsache die Tat selbst abgestraft.

Im Gegensatz zum vorliegend besprochenen Fall war auch nicht davon auszugehen, dass die Sachbearbeiterin am Ort der Arbeit weitere Verbrechen gleicher Güteklasse vollziehen würde; es handelte sich um ein Beziehungsdelikt, womit die Arbeitsplatzbezogenheit des deliktischen Verhaltens nicht gegeben war.

Stehen wie vorliegend vermögensrechtliche Delikte zur Diskussion und soll an der neuen Stelle wiederum eine Aufgabe wahrgenommen werden, die mit finanziellen Fragen in Zusammenhang steht, ist die Schlussfolgerung des Bundesverwaltungsgerichts wohl richtig. Es wird aber darauf zu achten sein, dass nicht hauptsächlich das Ausmass des deliktischen Verhaltens die Pflicht zur Offenlegung beeinflusst.

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