Beginn der Sperrfrist bei überlanger Kündigungsfrist

Urteil WKL.2015.9 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 20. Januar 2016

B. Bemerkungen

Das Verwaltungsgericht hatte im vorliegenden Fall bei der Entscheidfindung zwei Varianten zu prüfen:

  1. Die Sperrfrist gemäss Art. 336c OR beginnt stets mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit unabhängig davon, ob die Kündigungsfrist bereits zu laufen begonnen hat oder nicht.
  2. Die Sperrfrist gemäss Art. 336c OR beginnt mit Eintritt der Arbeitsunfähigkeit. Falls die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Kündigungsfrist eingetreten ist, beginnt letztere erst mit der Kündigungsfrist.

Das Verwaltungsgericht hat sich schliesslich nach Auslegung von § 7 Abs. 1 GAL i.V.m. Art. 336c Abs. 2 OR für die Variante 1 entschieden. Die Auslegung hat das Ziel, den rechtsverbindlichen Sinn eines Rechtssatzes, über dessen Tragweite Unklarheiten bestehen, zu ermitteln. Auslegung ist dort notwendig, wo der Gesetzeswortlaut nicht klar ist, oder wo Zweifel bestehen, ob ein scheinbar klarer Wortlaut den wahren Sinn der Norm wiedergibt (Ulrich Häfelin / Georg Müller / Felix Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 7. Auflage, Zürich 2016, N 175).

Ausgangspunkt jeder Auslegung bildet der Wortlaut der Bestimmung. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Interpretationen möglich, so muss nach seiner wahren Tragweite gesucht werden unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente. Abzustellen ist dabei namentlich auf die Entstehungsgeschichte der Norm, ihren Zweck, auf die dem Text zu Grunde liegenden Wertungen sowie auf die Bedeutung, die der Norm im Kontext mit anderen Bestimmungen zukommt. Das Bundesgericht hat sich bei der Auslegung von Erlassen stets von einem Methodenpluralismus leiten lassen und nur dann allein auf das grammatische Element abgestellt, wenn sich daraus zweifelsfrei die sachlich richtige Lösung ergab (vgl. BGE 133 V 10 f.).

Verweist ein öffentlich-rechtliches Personalgesetz für einzelne Bereiche auf privatrechtliche Bestimmungen (wie beispielsweise § 7 GAL, wonach für die Beendigung des Anstellungsverhältnisses die Bestimmungen des Obligationenrechts anwendbar sind), führt dies dazu, dass die privatrechtliche Norm als öffentliches Recht angewendet wird. Dies ist auch bei der Auslegung dieser Bestimmungen zu beachten.

Das Verwaltungsgericht wandte neben der grammatikalischen Auslegung auch die teleologische Auslegung (die Frage nach dem Sinn und Zweck einer Rechtsnorm) an. Gestützt darauf hielt es fest, dass das Ergebnis der grammatikalischen Auslegung – wonach die Sperrfrist stets mit der Arbeitsunfähigkeit zu laufen beginne – im öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmerschutz (Ergebnis der teleologischen Auslegung) vereinbar sei, da der Arbeitnehmerschutz bei solchen Arbeitsverhältnissen durch andere Bestimmungen (besserer Lohnfortzahlungsanspruch) ausreichend gewährleistet wird. Bei einem privatrechtlichen Anstellungsverhältnis müsste sich das beurteilende Gericht von anderen Überlegungen leiten lassen. Diese sind jedoch nicht Teil des vorliegenden Urteils.

C. Fazit

Das besprochene Urteil ist im Ergebnis richtig. Ein Arbeitgeber, der einen Arbeitnehmer frühzeitig über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses informiert, soll nicht dadurch «bestraft» werden, dass dem Arbeitnehmer eine zusätzliche Sperrfrist eingeräumt wird. Das Ergebnis kann für den Arbeitgeber zwar einen gewissen Anreiz darstellen, die Kündigung möglichst früh auszusprechen; dies ist aber hinzunehmen. Die frühzeitige Kündigung liegt auch regelmässig im Interesse des Arbeitnehmers, da ihm auf diese Weise mehr Zeit für die Stellensuche zur Verfügung steht.

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