Was ist möglich, was ist sinnvoll?

Testament, Erbvertrag, Ehevertrag, Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung – Fallgruppen für traditionelle Beziehungen und Patchworkfamilien

Fall 2: Nicht verheiratetes Paar mit gemeinsamen Kindern

Die gesetzlichen Erben jedes Lebenspartners sind in dieser Konstellation die Kinder. Ihnen kommt ein Pflichtteil von 3/4 zu.

Das führt dazu, dass die Lebenspartner testamentarisch nur noch über 1/4 ihres Nachlasses verfügen und diesen beispielsweise dem überlebenden Lebenspartner zuweisen können. In einem Erbvertrag können die Kinder auf diesen Pflichtteil verzichten; dies setzt aber die Volljährigkeit der Kinder voraus. Sofern die Einkommensverhältnisse der Partner ungleich sind, ist ebenfalls zu bedenken, dass das Gesetz keine Unterhaltspflicht des besserverdienenden Partners für den anderen Partner im Falle der Trennung vorsieht. Nur, aber immerhin, der Unterhalt für die Kinder ist gesetzlich geregelt. Darum kann es angezeigt sein, in einem Konkubinatsvertrag entsprechende Regelungen festzusetzen.

Für den Fall der Urteilsunfähigkeit gelten die vorstehenden Ausführungen zum nicht verheirateten Paar ohne Kinder gleichermassen.

Fall 3: Nicht verheiratetes Paar mit Kindern aus früheren Beziehungen

Erbrechtlich stellt sich auch hier die Thematik des grossen Pflichtteilsanspruchs der jeweiligen Kinder. Erbberechtigt sind aber nicht alle Kinder der Patchworkfamilie gleichermassen, sondern nur die Kinder, die tatsächlich vom Erblasser abstammen. Im Übrigen kann auf vorstehende Ausführungen zum Fall 2 verwiesen werden.

Zusätzlich zu berücksichtigen ist allenfalls, dass die elterliche Sorge über ein unmündiges Kind beim Versterben eines Elternteils in der Regel auf den anderen Elternteil (insbesondere bei gemeinsamer elterlicher Sorge) oder aber auf einen Vormund übertragen wird. Der Lebenspartner (als Elternteil) hat keine Möglichkeit rechtlich verbindlich festzulegen, dass nach seinem Ableben die elterliche Sorge nicht dem anderen Elternteil des Kindes sondern seinem Lebenspartner zugesprochen wird. Er kann diesbezüglich höchstens einen begründeten Wunsch zuhanden der Kindesschutzbehörde formulieren; diesen Wunsch hat die Kindesschutzbehörde bei ihren Erwägungen zu berücksichtigen, sie ist aber nicht daran gebunden.

Fall 4: Nicht verheiratetes Paar mit Kindern aus früheren Beziehungen und gemeinsamen Kindern

Es kann auf die Ausführungen zum Fall 2 und zum Fall 3 verwiesen werden. Zusätzlich stellt sich die Thematik, dass Kinder vorhanden sind, die nur von einem Lebenspartner erbberechtigt sind und solche, die von beiden Lebenspartnern erbberechtigt sind. Wenn eine Lösung geschaffen werden soll, mit der alle Kinder unabhängig von ihrer Abstammung finanziell gleichgestellt werden sollen, muss dies in einem Erbvertrag geregelt werden. Soweit in die Pflichtteile der Kinder eingegriffen werden muss, müssen diese am Erbvertrag mitwirken, was deren Volljährigkeit voraussetzt.
Werden die Pflichtteile nicht tangiert, können die Lebenspartner den entsprechenden Erbvertrag ohne Mitwirkung der Kinder abschliessen.

Fall 5: Verheiratetes Paar ohne Kinder

Die gesetzliche Regelung deckt in diesem Fall vieles ab. Allerdings besteht ein Erbanspruch der Eltern bzw. des elterlichen Stammes von 1/4 der Erbschaft (davon ist betreffend die Eltern wiederum 1/2 pflichtteilsgeschützt). 3/4 gehen von Gesetzes wegen an den Ehepartner/die Ehepartnerin.

Will man diese Quoten zugunsten der Ehepartnerin/des Ehepartners verschieben, eignet sich dafür ein Ehe- und Erbvertrag.

Für die Vertretung im Falle der Urteilsunfähigkeit sieht Art. 374 ZGB ein gesetzliches Vertretungsrecht für den Ehegatten/den eingetragenen Partner vor, soweit ein gemeinsamer Haushalt geführt oder regelmässig persönlicher Beistand geleistet wird. Der Ehegatte/der eingetragene Partner ist auch von Gesetzes wegen berechtigt, die urteilsunfähige Person beim Entscheid über medizinische Massnahmen zu vertreten.

Fall 6: Verheiratetes Paar mit gemeinsamen Kindern

Auch in diesem Fall ist die gesetzliche Regelung recht umfassend. Von Gesetzes wegen erben die Kinder und der überlebende Ehepartner je die Hälfte. Der Anteil der Kinder ist zu 3/4 pflichtteilsgeschützt; der Anteil des überlebenden Ehepartners zu 1/2. Abweichende Lösungen, insbesondere eine Mehrbegünstigung des überlebenden Ehegatten können in einem Ehe- und Erbvertrag getroffen werden.

Bereits testamentarisch können einzelne Erben auf den Pflichtteil gesetzt und die verfügbare Quote dem Ehepartner zugewendet werden. Eingriffe in die Pflichteile bedürfen hingegen der Zustimmung der Betroffenen im Rahmen eines Erbvertrages.

Betreffend Urteilsunfähigkeit und medizinische Massnahmen gelten die vorstehenden Ausführungen zum Fall 5.

Fall 7: Verheiratetes Paar mit Kindern aus früheren Beziehungen

Es kann auf die Ausführungen zum Fall 6 verwiesen werden. Zu berücksichtigen ist hier genau wie beim Fall 4, dass die Kinder von Gesetzes wegen nur gegenüber ihrem leiblichen Elternteil erbberechtigt sind. Diesbezüglich kann auf die Ausführungen beim Fall 4 verwiesen werden. Zusätzlich ist zu beachten, dass eine ehevertragliche Begünstigung des Ehegatten die Pflichtteile von nicht gemeinsamen Kindern nicht tangieren darf.

Betreffend Urteilsunfähigkeit und medizinische Massnahmen gelten die vorstehenden Ausführungen zum Fall 5.

Fall 8: Verheiratetes Paar mit Kindern aus früheren Beziehungen und gemeinsamen Kindern

Die gemeinsamen Kinder sind gegenüber beiden Ehepartnern erbberechtigt; die nicht gemeinsamen Kinder nur gegenüber ihrem jeweiligen Elternteil. Sofern ihr Elternteil betroffen ist, sind aber gemeinsame und nichtgemeinsame Kinder einander gleichgestellt. Diese Konstruktion kann dazu führen, dass der Erbanteil der Kinder beim Versterben der Ehefrau auf 3 Kinder aufgeteilt wird, während der Erbanteil der Kinder beim Versterben des Ehemannes nur durch 2 geteilt wird. Hier eine Lösung zu treffen, die sicherstellt, dass alle Kinder den gleichen Anteil erhalten – und dies unabhängig davon, welcher Ehegatte zuerst verstirbt – bedarf eines Erbvertrages.

Betreffend Urteilsunfähigkeit und medizinische Massnahmen gelten die vorstehenden Ausführungen zum Fall 5.

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