«Lustvolle Knochenarbeit»

Interview mit Stephan Kunz, Direktor Bündner Kunstmuseum

Das Zusammenstellen und -tragen der Bilder klingt aufwändig.

Das stimmt, aber es ist eine lustvolle Knochenarbeit. Es ist wichtig, im Vorfeld eine gute Auswahl zu treffen, damit nicht zu viele Bilder angeliefert werden und ein Teil gar nicht gezeigt werden kann. Man muss während der Planung bereits eine Idee entwickeln, wie die Ausstellung schlussendlich aussehen soll und dann die entsprechenden Bilder besorgen.

Sind Sie gerade mitten in der Organisation der nächsten Ausstellung?

Ja, ich organisiere gerade zwei Ausstellungen. Die eine zeigt Bilder von David Weiss, dessen Nachlass rund 2000 Werke umfasst. Davon können wir ca. 80 bis 100 Bilder zeigen. Hier geht es nun also darum, aus diesen 2000 Werken ca. 100 auszusuchen, welche miteinander in der Ausstellung als Einheit funktionieren. Die zweite Ausstellung zeigt Bilder eines Fotografen aus dem Kanton Graubünden, der Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts tätig war. Sein gesamter Nachlass ist bei uns und beinhaltet 60 bis 70 Originalabzüge der Fotografien und rund 800 Negative. Wir werden sicher die Originalabzüge zeigen und gleichzeitig versuchen, die Negative mittels Projektionen zu zeigen. Hier geht es also nicht nur um die Auswahl der einzelnen Werke, sondern auch um die beste Wahl der Präsentationsform.

Auch eine sehr kreative Arbeit…

Ja, das macht meine Arbeit sehr interessant. Jede Ausstellung ist ein eigenes Projekt mit eigener Geschichte – mal alt, mal zeitgenössisch – und mit immer neuen Herausforderungen. In der aktuellen Ausstellung «Nationalpark» zum Beispiel sind Pflanzen und Tiere integriert – eine völlig neue Erfahrung. Im besten Fall ist jede Ausstellung ein neues Erlebnis oder Ereignis, bei dem am Anfang noch nicht ganz klar ist, wie das Endprodukt aussehen wird.

Gibt es auch Ausstellungen, die nicht das erwartete Echo auslösen?

Es gibt auch Ausstellungen, bei denen es schön gewesen wäre, wenn sie mehr Menschen gesehen hätten. Das Echo lässt sich aber nicht steuern und der Erfolg wird nicht nur an den Besucherzahlen gemessen.

Haben Sie auch schon bereut, eine Ausstellung gemacht zu haben?

Nein, das kam noch nie vor.

Ihre Begeisterung für Ihre Arbeit spürt man. Gibt es doch etwas, dass Sie nicht mögen?

Nicht mögen ist zu streng formuliert. Ein harter Teil meiner Arbeit ist die Beschaffung von finanziellen Mitteln für die Ausstellungen, welche ausschliesslich über Sponsoringbeiträge finanziert werden müssen. Wir bekommen in der Regel das Geld zusammen, allerdings erhalten wir die Zusagen oft erst sehr spät, also wenn das Projekt schon sehr weit vorgeschritten ist.
Vor allem Stiftungen möchten als Grundlage für eine Beitragszusprechung Budgets, Werklisten und Entwürfe sehen; das können wir aber erst liefern, wenn die Ausstellung schon organisiert ist und es kein Zurück mehr gibt. Ich weiss zu Beginn der Konzeptionierung und Organisation oft nicht, ob ich die Ausstellung wirklich finanzieren kann.

Das macht nervös, oder?

Ja, natürlich; man gewöhnt sich aber auch etwas daran.

Welches sind Ihre wichtigsten Sponsoringpartner?

Wichtigste Ansprechpartner sind Banken, Stiftungen und Privatpersonen. Geld auftreiben ist nicht einfach. Es ist deshalb umso wichtiger, gute Kontakte und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, daran arbeite ich gerade. Teilweise erhalten wir auch grosszügige Schenkungen – dazu gehört auch die grosszügige und bedingungslose Mitfinanzierung des Erweiterungsbaus durch eine Privatperson.

Was würde passieren, wenn für eine Ausstellung nicht genügend finanzielle Mittel beschafft werden könnten?

Im besten Fall hat es ein kleines Polster in der Kasse des Kunstvereins oder eine andere Ausstellung läuft besser als erwartet und die Gewinne / Aufwände gleichen sich aus.

Sie haben zu Beginn gesagt, dass Sie sich nicht an Vorgaben halten müssen. Sind Sie wirklich völlig frei?

Ja, ich kann meine eigenen Ideen umsetzen. Wenn Ideen von aussen an uns herangetragen werden, prüfen wir diese selbstverständlich. Manche fliessen in unsere Arbeit ein, manche auch nicht. Wichtig ist, dass die Ideen mit den vorhandenen Ressourcen auch umsetzbar sind.

Sie haben also im engeren Sinn keinen Vorgesetzten?

Inhaltlich nicht. Wir sind aber eine kantonale Institution, die in das Amt für Kultur eingebunden ist. Meine Vorgesetzte ist die Leiterin des Amtes für Kultur und dann direkt der Regierungsrat. Der Kanton Graubünden hat klar definiert, dass er für den Betrieb des Kunstmuseums zuständig ist, sich aber inhaltlich nicht einmischt – weder bei den Ausstellungen noch bei der Sammlung.

Ist die Abgrenzung nicht üblich?

Jedes Museum ist anders organisiert. Im Kunsthaus Aarau war der Kanton Träger des Museums und der Kunstverein verantwortlich für die Ausstellungen. Der Vorsteher der Abteilung für Kultur ist jedoch im Kunstverein vertreten. Beim Kanton Graubünden gibt es diese Vertretung nicht, die beiden Bereiche sind klar getrennt.

Welche Voraussetzungen und Rahmenbedingungen haben hinsichtlich der Arbeit mit dem Umzug von Aarau sonst noch geändert?

Das Umfeld ist etwas anders, auch die Besucher. In Chur besuchen mehr Touristen das Museum, in Aarau war das so gut wie gar nicht der Fall. Ansonsten arbeite ich in einem vertrauten Umfeld weiter.

Bieten sich dank dem Tourismus Möglichkeiten, die in anderen Städten nicht vorhanden sind?

Im Kanton Graubünden wurde die Kultur lange Zeit nicht als wesentlicher Faktor für den Tourismus wahrgenommen. Inzwischen hat sich das geändert. Es gibt viele Besucher, die extra wegen einer Ausstellung nach Chur reisen. Die Stadt Chur hatte bis anhin die Einstellung vertreten, dass das Museum eine kantonale Institution darstellt und sie nichts angeht. Dass sich das Bewusstsein diesbezüglich geändert hat, zeigt auch, dass das Bündner Kunstmuseum im Jahr 2013 den Wertschöpferpreis der Stadt Chur erhalten hat.

Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist auch der Um- bzw. Neubau. Mein Tätigkeitsschwerpunkt lag im vergangenen Jahr auch bei der Planung des neuen Anbaus, seit Januar 2014 geht es konkret an die Realisierung des Gebäudes.

Was ist geplant und was geschieht mit dem alten Teil des Museums?

Der Anbau wird niedergerissen und wird durch einen komplett neuen Erweiterungsbau ersetzt. Der alte Teil bleibt stehen, wird aber ab September 2014 saniert. Das bedeutet, dass wir noch im Jahr 2013 die ganze Sammlung ausgeräumt und – auch aus Sicherheitsgründen – auswärts untergebracht haben. Wir organisieren nun fünf Wechselausstellungen im alten Teil, also der Villa.

Wie lange wird auch dieser Teil geschlossen bleiben?

Das Museum bleibt während der Sanierung 1 ¾ Jahre geschlossen. Diese Zeit nützen wir für Arbeiten im Hinblick auf das neue Haus, wir müssen es quasi neu denken. Es gibt ein neues Erscheinungsbild und wir werden fast doppelt so viel Raum zur Verfügung haben wie bis anhin. Es wird deshalb ein neues Betriebskonzept erstellt, dass auch ein nach Möglichkeit höheres Betriebsbudget und eine grössere Mitarbeiterzahl beinhaltet. Hierfür sind auch politische Prozesse nötig, welche Vorbereitungsarbeiten verlangen.

Sind für die Dauer der Sanierung kulturelle Angebote ausserhalb der Mauern das Bündner Kunstmuseum geplant?

Ja. Wir stellen ein Programm von Gastspielen mit verschiedenen Kulturinstitutionen im ganzen Kanton zusammen. Dazu gehören kleinere und grössere Ausstellungen in Chur, im Bergell, in der Surselva. Es ist uns wichtig, präsent zu bleiben, im ganzen Kanton.

Sie haben erwähnt, dass die Kontakte zu anderen Kulturschaffenden eng sind. Spielt es für Direktoren von Museen eine Rolle, ob sie in einem staatlichen oder privaten Museum tätig sind?

Das spielt schon eine Rolle. Wir haben den Vorteil, dass der Betrieb bzw. ein Minimalbetrieb unseres Museums immer gesichert ist. Ich muss keine Angst haben, die Personalkosten nicht decken zu können. Die Einbindung in eine kantonale Verwaltung ist rein organisatorisch sicher anders, wir haben strengere Regelungen. Private Museen sind im Umgang mit den Geldern in gewissen Bereichen flexibler. Hinsichtlich der Finanzierung einer Ausstellung ist die Ausgangslage jedoch gleich: alle Museen müssen externe Finanzierungsmöglichkeiten suchen.

Wo wir schon bei den Kontakten sind: Wie oft kommen Sie als Direktor mit den Museumsbesuchern in Kontakt?

Das lässt sich individuell gestalten. Mir sind der Kontakt und die persönlichen Rückmeldungen von den Besuchern wichtig und ich übernehme auch gerne öffentliche oder private Führungen. In den Pausen trinke ich hier unten gerne einen Kaffee und nutze die Möglichkeit, Diskussionen zu führen.

Herr Kunz, wir danken für das Gespräch.

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