«Lustvolle Knochenarbeit»

Interview mit Stephan Kunz, Direktor Bündner Kunstmuseum

Herr Kunz, wie verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?

Ich bin Kunsthistoriker und seit zwei Jahren Direktor des Bündner Kunstmuseums. Ich habe in Zürich und Berlin Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie studiert. Während 20 Jahren war ich im Aargauer Kunsthaus als Kurator und stellvertretender Direktor tätig, vor zwei Jahren bot sich mir dann die Chance als Direktor zum Bündner Kunstmuseum zu wechseln.

Was hat Sie bewogen, von Aarau nach Chur zu ziehen? Sie mussten ja auch den Wohnort wechseln.

Die Schweiz ist relativ klein und die kulturellen Kontakte ändern sich mit dem Umzug nicht komplett, auch wenn das Umfeld etwas anders ist. Das Bündner Kunstmuseum ist ein tolles Museum mit einer tollen Sammlung und guten Perspektiven.
Interessant ist an meiner Arbeit ausserdem, dass das Museum vor einem Aufbruch steht; im Januar 2014 haben die Arbeiten am Erweiterungsbau begonnen.

Wie sieht denn der Arbeitsalltag eines Museumdirektors aus?

Meine Arbeitstage sind zum Glück sehr abwechslungsreich. Einerseits habe ich im Rahmen der Leitung des Kunstmuseums einen Bürojob, welcher die Personalführung, Budgetverantwortung und die Zusammenstellung des Programms beinhaltet. Andererseits bin ich für die Sammlung verantwortlich und vertrete das Kunstmuseum nach aussen. Der spannendere Teil meiner Arbeit ist klar die Organisation von Ausstellungen sowie die Konzeptionierung des Auf- und Ausbaus der Kunstsammlung. Die Organisation von Ausstellungen umfasst auch die gleichzeitige Konzeptionierung des Ausstellungskataloges und/oder des Buches zur Ausstellung sowie der Kontakt mit den Autoren, Fotografen, Grafikern und Verlagen. Die Dokumentation einer Ausstellung in einem Katalog oder Buch ist auch heute trotz digitaler Medien noch immer wichtig, damit sie nach dem Abbau nicht einfach im Vergessen verschwindet.

Sind Sie für Ihre Arbeit auch viel unterwegs?

Ja, bei der Vorbereitung von Projekten und Ausstellungen oder hinsichtlich der Entwicklung der Sammlung bin ich viel unterwegs, in der Schweiz und teilweise auch im Ausland.

Wie sieht denn der Weg von einer Idee zu einer Ausstellung, also die konkrete Organisation, aus?

Als erstes muss definiert werden, was für eine Ausstellung man machen bzw. was man zeigen will. Ich muss mich nicht an Vorgaben halten, aber die Geschichte des Hauses, die eigene Sammlung und der Standort geben gewisse Leitlinien vor. Jede Ausstellung hat eine eigene Geschichte, einen Grund, der sie entstehen liess. Die Ausstellung «Nationalpark» vom Juni 2013 bis Dezember 2013 hatte zum Beispiel den Ursprung in der Frage, was für eine letzte Ausstellung in ein Gebäude passt, welches 80 Jahre lang erst als Natur-, dann als Kunstmuseum gedient hat und nun abgerissen wird. Wir haben uns überlegt, ob wir irgendeine Ausstellung machen und nach dem letzten Tag die Türen einfach schliessen, oder ob wir etwas Spezielles, Einmaliges
machen wollen.

Ich habe mich für Letzteres entschieden: Ich habe zwei Künstler eingeladen, die in ihrer Arbeit Kunst und Natur verbinden. Sie haben eine Ausstellung konzipiert, die sechs Monate, vom längsten bis zum kürzesten Tag des Jahres, dauerte. In dieser Zeit sind in der Ausstellung Dinge gewachsen und wieder verwelkt. Die Künstler durften in das Gebäude eingreifen, es verändern und in ihre Kunstobjekte miteinbeziehen – sie nutzten diese Möglichkeiten und rissen das Dach auf, entfernten Wände und verbanden die beiden Etagen durch ein riesiges Loch bzw. eines der Kunstobjekte.

Das ist ziemlich aussergewöhnlich

Es war faszinierend. Die Rückmeldung eines Jungen war denn auch: «Das ist viel besser als Kunst!».

Sie haben die bestehende Sammlung des Museums erwähnt. Inwieweit beeinflusst sie die Ausstellungen?

Indem quasi um die Bilder aus unserer Sammlung eine Ausstellung organisiert wird. Wir haben in der Sammlung zum Beispiel ein tolles Bild, das so gut wie noch nie gezeigt wurde. Ich habe dann zu diesem Künstler eine Ausstellung organisiert.

Wie werden denn die Bilder für eine Ausstellung ausgewählt?

Die Auswahl der Bilder erfolgt gemeinsam mit dem Künstler, falls er noch lebt. Falls nicht, muss sein Nachlass gesichtet werden und es ist zu entscheiden, welche Bilder man zeigen möchte und wie diese zusammenpassen. Danach werden die Bilder zusammengetragen, entweder direkt aus dem Atelier des Künstlers oder mittels Leihgesuchen an die jeweiligen Eigentümer.

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