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Herr Demme, was arbeiten Sie?
Ich arbeite als Chauffeur beim Dienstzweig Abfallbewirtschaftung und Deponie in der Gemeinde Köniz.
Wie war Ihr beruflicher Werdegang?
Mein Traumberuf war Lastwagen-Chauffeur seit ich meinen Vater, der bei Kehrli+Oeler als Chauffeur von Schwertransporten gearbeitet hat, auf einer Fahrt begleiten durfte. Von diesem Moment an war ich fasziniert von den riesigen Fahrzeugen. Mein Vater war mit meinem Berufswunsch jedoch überhaupt nicht einverstanden, weshalb ich eine Schreinerlehre machte. Danach habe ich mir meinen Kindheitstraum trotzdem erfüllt und als Chauffeur bei verschiedenen international tätigen Firmen gearbeitet.
Nach mehreren Jahren auf der Strasse wollte ich eine eigene Familie gründen und beschloss, das Leben als Lastwagenchauffeur aufzugeben. Die langen Abwesenheiten lassen sich mit dem Familienleben nur schlecht vereinbaren. Ich habe dann zum Glück hier in der Region eine Stelle als Schreiner gefunden. Weil wir aber hauptsächlich Restaurants umbauten, musste ich oft Nachtarbeit verrichten, was für das Familienleben auch nicht besser war als meine vorherige Arbeit als Chauffeur.
Als dann die Stelle in Köniz als Belader und Chauffeur für den Kehrichtwagen ausgeschrieben war, bewarb ich mich. Seit Februar 1989 arbeite ich nun für die Gemeinde Köniz.
Dann haben Sie zuerst als Belader gearbeitet?
Genau, zuerst war ich hinten auf dem Kehrichtwagen und weiss, was es bedeutet, dort zu arbeiten. Als Chauffeur ist mir deshalb bewusst, dass es geschätzt wird, wenn man möglichst nah an den Kehricht fährt und wenn es viel Abfall hat, die Luftfederung benützt. Mit dieser kann man den Kehrichtwagen so tief absenken, dass die Trittbretter bodeneben sind, was für die Belader eine wesentliche Arbeitserleichterung ist, insbesondere, wenn viel Sperrgut entsorgt werden muss.
Arbeiten alle Chauffeure zuerst als Belader?
Nein, das ist nicht zwingend so. Wir haben im Team Personen, die nur als Chauffeure arbeiten. Die anderen Mitarbeiter haben eine Doppelfunktion und machen beides, je nach Einteilung.
Arbeiten Sie in Zweier- oder Dreierteams?
In der Regel arbeiten wir zu dritt. Ein Team besteht aus einem Chauffeur und zwei Beladern. Ein paar Touren fährt man aber zu zweit ab; zum Beispiel jene der Gemeindegrenze entlang, bei der es weniger Abfall zum Aufladen gibt. Wenn ich in einem Zweierteam arbeite, gehe ich als Chauffeur nach hinten, wenn es viele Container hat, und helfe dem Belader.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Wir treffen uns morgens um 7 Uhr bzw. nach der einstündigen Mittagspause um 13 Uhr im Werkhof und gehen dann auf unsere Touren. Unser Dispo-Chef erstellt ein Wochenprogramm und teilt jedem Mitarbeiter eine Tour und Funktion zu. Normalerweise arbeiten wir abends bis 16.30 Uhr, freitags ist aber bereits um 16 Uhr Arbeitsschluss. Das ergibt eine 42 Stunden-Woche.
Sind die Touren in diesem Zeitraum machbar?
In der Regel schon. Bei weitläufigen Touren und wenn die Bevölkerung viel zu entsorgen hat kann es auch mal länger dauern. Wenn man merkt, dass es sehr viel mehr Kehricht oder Grünabfall als üblich hat, wird ein zusätzliches Fahrzeug zur Entlastung eingesetzt.
Eine Ausnahme ist die Grünabfallabfuhr; diese dauert öfters mal eine Stunde länger, weil man nach dem Entladen das Fahrzeug noch reinigen muss. Insbesondere im Sommer stinkt der Grünabfall extrem, auch weil oft Essensreste drin sind, die eigentlich nicht in die Grünabfuhr gehören.
Wird an jedem Arbeitstag eine Tour gefahren?
Ja. Montags ist in Köniz Grünabfuhr mit drei Fahrzeugen und ein Fahrzeug sammelt Alu und Weissblech. Am Dienstag fahren vier Fahrzeuge für den normalen Kehricht, am Mittwoch wird Papier gesammelt, ebenfalls mit vier Fahrzeugen. Am Donnerstag sammeln wiederum vier Fahrzeuge den Kehricht ein. Am Freitag fahren nochmals drei Fahrzeuge für den Kehricht und eines für Weissblech.
Zudem haben wir Mitarbeitende, die mit den kleineren Fahrzeugen, also 3-Tönnern, unterwegs sind und Spezialaufgaben wie das Leeren der öffentlichen Abfalleimer oder Reinigen der Bushaltestellen erledigen. Ein Mitarbeiter hat jeweils Servicedienst an einem Fahrzeug. Wenn ein Fahrzeug auf der Tour eine Panne hat, hilft dieser aus und fährt die Tour zu Ende.
Fährt jeder Chauffeur jede Tour?
Ja, das ist heute so. Früher hatte man feste Touren. Letzteres hatte den Vorteil, dass man genau wusste, wo sich Baustellen befinden und entsprechend ausweichen konnte. Mit dem heutigen System fährt man dieselbe Tour ungefähr alle drei Wochen. Wenn mich ein Kollege nicht informiert, dass es irgendwo eine Baustelle hat, kann es vorkommen, dass ich eine längere Strecke rückwärtsfahren muss, was je nach Ort fahrtechnisch schwierig ist und auch zu Verkehrsbehinderungen führen kann.
Dafür ist bei wechselnden Touren die Gefahr der Routine geringer?
Nicht unbedingt, Routine hat nicht zwingend mit einer festen Tour zu tun. Sie ist aber allgemein gefährlich. Routinierte Chauffeure wissen wie lang und breit ihr Fahrzeug ist; wenn nun aber ein Auto in einer engen Strasse ausnahmsweise nicht genau im Parkfeld, sondern leicht ausserhalb steht, ist viel Aufmerksamkeit notwendig, um dies zu bemerken und nicht aus lauter Routine wie gewohnt zu fahren und das Auto zu streifen.
Gibt es viele Schäden oder Unfälle?
Nein, es passiert verhältnismässig wenig wenn man bedenkt, wie oft wir auf der Strasse unterwegs sind. Aber es kann natürlich schon mal einen Schaden geben. Ich arbeite seit bald 30 Jahren hier als Chauffeur und mein schlimmster Unfall war, als ein Autofahrer so heftig auf meinen Kehrichtwagen auffuhr, dass sein Auto schlussendlich auf den Trittbrettern stand. Ich sass vorne und sah es in der Kamera – das Schlimmste war, dass ich nicht wusste, wo mein Kollege war, der als Belader normalerweise ja genau auf diesen Trittbrettern steht. Als ich ausstieg und nach hinten ging, hatte ich weiche Knie und Angst vor dem was mich erwartete. Mein Kollege hatte Glück und eine gute Reaktion – er stand zwischen den Trittbrettern und konnte sich mit einem Bein auf der Motorhaube des Autos abstützen. Er hat sich bei diesem Unfall nicht verletzt.
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