Seite:
- 1
- 2
Welche Ausbildung muss man für Ihren Job haben? Welches Anforderungsprofil muss man erfüllen?
Man muss ein abgeschlossenes Studium als Bauingenieur/in an einer Fachhochschule oder Universität bzw. in der Schweiz an der ETH vorweisen können. Für eine Stelle als Projektleiter/in sind zudem mindestens fünf Jahre Erfahrung im Tiefbau und möglichst auch in der Projektleitung notwendig.
Es ist natürlich schwierig, all diese Anforderungen zu vereinen. Wir haben bis jetzt aber immer Leute mit mindestens fünf Jahren Berufs- und Projektleitungserfahrung gefunden.
Wie sind die Weiterbildungsmöglichkeiten?
Wir haben hier gute Möglichkeiten, um sich im Bereich der Projekte auf fachlicher Ebene weiterzuentwickeln. Die Geschäftsleitung unterstützt dies, indem sie interessierten Projektleitern diejenigen Projekte gibt, mit denen sie sich fachlich weiterentwickeln können.
Es gibt aber auch Leute, die in ihrem angestammten Bereich tätig bleiben wollen. Sie sind ausgewiesene Spezialisten und damit sehr zufrieden.
Wie lässt sich ein typischer Arbeitstag am besten beschreiben?
Ein typischer Arbeitstag ist mit Sitzungen, Telefonate und Besprechungen vollgefühlt. Dazu gehören Bausitzungen oder Augenscheine auf den Baustellen mit den Bauleitern, Projektsitzungen oder bilaterale Gespräche zu einzelnen Fragen. Meine Tage sind dadurch sehr intensiv und vielseitig.
Das ist schön, aber andererseits bleibt dadurch wenig Zeit für die Büroarbeit, denn all diese Sitzungen müssen vorbereitet und nachbearbeitet werden. Wir Projektleiter haben deshalb Ingenieure und Projektassistenten, die uns unterstützen. Es gibt aber auch Arbeiten, die man als Projektleiter nicht delegieren kann und selbst erledigen muss. Dazu gehören unter anderem die Erstellung der Budgets, die Investitionsplanung, das ganze Ablauf- und Zeitmanagement, das Controlling oder die Qualitätskontrolle, Risikomanagement, Kommunikation und viel mehr. All dies geht über den Tisch des Projektleiters.
Damit das funktioniert, muss man gut organisiert sein. Ich arbeite 100 % und halte mir immer den Montag und Freitag für die Büroarbeit frei. Das heisst, an diesen beiden Tagen stehe ich für Sitzungen und Besprechungen nicht zur Verfügung bzw. nur im Notfall.
Wie ist das Verhältnis zwischen Büroarbeit und Präsenz auf den Baustellen an den restlichen Tagen?
Von Dienstag bis Donnerstag finden rund 40 % der Besprechungen ausserhalb des Büros statt. Es ist jedoch abhängig davon, wie viele laufende Projekte ich betreue. Im Durchschnitt sind es rund 10 Projekte gleichzeitig, meistens vier davon mit laufenden Baustellen. Das ist aber das absolute Maximum.
Wie hoch ist Ihr durchschnittlich verbautes Budget pro Jahr?
Im Durchschnitt verbaut ein Projektleiter mit seinen Projekten rund zwei bis drei Millionen Franken. Ich habe aber in den letzten zwei Jahren jährlich um etwa 15 Millionen Franken verbaut. Das gab dann schon sehr viel Arbeit, da sehr viele Baufirmen, Bauleiter, Ingenieure usw. involviert waren. Ich kam damit aber an meine Grenzen und merkte, dass ich mich anders organisieren muss, damit ich die Arbeit bewältigen kann. Daraufhin habe ich die beiden fixen Tage für Büroarbeit eingeführt.
Und wie hoch ist das Budget für die nächsten Jahre?
In den nächsten 5 – 10 Jahren werde ich über 100 Millionen Franken verbauen. Eines der Grossprojekte hat allein zum Beispiel ein Gesamtbudget von 55 Millionen Franken.
Wie lebt es sich als Frau in dieser Männerwelt?
Der Faktor Frau spielt schon eine Rolle und hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Wenn ich neu an eine Arbeitsstelle kam, musste ich immer zuerst beweisen, dass ich etwas vom Fach verstehe. Im Grundsatz gilt das ja auch für Männer, aber vielleicht nicht so ausgeprägt. Ich dachte, nach 10 Jahren Berufserfahrung ist das nicht mehr nötig – da habe ich mich aber getäuscht.
Ich denke auch, Frauen müssen etwas mehr leisten, um gleichermassen akzeptiert zu werden wie Männer. Das hat sich seit den 90er-Jahren, als ich mit der Arbeit angefangen habe, aber sehr verändert. Dannzumal war ich auf Baustellen überhaupt nicht gern gesehen und im Tunnelbau erst recht nicht – die heilige Barbara war die einzige Frau, die bei den Arbeitern im Tunnel sein durfte, um kein Unglück heraufzubeschwören.
Ich fühle mich heute aber akzeptiert auf der Baustelle. Natürlich ist das ein Stück weit auch vom Charakter der einzelnen Personen abhängig. Sobald ich aber zeigen konnte, dass ich fachlich kompetent, spielt das Geschlecht überhaupt keine Rolle mehr und man kann auf gleicher Ebene fachlich und sachlich diskutieren. Ein inkompetenter männlicher Projektleiter würde ja auch nicht akzeptiert werden.
Können Sie uns noch ein aktuelles Projekt beschreiben?
Es ist mir schwer eine Auswahl zu treffen, da ich alle meine Projekte gerne habe. Ich bin unter anderem an der Fertigstellung eines 33 Mio. Franken Abwasserkanalprojekts, das über 800m grosskalibrigen Kanäle und ein Regenbecken in der Grösse des Winterthurer Stadthauses beinhaltet. Über das Projekt wurde bereits in der Schweizer Bauwirtschaft berichtet. Damit das Abwasser bei starkem Regen nicht in die Eulach fliesst, musste ein unterirdisches Regenbecken gebaut werden. Dazu gehören auch die grosskalibrigen Zulaufkanäle, die mit einem Microtunneling-Verfahren ausgeführt wurden. Eine enorme Herausforderung dabei ist unter anderem, den Zulaufkanal unter dem dicht bebauten Stadtzentrum hindurch zu bohren. Denn hier wimmelt es in der Regel nur so von Werkleitungen, Kanälen, Baugrubenankerungen und anderen Hindernissen. Und auch wenn der grösste Teil davon, inklusive Geologie, untersucht und auf den Plänen vermerkt ist, so sind die Überraschungen nie auszuschliessen. Eine mögliche Gefahr stellten bei der Arbeit die vielen Bauwerksanker dar, welche die Trassee des Zulaufkanals über 70 mal kreuzten. Ebenfalls bautechnisch anspruchsvoll war der Bau des Regenbeckens.
Momentan beschäftig mich das grosse Brückenprojekt Querung Grüze (Budget 55 Mio. Franken) das ich in nächsten Frühling in die Volksabstimmung bringe.
Was gefällt Ihnen bei Ihrer Arbeit am Besten?
Ich arbeite sehr gern mit Menschen zusammen. Ich arbeite und leite gerne die Teams. Dadurch erbringe ich die beste Leistung. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist natürlich manchmal auch sehr herausfordernd. Es gibt so viele unterschiedliche Charakteren, die nicht immer gleich gut zusammenpassen. In diesen Fällen muss ich oft auch Mediationen machen.
Haben Sie eine Weiterbildung im Bereich Personalführung gemacht?
Ja, ich hatte nach einer Weiterbildung gesucht, welche hilft, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen, Führungskompetenzen zu stärken sowie den Umgang mit Menschen zu verbessern. Ich wollte herausfinden, wie ich selber funktioniere und wie ich mit einzelnen Menschen umgehen kann. Ich habe deshalb eine Ausbildung als Coach, Teamtrainerin, Betriebssupervisorin und Erwachsenbildnerin gemacht. Es war sehr interessant zu erkennen, wie die Umwelt anders reagiert, wenn man das eigene Verhalten situationsgerecht anpasst und verändert. Es hat bei mir zum Bewusstsein geführt, dass ich mich nicht verstellen muss, sondern als Frau auftreten kann und als Frau angehört und akzeptiert werde.
Ich finde es eine sehr wertvolle Weiterbildung, wenn man eine Leitungsfunktion hat. Im Studium werden Ingenieure nicht darauf vorbereitet andere Menschen zu führen. Wir sind Fachleute, wir machen unseren Job, berechnen Statiken und wenn man den Job gut macht, bekommt man eine Teamleitungsfunktion, hat aber keine Ahnung von Personalführung.
Und wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Ich spiele Theater bzw. Comedy in Zürich. Das ist meine grösste Leidenschaft. Wir sind eine Theater-Gruppe unter der Leitung von Ueli Bichsel, welche sich LOCOS -Theater-Werkstatt nennt. Wir arbeiten jede Woche einen Abend mit ihm und er probiert mit uns im Bereich Comedy und Clown neue Sachen aus. Daraus entstehen pro Jahr zwei Stücke. Im 2018 spielten wir wieder eine Woche lang in einem Theater in Zürich ein Stück bei dem es um die eigene Identität geht.
Meine zweite Leidenschaft ist segeln – auf dem Zürichsee und bei den jährlichen Törns auf dem Mittelmeer. Mein grosses Ziel: einmal von Hawaii nach Australien die gesamte Südsee zu durchsegeln.
Ich liebe es ausserdem, mich in Wohltätigkeitsprojekten einzubringen. Ich würde liebend gern für die Menschen in Drittweltländern eine nachhaltige Infrastruktur erstellen, um dadurch die Lebensqualität für sie zu verbessern.
Beruf Bauingenieur/in
Ausbildung
– Bauingenieur/in ETH: Studium an der ETH in Zürich oder Lausanne
– Bauingenieur/in FH (BSc): Studium an einer Fachhochschule
– Master of Science (FH) in Engineering (MSE): Studium an einer Fachhochschule
Voraussetzungen Berufsprüfung
– Interesse an mathematisch- naturwissenschaftlichen Zusammenhängen
– Interesse an Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft
Seite:
- 1
- 2