Exotin in einer Männerwelt

Interview mit Suzana Cufer, Bauingenieurin Winterthur

Frau Cufer, was arbeiten Sie?

Ich bin bei der Stadt Winterthur als Projektleiterin und Oberbauleiterin für die komplexen Projekte im städtischen Tiefbau angestellt. Die Bauprojekte, die ich leite beinhalten vor allem die Gestaltung der neuen und Erneuerung der bestehenden öffentlichen Tiefbauinfrastrukturen, also Strassen, Plätze, Kunstbauten, Grünflächen, Werkleitungen aller Art.

Was ist Ihr Aufgabenbereich?

Ich bin für die Gesamtleitung der Grossprojekte im Tiefbau zuständig.

Betreuen Sie jeweils das gesamte Projekt?

Ja, ich bin für die Gesamtleitung der Projekte von der Vorstudienphase bis zur Inbetriebnahme zuständig. 

Bei der Gestaltung wirken Sie mit?

Ja, als Bauherrenvertretung ist meine Mitwirkung essentiell. Bei der Gestaltung bringe ich meine Erfahrung als Fachspezialistin im städtischen und Spezialtiefbau ein. Ich bestimme auch, welche externen Fachleute und Spezialisten am Projekt mitarbeiten und welche Arbeiten durchgeführt werden müssen. Dementsprechend vergebe ich die entsprechenden Aufträge an Ingenieurbüros, Architekten, Bauunternehmungen, Lieferanten sowie an verschiedene Fachspezialisten wie zum Beispiel Geologen oder Hydrogeologen, Landschaftsarchitekten, Verkehrsplaner etc., abhängig davon was für Arbeiten gemacht werden müssen. Die Bauleitung erfolgt durch die extern beauftragten Ingenieure, die Oberbauleitung liegt aber bei mir.

Welche Aufgaben haben Sie in Ihrer Funktion als Projektleiterin bzw. Oberbauleiterin?

Ich bin für das gesamte Projekt verantwortlich. Also von der Planung und Projektierung über das gesamte Vergabewesen bis hin zur Realisierung des Projekts.

Wie unterscheiden sich die Aufgaben des Bauleiters und Ihre Aufgabe als Oberbauleiterin?

Der Bauleiter ist vor Ort operativ tätig und arbeitet in der Regel für ein Ingenieurbüro, welches von uns mit der Bauleitung beauftragt wurde. Er kontrolliert unter anderem die Arbeiten vor Ort.

Ich bin als Oberbauleiterin für alle übergeordnete Sachen wie zum Beispiel das Vergabewesen, Qualitätskontrolle, Risikomanagement, Kommunikation, Koordination zuständig und fälle die Entscheide. Das heisst, der Ingenieur resp. Bauleiter schlägt mir Varianten und Optionen für die Ausführung der Arbeiten vor und gibt Empfehlungen ab. Ich muss dann entscheiden, wie die Arbeiten tatsächlich ausgeführt werden.

Welche Fähigkeiten muss man für Ihre Funktion als Oberbauleiterin haben?

Man ist einerseits Manager und muss gut organisieren können, andererseits muss man unbedingt über Fachkenntnisse verfügen.

Sind solche Stellen begehrt?

Es ist momentan schwierig, Fachleute für die Verwaltung zu finden. Ich denke, das liegt zum Teil daran, dass die Anstellung in der öffentlichen Verwaltung gegenüber einer Tätigkeit in der Privatwirtschaft nicht mehr im gleichen Mass attraktiv ist wie früher. Dabei ist die Lohnentwicklung meines Erachtens nicht der entscheidende Faktor, sondern die Karrieremöglichkeiten. In der Privatwirtschaft sind die Aufstiegschancen oft besser, in der Verwaltung hingegen werden Führungspositionen eher eingespart als neu geschaffen. Das macht den Aufstieg in eine höhere Position schwierig.

Weshalb gingen Sie zur Stadtverwaltung Winterthur?

Ich war über 15 Jahre in der Privatwirtschaft tätig und das war eine sehr bewegte Zeit. Ich war ursprünglich im Tunnelbau tätig; da ist man immer unterwegs und reist von einer Baustelle zur nächsten. Ich habe als Beraterin bei der Weltbank gearbeitet und Baustellen auf der ganzen Welt betreut. Ich habe deshalb oft den Wohnort gewechselt, was sehr anstrengend und rastlos war.

Eines meiner letzten Projekte in diesem Bereich war der Gotthard-Basistunnel.

Wie war denn Ihr beruflicher Werdegang?

Ich habe nach dem Bauingenieurstudium in Kroatien meine Karriere in Österreich begonnen und habe nach einem Jahr im Industriebau zum Tief- bzw. Tunnelbau gewechselt. Ich habe im Auftrag von Weltbank in Asien, Lateinamerika, Europa (Dänemark, Frankreich, Deutschland, Kroatien, Türkei, Slowakei,…)  und in den USA Tunnels gebaut.

In China haben wir das zweitgrösste Wasserkraftwerk mit über 200 km langen Bewässerungsstollen gebaut. In New York war ich beim Bau einer U-Bahn-Linie involviert, ebenso in Paris, Washington und Kopenhagen. Diese Projekte betreut man aber nicht vom Anfang bis zum Ende, da sie in der Regel 10 – 30 Jahre dauern. Man arbeitet am Anfang in der Projektierungsphase mit oder mitten im Projekt oder dann gegen Ende bis zur Fertigstellung.

Ich wollte irgendwann aber mal ein Projekt von der Idee bis zur Inbetriebnahme begleiten und sagen können «das hier habe ich gemacht». Ich wechselte deshalb in das Tiefbauamt der Stadt Zürich und danach zum Kanton Aargau. Im Zürich war ich nur in einer Projektphase tätig, weil dort die Aufteilung in die Bereiche «Planung» und «Realisierung» gab. Ich konnte also nur einen Teil des Projektes begleiten.

In Winterthur ist das nun anders?

Ja, so ist es. Hier wurde jemand mit übergreifender Fachkompetenz gesucht. Sie wollten jemanden, der oder die sich nicht „nur“ mit der Kanalisation auskennt. Ich entsprach diesem Anforderungsprofil, da ich aus dem Spezialtiefbau komme und bereits Projekte betreute, die sie von meinen fachlichen Qualitäten wie auch die Erfahrung in der Verwaltung überzeugten.

Gefällt es Ihnen hier?

Ja, sehr. Ich arbeite seit 2013 hier und es gefällt mir noch immer sehr gut. Ich schätze es sehr, dass ich nicht herumreisen muss und meine Projekte alle innerhalb der Stadtgrenze liegen.

Was für Projekte stehen noch an?

Für die Verkehrserschliessung des aufstrebenden Stadtteils Neuhegi sind mehrere Massnahmen geplant. Die Brücke «Querung Grüze» ist eine erste Massnahme, die ca. 55 Mio. Franken wert ist.

Neuhegi ist ein aufstrebender, vielfältiger Stadtteil, wo international tätige High-Tech-Firmen angesiedelt sind, mit dem Eulachpark der grösste Winterthurer Park realisiert wurde, der schweizweit grösste Holzwohnbau entsteht und mit dem Schulhaus Neuhegi das jüngste Schulhaus gebaut wird. Für die Lösung der Verkehrsprobleme wurde im Rahmen des städtischen Gesamtverkehrskonzepts ein ganzes Bündel von Massnahmen entwickelt. Dieses beinhaltet Projekte wie einen direkten Anschluss ans Autobahnnetz über die Zentrumserschliessung Neuhegi, eine Veloquerung beim Bahnhof Grüze und die Brücke «Querung Grüze».

Ich freue mich sehr, dass ich hier in Winterthur nun meine erste Brücke bauen darf. Ich habe zwar den Master im Brückenbau, hatte aber bis jetzt noch keine Gelegenheit eine zu bauen. Das Projekt ist eine grosse Herausforderung. Im Moment sind wir in der Phase der Projektfestsetzung. Erst wenn der Stadtrat einverstanden ist, gehen wir in die Phase der Kreditgenehmigung, was in der Kompetenz der Bevölkerung liegt. Das heisst, ich werde die Volksabstimmung vorbereiten dürfen, was sehr spannend ist.

In dieses Projekt wurde schon viel Arbeit investiert?

Ja, das ist richtig. Wir haben die Studie und das Vorprojekt in ein Projekt zusammengefasst, weil der Detaillierungsgrad der Planung höher sein musste als bei einem gewöhnlichen Vorprojekt in einem ähnlichen Zeitpunkt.

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