Im Interview wird mit Margrit Stamm zweierlei erörtert: erstens die wichtigsten Erkenntnisse ihrer neuen Studie über Väter (siehe auch Kasten Seite 4). Und zweitens: was das alles für Gewerkschaften bedeuten könnte.
Margrit Stamm, Ihre Forschung über die «neuen Väter» zeigt eine Kluft zwischen angestrebten und realisierten Vatermodellen. Väter sollen sich in der Familie engagieren. Gleichzeitig ist der Druck, Haupternährer zu sein, nicht von ihnen abgefallen.
Lassen Sie mich zunächst anmerken, dass sich da in den letzten zwei, drei Jahrzehnten viel bewegt hat.
In unserer – punktuellen – Untersuchung ist das weniger ersichtlich, aber Längsschnittstudien, etwa aus den USA, zeigen: Väter machen heute viel mehr mit ihren Kindern als noch in den 1970er Jahren. Ich selber hatte in den 1980er Jahren Kinder – und auch mein Mann hat sich als Vater nicht übermässig profiliert…
Doch trotz dieses Wandels entspricht die Art und Weise, wie Vatersein heute gelebt wird, nicht den gesellschaftlichen Idealvorstellungen. Und sie entspricht auch nicht dem, was Väter sich selber wünschen. Sie möchten gern mehr zu Hause sein, allerdings nicht (auch wenn sie das ungern sagen), um beim Putzen und Waschen und Bügeln zu helfen. Sondern um mit den Kindern Zeit zu verbringen.
Und warum tun sie es dann nicht?
Der Hauptgrund ist ein ökonomischer. Wenn ein Paar Kinder bekommt, werden die Finanzen noch stärker als vorher ein Thema. An diesem Punkt wird relevant, dass Frauen häufig weniger verdienen und häufiger in Berufen tätig sind, in denen geringere Löhne bezahlt werden. Die Paare entscheiden sich naheliegenderweise dafür, dass es die Frau ist, die ihr Pensum im grösseren Stil reduziert. Und zwar tun sie das, wie wir herausgefunden haben, gemeinsam. Es sind nicht einfach die Männer, die darauf beharren, voll im Beruf zu bleiben. Sondern es ist das Paar, das im Lichte der gegebenen Situation eine finanziell verkraftbare Lösung wählt. Die besteht sehr häufig im Modell «Vollzeit + Teilzeit».
Auch der Wunsch der Mutter, beim Kind zu bleiben, spiegelt sich darin.
«Frauen sind an zurückhaltenden Männern und damit an der Persistenz traditioneller Familienarrangements ebenso beteiligt wie ihre Partner», schreiben Sie. Sind also am Ende die Frauen auch noch selber schuld, wenn es mit der Gleichstellung nicht klappt?
Natürlich nicht. Aber wir sollten den Blick auch nicht einseitig auf allfällige Defizite der Männer richten. Das sogenannte Gatekeeping ist noch wenig untersucht, spielt aber unserer Erkenntnis zufolge eine wichtige Rolle: Frauen definieren zu Hause die Standards – wie das Kind zu wickeln ist, wie ihm der Brei gegeben wird, wie es in den Schlaf gesungen wird… Das gilt auch für Haushalttätigkeiten (das Bad schlierenfrei putzen!). Es ist nicht so, dass das eine absichtliche Strategie der Frauen wäre mit dem Ziel, die Männer auszuschliessen. Aber wo Frauen darauf beharren, dass sie in Erziehungs- und Haushaltfragen kompetenter sind, geraten Männer in den Status eines anleitungsbedürftigen Praktikanten oder – bestenfalls – Juniorpartners. Das behagt vielen nicht, und sie ziehen sich zurück. Ich gebe zu: Auch ich war so eine Türstehermutter. Ich versuchte um jeden Preis zu verhindern, dass mein Mann sich an der Waschmaschine zu schaffen macht, weil ich davon ausging, dass er bestimmt ein blaufärbendes 30-Grad-Teil zur 60-Grad-Wäsche gäbe…
Es geht auch um die Art, wie mit den Kindern kommuniziert und gespielt wird, die ja durchaus geschlechtsspezifisch ist. Väter: eher herausfordernd, Mütter: eher fürsorglich. Man braucht das nicht zu werten…
… und es soll auch nicht aus den Vätern eine schlechtere B-Version der Mütter gemacht werden. Die schiere Anwesenheit ist noch kein Qualitätskriterium, auch wenn wir Mütter des 20. Jahrhunderts häufig daran gemessen und darauf reduziert wurden.
Sie vertreten die Ansicht, dass die väterliche «Leistung» ohnehin grösser ist, als sie heute häufig eingeschätzt wird.
Ich habe erst durch die Beschäftigung mit amerikanischen Studien die Schieflage meiner eigenen Vorstellungen korrigieren können. Auch in meiner eigenen Partnerschaft hatte ich Mühe, die männlichen Bemühungen etwa in den Bereichen Steuern und Versicherungen oder Autounterhalt als Leistungen zu anerkennen. In allen neueren Forschungen – ausser den radikalfeministischen – werden Beiträge zur Aufrecht- und Instandhaltung und zum Management des Familienlebens als Leistung gewertet. Auch wenn sich der Vater gedanklich mit den Kindern beschäftigt, über den geeigneten Schultyp nachdenkt oder den passenden Sportverein recherchiert, ist das eine Form von Anteilnahme und gehört mit ins Bild.