Vom Geldtransport zur Kanalreinigung

Interview mit Helene Marbot, Disponentin Kanaldienstleistungen Stadt Zürich

Wie war Ihr beruflicher Werdegang?

Ich bin eine Quereinsteigerin. Ich habe ursprünglich Drogistin gelernt, danach aber neun Jahre in der Logistik und Spedition im Geldtransportwesen gearbeitet. Berufsbegleitend habe ich die Logistikfachfrau-Ausbildung gemacht und bin jetzt hier in der Disposition.

Im Bereich Kanaldienstleistungen, gibt es ohnehin erst seit einem Jahr die Ausbildung zum Entwässerungstechnologen oder Entwässerungspraktiker.

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf?

Es ist kein Tag wie der andere. Jeder Tag ist für Überraschungen gut, auch weil die Arbeit sehr wetterabhängig ist. Vor kurzem durfte ich die Lastwagenprüfung machen, was meine Arbeit noch spannender macht, da ich zwischendurch mit den Teams  vor Ort mitarbeiten kann. Das hilft mir extrem fürs Verständnis gegenüber den Teams und ihrer Arbeit, sowie bei der Beratung von Kundenanfragen am Telefon. Diese Einsätze dienen ausserdem der Pflege des Kundenkontakts.

Mir gefällt es zudem, zwischendurch körperlich zu arbeiten. Das fehlt mir im Büro manchmal.

Wie oft sind sie draussen unterwegs?

Das variiert, da die Dispo jeweils von 6.00 bis 17.00 Uhr besetzt sein muss und wir nur zu zweit sind. Wenn ich auf dem Fahrzeug draussen arbeite, muss meine Kollegin die ganze Schicht abdecken.

In der Regel versuchen wir, ein bis zwei Mal pro Monat mit den Fahrzeugen mitzugehen. Wenn wir selber am Steuer sitzen, versuchen wir jeweils eine ganze Woche am Stück zu fahren, da es jeweils ein paar Fahrten dauert, bis die Routine auf dem Lastwagen wieder da ist.

Wir springen zwischendurch auch ein, wenn ein Chauffeur unerwartet krank wird und ausfällt und wir kein Reservepersonal haben.

Das macht Ihnen Spass?

Ja, es ist sehr spannend. Manchmal auch sehr dreckig. Das sind dann auch die Momente, wenn man sich vielleicht wünscht, doch lieber im Büro geblieben zu sein. Aber man gewöhnt sich daran. Ich will mir als Frau in solchen Situationen natürlich auch keine Blösse geben, auch wenn die Arbeit mal dreckiger ist.

Dieser Sommer war ja eher trocken, werden dann mehr Routinearbeiten erledigt?

Es ist dann schon etwas ruhiger; durch unsere Service-Aufträge haben wir aber immer genug zu tun. In regenreichen Tagen werden die Termine bei diesen Privatkunden nach hinten verschoben und später nachgeholt.

Weshalb hat man bei Regen viel mehr Arbeit?

Einerseits überlaufen die Schächte schneller, weil ihre Kapazität irgendwann erreicht ist, und andererseits wird das Wasser aufgestaut, sobald irgendwo ein Kanal oder Schacht verstopft ist. Gerade im Herbst gelangt viel Laub und Dreck in die Kanalisation.

Bei starkem oder anhaltendem Regen werden auch überlaufende Bäche zu Problemstellen. Bei kanalisierten Bächen kommt das Problem hinzu, dass vor dem Eingang in den Kanal ein Geschiebesammler, der Äste, Laub und Dreck aufhält, angebracht ist. Wenn viel Wasser fliesst, wird auch viel Material mitgeschwemmt und diese Sammler werden aufgefüllt. Die Folge ist, dass das Wasser irgendwann überläuft und angrenzende Liegenschaften «überschwemmen» kann. Deshalb ist der regelmässige Unterhalt dieser Geschiebesammler ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.

Das passierte auch letzten Sommer, als es mal zwei Wochen fast ununterbrochen regnete. Wir haben eine Woche lang praktisch nur Geschiebesammler geleert.

Gibt es eine Art Warnsystem für das Kanalsystem?

Ja, das gibt es. Es wird die Regenmenge gemessen und anhand dieser Daten werden Kontrollen an kritischen Orten durchgeführt sowie die Pikettdiensthabenden aufgeboten. Bei den Geschiebesammlern hat es ebenfalls eine Messgrenze. Die Polizei ist zudem instruiert, damit sie im Notfall eine Warnung herausgeben kann.

Automatisierte Alarme gibt es in den Pumpwerken. Damit habe ich aber weniger zu tun, da diese in der Regel ausserhalb der regulären Arbeitszeit losgehen und ich keinen Pikettdienst leisten muss; das übernimmt die Betriebszentrale.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit weniger?

In unsere Arbeit sind so viele Amtsstellen involviert, dass es manchmal schwierig ist, Neuerungen einzuführen; Entwicklungsprozesse verlaufen dadurch eher träge.

Sonst gibt es aber nichts zu bemängeln, es gefällt mir nach wie vor sehr gut. Es arbeiten hier ganz tolle Leute, tolle Chauffeure – ich arbeite wirklich jeden Tag gern.

Es ist aber schon eine Männerdomäne?

Ja, das ist so. In unserem Team funktioniert die Zusammenarbeit aber sehr gut.

Bei den Kundenkontakten ist es manchmal so, dass ich für die Telefonistin gehalten werde und jemand von der Disposition verlangt wird, «der eine Ahnung von der Sache hat». Wenn ich dann darauf hinweise, dass ich in der Disposition bin und auch Auskunft geben kann, ist die anfängliche Skepsis oft schnell überwunden.

Es kam bei einem Einsatz vor Ort auch schon vor, dass mich der Kunde konsequent ignoriert und nur mit dem Chauffeur gesprochen hat.

Erhalten Sie Rückmeldungen von Kunden?

Ja, es gibt extrem dankbare Kunden, die froh sind, wenn wir kommen. Zum Beispiel Restaurantbetriebe sind sehr dankbar, wenn wir in Notfallsituationen schnell reagieren können und sie möglichst rasch wieder den normalen Betrieb aufnehmen können. Garagenbetriebe finden es manchmal eher etwas lästig, wenn wir die Mineralölabscheider leeren wollen, da dies für sie natürlich Kosten verursacht. Die Leerungen sind jedoch notwendig, da die Garagenbetriebe bei einer allfälligen Kontrolle nachweisen müssen, dass der Mineralölabscheider in den gesetzlich vorgeschriebenen Abständen kontrolliert und geleert wurde.

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