Siehe oben

Alle finden Bildung wichtig. Man kann sich darüber freuen, nur ist solch unverhoffte Harmonie eben auch verdächtig: Wenn plötzlich alle das Gleiche mögen, haben sicher einige etwas missverstanden. Ein Klärungsversuch.

Alle wissen das, was sie wissen, am besten. Ich muss es ja wissen, finde ich folgerichtig, und ich erzähle diesen Befund der Welt. Die weiss ja nicht alles und wenn sie etwas weiss, dann sicher nicht so gut wie ich. Ich hingegen weiss alles und alles am besten, und deshalb muss die Welt mein Wissen ja auch wissen wollen, glaube ich. Nein, das weiss ich natürlich. Schwierig: Die Welt besteht aus Leuten, die genau das gleiche über ihr Wissen wissen wie ich. Auch sie wissen nämlich, dass sie alles am besten wissen. Es scheint, als könne man überhaupt nur etwas wissen, indem man sich einbildet, es am besten zu wissen. Sonst weiss man es ja nicht wirklich, denn jemand könnte es ja besser wissen. Sogar jemand, der weiss, dass er nichts weiss, muss sich einbilden, dass er zumindest das weiss – und zwar eben am besten, siehe oben.

Einbildung ist also ein grundlegender Teil allen Wissens. Wenn ich mir nicht einbilde, manches besser zu wissen als andere, kann ich mich weder aus- noch weiterbilden. Wie wichtig das ist, weiss inzwischen auch ein Analphabet, der die letzten zehn Jahre unter einem Stein auf einer einsamen Insel verbracht hat. Alle, und auch wirklich alle, sind sich einig, es brauche für alle, und auch wirklich alle, so viel «lebenslanges Lernen» wie möglich, weil die «Digitalisierung» kommt und dann vieles «automatisiert» wird. Alle, und auch wirklich alle, wollen mehr Bildung, weil sie sich einbilden, die eben genannten Schlagwörter hätten mit Bildung zu tun. Nur die Einbildung, Aus- und Weiterbildung und die Angst vor den bösen Maschinen hätten mit Bildung zu tun, hat wirklich mit Bildung zu tun, weil Einbildung ja die Bedingung der Möglichkeit von Wissen ist, siehe oben.

Bildung ist ein Wissen, aber nicht einfach irgendeines. Wer aus Angst vor der «Digitalisierung» von Weiterbildungskurs zu Weiterbildungskurs hetzt, weiss dadurch sicherlich immer mehr, wird aber nicht unbedingt gebildeter. Bildung hiesse nämlich, nicht einfach reflexartig auf Schlagwörter wie «Digitalisierung» zu reagieren und bei «Automatisierung» automatisch in Panik zu verfallen. Bildung ist Wissen, das nicht nur nützlich ist, sondern die kritische Prüfung von bestehendem Wissen ermöglicht. Gebildet ist, wer aufgrund seines Wissens gerade dieses Wissen hinterfragen, gestalten und erweitern kann. Wer dies leistet, weiss mehr, kann sein Wissen verschiedentlich originell umsetzen und hat mehr Freude daran: Bildung ist Wissen, das um sich selbst weiss. Einfaches Wissen kann man speichern und maschinell analysieren, die kritische Prüfung solchen Wissens, seine kreative Umformung und die Freude an solchen Vorgängen eben gerade nicht. Keine Maschine ist gebildet und jeder Mensch könnte es sein. Und ich muss es ja wissen, siehe oben.

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