Glück ist schwierig zu beschreiben. Es wird angestrebt, verloren und an manchen Schulen sogar gelehrt. Leider wird auch viel zu viel darüber geschrieben, gerade in der Weihnachtszeit. Diese Ansicht vertritt auch der folgende Text über Glück.
Schulfach Glück. Die Bezeichnung ist unglücklich, denn Glück ist keine lernbare Kompetenz. Aber nein, werden mir gleich Glückslehrpersonen ins Wort fallen, es gehe in diesem Fach um Selbsterkenntnis und Selbstorganisation. Dergleichen helfe, glücklich und gestärkt durchs Leben zu gehen. Das mag sein. Es darf trotzdem zu denken geben, wenn die Schule sich um solch individuell unterschiedliche, schwammige Angelegenheiten zu kümmern beginnt. Mathematik wird immerhin gelehrt, weil nicht alle rechnen können, und Rechtschreibung fördert die Frustrationstoleranz bei Lernenden und Lehrpersonen. Alles hat seinen Zweck, auch wenn nicht jede Schülerin und nicht jeder Schüler das so sehen mag. Warum beschäftigen wir uns aber so intensiv mit Glück, dass es mancherorts Schulfach wird?
Schliesslich haben wir alles, was wir für unser Glück brauchen. Der Ultraschall-Nasenhaartrimmer, der kanariengelbe Rasenmäher mit der Messing-Namensplakette, ein Marmor-Grabstein für Schlarchi, den Lieblingshund – all das zeigt doch, wie wunderbar weit wir davon entfernt sind, unserem Nachbarn mit einem dicken Ast (oder Stein) die Visage einzuschlagen, um sein Essen zu stehlen. Aktuell haben wir sogar wieder Weihnachtsmärkte mit hunderttausend handgeschnitzten Holzfigürchen, viel menschlicher Wärme und Glühwein. Genau: Greifbare Gründe für Glück gäb’s genug.
Ich sehe zwei Erklärungen für das Verlangen nach lernbarem Glück. Entweder machen uns die oben angeführten greifbaren Gründe doch nicht so recht glücklich. Irgendwann sind eben alle Nasenhaare getrimmt. Sogar die von Schlorchi, Schlarchis Nachfolger. Wenn der Glühweindampf dann süss-sauer in der Nase brennt und man am Weihnachtsmarkt im Gedränge auf Schlorchis Schwanz tritt, merkt man: Etwas in uns langweilt sich ob der Fülle und möchte dem Nachbarn halt doch mit einem dicken Ast (oder Stein) die Visage einschlagen, einfach um seinen Nasenhaartrimmer auszuprobieren. Nach gründlicher Desinfektion, versteht sich. Und überhaupt, so fies ist das ja nicht. Schliesslich hat Nachbars Visage vorläufig andere Probleme als Nasenhaare.
Keine sehr weihnachtlichen Gedanken. Diese Erklärung stimmt aber vermutlich nicht, sonst hätte mich längst jemand mit einem dicken Ast (oder Stein) erwischt. Eine solche Welt vertrüge keine vorlauten Leute. Die zweite Erklärung liegt näher: Glück ist nicht gegenständlich zu beschreiben. Da aber die gesellschaftlich dominante Definition von Glück von mindestens acht erfolgreichen Kindern, einer steilen Karriere, einer perfekten Ehe, einem gestählten Körper, drei regelmässig entwurmten Perserkatzen und mindestens einem Ultraschall-Nasenhaartrimmer ausgeht, verwundert es kaum, wenn Leute sich darin nicht erkennen. Und leicht gestresst sind. Und deshalb glauben, Glück lernen zu müssen. Klar. Wenn nämlich neben dem Aufgezählten auch noch Weihnachtsmarktbesuche zum Glück dazugerechnet werden, bin auch ich lieber ein wenig unglücklich. Oder suche mir halt einen dicken Ast (oder Stein) und klingle nebenan.